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  • cdonat

mehr als 1000 Beiträge seit 21.10.2002

Nicht "alles Lüge!", sondern "wo sind jetzt die Beweise!"

Robert Zehn schrieb am 6. Februar 2003 17:32

> > Ich frage dich, warum kein Vertreter der genannten Staaten nach der
> > Präsentation Powel gedankt hat, dass er ihnen dei Augen geöffnet hat.

> Weil sie ihre Antworten schon vorformuliert hatten.

Es hat sich aber auch bis jetzt keiner anderweitig geäussert. Hier in
Deutschland war der Bayrische Rundfunk der einzige Medienbetrieb, von
dem ich erfahren habe, dass man dort einen Teil der Aussagen von
Powell für neu hielt, wenn auch nicht ausreichend, einen Krieg zu
rechtfertigen. Wie wir alle wissen, ist der Bayrische Rundfunk kein
linker Kampfsender.

> Man könnte durchaus auch sagen "wir wissen, daß es nicht
> stimmt/gelogen/gefälscht ist", ohne weitere Quellen anzugeben.

Dann würde man sich dem Vorwurf aussetzen, auf dem gleichen niedrigen
Niveau zu agieren, wie die, denen man etwas vorwirft. Warum sollte
man sich dorthin begeben, wenn man mit der bisherigen Strategie die
USA ja offentlichtlich so nervös gemacht hat, dass sich Powel ähnlich
peinlich öffentlich nackt ausgezogen hat, wie vor ihm schon Blair.
Etwas anderes war das nicht nach der riesigen Ankündigung der tollen
Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak und Beziehungen zu
Terroristen. Er hat eben keine Beweise gebracht, sondern nur die
Wiederholung von Behauptungen.

> Vermutlich haben sie das meist auch über verschlüsselte Kanäle
> gemacht, aber irgendwer baut immer Mist (wer Wehrdienst geleistet
> hat, der weiß, was da für Leuchten rumlatschen).

Also, wenn die Funker im 2. Weltkrieg es geschafft haben, die Enigma
zu bedienen, dann ist die Nutzung transparenter verschlüsselter
Kanäle heute kein Problem. Die Enigma wurde nicht in erster Linie
durch die Dummheit der Funker geknackt, sondern weil die Maschinen
und Codebücher in die Hände der Engländer gefallen waren, wo
herausragende englische und polnische Mathematiker das Gerät
analysiert haben.

> > Warum ist auf diesem Mitschnitt nur ein Wort wirklich klar und
> > deutlich zu verstehen: "Nervengas"?

> Hat er das auf irakisch gesagt? Wenn ja, dann konnte man es wohl auch
> nicht deutlicher verstehen. Wenn nein, dann ist wohl klar wieso.

Es ist auf arabisch, und die Aussage, dass das einzige klar
verständliche an diesem Dialog diese Wort war (den Rest konnte man
verstehem, war aber nicht klar), eben dieses war, habe ich IIRC
gestern bei Phoenix gehört. Da bin ich mir aber nicht mehr absolut
sicher.

> > Woher weiss man, dass bestimmte Bauten, die auf den Satelitenfotos zu sehen
> > sind, Chemiewaffen beinhalten?

> Jedenfalls war da was drin (Frage an den Irak: was?),

Meistens ist es der Sinn von Bauten, dass man irgend etwas "drin"
hat. 

> was
> abtransportiert wurde (Frage an den Irak: wohin? warum?).
> Anschließend würde der Komplex mitten in der Wüste (Frage an den
> Irak: was wurde da gemacht?) mit Bulldozern eingeebnent
> (Frage an den Irak: warum?). 

Naja, bevor man ein Gebäude einebnet, bringt man meistens die Dinge,
die man darin aufbewahrt hat, woanders hin. Das ist so weit nicht
verdächtig. Natürlich kann man vom Irak verlangen, dass er aufklärt,
was in konkret diesen Gebäuden war und wo es jetzt ist. So weit gebe
ich dir Recht. Warum sollte man aber davon ausgehen, dass sie einem
dann die Wahrheit sagen? Wie sollte man die Aussage kontrollieren?

> Laut Weltsicherheitsrat liegt die Beweislast beim Irak, da bekannt
> ist, daß er 1998 noch Massenvernichtungswaffen hatte (nach
> Einschätzung von Inspekteuren und Sicherheitsrat), die laut Irak
> seitdem vernichtet worden sind. Nachweis? Akten? Befehle dazu? Wo
> wurden sie vernichtet? Wann? Wie? Der Irak schweigt zu diesen Fragen,
> sagt nur "Alles Lüge!". Das ist zu wenig.

Die Inspektoren (in Persona die Herren Blix und El Baraday) haben bei
ihrem letzten Bericht gesagt, dass der Irak zwar nicht aktiv
kooperiert, aber imerhin sie nicht mehr behindert. Das ist ein
Fortschritt, auf dem die Herren Inspekteurue hoffentlich diplomatisch
aufbauen können um eine aktive Kooperation zu erzielen. Wir werden
sehen, was daraus wird. Du wirst mir und den Herren Anan, Blix und El
Baraday aber trotzdem zustimmen, dass noch nicht alle diplomatischen
Mittel ausgeschöpft sind.

> > Wie unterscheidet ein Satelitenfoto zwischen
> > einem "Dekontaminierungsfahrzeug" und einem beliebigen Lastwagen? Wie
> > glaubwürdig sind die exil-Iraker, nach deren Angaben angeblich die
> > Bilder der "fahrenden Chemielabors" gemacht wurden?

> Tja, da ist natürlich was dran... Einige der vorgebrachten "Beweise
> oder Nichtbeweise" waren recht schwach, aber was hat man denn von den
> USA erwartet?

Keiner hat mehr erwartet als sie gebracht haben. Darum hat ja auch
niemand damit gerechnet, dass die USA damit irgend jemandes Meinung
beeinflussen können. Die ganze Veranstaltung war unnötig. Nach der
großen Ankündigung, an die sowieso niemand geglaubt hat, war es nur
peinlich.

> "entscheidet, dem Irak eine letzte Möglichkeit zur Erfüllung seiner
> Abrüstungspflichten zu gewähren (...) und dafür ein verstärktes
> Inspektionsregime mit dem Ziel der vollständigen und verifizierten
> Beendigung des Abrüstungsprozesses einzusetzen"

OK, Die Übersetzung passt relativ gut. Ich habe mir gerade den
orginalen Text von den UNMOVIC Seiten in Englisch angeguckt.
Eventuell sollte ich in Zukunft tatsächlich vor solchen Aussagen
öfter die originalen Dokumente lesen, und nicht nur Zusammenfassungen
:-)

> Die Inspekteure sollen also dem Irak beim Abrüsten "zusehen".

Und die Abrüstung vervollständigen. Das tun sie und werden daran
nicht gehindert. Das mit dem zusehen ist bisher eher mager. Sie
werden zwar auch daran nicht gehindert, aber es gibt da
zugegebenermassen wenig zu sehen. Diese Aussage deckt sich also
zimlich genau mit der von Herrn Blix.

> [...] 

Ich bin hier nicht zur Verteidigung der irakischen Regierung
angetreten, sondern stelle nur fest, dass die Vorwürfe der USA nicht
ausreichend mit Belegen unterfüttert sind, um den wahrscheinlichen
Tot von (nach UN-Schätzungen) ca. 500.000 Zivilisten zu
rechtfertigen. Das ist erst dann möglich, wenn wirklich jeder noch so
kleine und noch so schwierige Weg ohne Krieg versucht wurde. Es sind
noch lange nicht alle.

> Wenn die Behauptungen Powells stimmen, dann bedeutet das doch, daß
> der Irak eben nicht zusammenarbeitet, sondern täuscht. Er rüstet
> nicht ab, sondern versteckt seine Massenvernichtungswaffen. Ein
> "schwerwiegender Verstoß" laut Weltsicherheitsrat.

Was zu "ernsten Konsequenzen" führen soll. Gestern war ein
angesehener Völkerrechtler bei einer Diskussionsrunde auf Phoenix zu
sehen. Der sagt, dass man von einem Gremium, wie dem UN
Sicherheitsrat, bei einer derart schwerwiegenden Entscheidung mit
derart weitreichenden Folgen erwarten kann, dass nur eine eindeutige
Formulierung einen Krieg legitimiert. Die "ernsthaften Konsequenzen"
sind also noch nicht zwingend ein Krieg. Was auch immer man sich
sonst vorstellen könnte: Weitere Verschärfung des Embargos bis zur
kompletten wirtschaftlichen Isolierung; Anerkennung einer
Exilregierung als legitime Regierung des Iraks; etc.

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