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  • mind.dispersal

mehr als 1000 Beiträge seit 02.03.2010

Werte

Den Anhängern einer Alternativgesellschaft, in der der Wert eine universelle Erscheinung ist, durch menschliche Arbeit bedingt, gilt der Wert auch außerhalb der Warenproduktion. Es gäbe demnach keine Warenproduktion ohne Wert, jedoch aber Wert ohne Warenproduktion. Logisch sei darob, der Wert, also abstrakte Arbeit, werde in der Produktion durch konkrete Arbeit in die Ware gebracht, auf dem Markt realisiert, sichtbar und messbar. Somit wäre der Wert sowohl eine spezielle Art der Arbeit als auch ein gesellschaftliches Verhältnis. Auf gleicher Ebene mit konkreter und vergegenständlichter, eine dritte Sorte von Arbeit?

Das ist eine Fixierung auf einen möglichen Zwischenschritt der Wertschöpfung im Wertekreislauf menschlicher Kultur.

Vilem Flusser schlägt in "Informationsgesellschaft, Phantom oder Realität" zum Beispiel die drei Begriffe vor:

Wertfrei, Wertvoll, Wertlos.

Die Natur ist - bevor sie als Ressource einem Zweck zugeführt wird - wertfrei.

Sie wird als "Rohstoff" bezeichnet, weil sie "roh" und "ungeschliffen" ist, d.h. sie ist "uninformiert". Erst wenn ihr eine Information aufgepresst wird (Flusser benutzt das Beispiel Füllfederhalter) ist sie "informiert" für einen Zweck und damit wertvoll, d.h. voll mit wert.

Geht das Produkt dieser Informierung kaputt und verliert seinen Zweck, ist es wertlos und hat einen kurzen oder langen Weg zurück zur Wertfreiheit vor sich.

Der Streit der Klassengesellschaft kreise allein um die idealistische Einordnung, was nun der "Quell der Werte" sei, insbesondere in der Industriegesellschaft: Die Schöpfung der Information (Design, Wissenschaft) oder der Schritt der Arbeit, welcher sie ins Material presst.

Ganz nebenbei erklärt er, dass man als "Moderne" jenen Abschnitt bezeichnet, an dem die Vorstellung Oberhand gewann, dass die Informationen wandelbar (modulierbar) und selbst herstellbar sind, während sie in religiösen und kultisch-historischen Gesellschaften festgelegte Ideale waren (und nur die gute oder schlechte Umsetzung des Ideals als Bewertungsmaßstab galt).

Er sagt, der Marxist habe sich für die Arbeit als Quell der Werte entschieden.

Was aber durch seinen Erklärungsansatz offensichtlich wird, ist, dass das Problem nicht die Beantwortung der Frage nach dem Quell der Werte ist, sondern die Frage selbst das Problem ist, weil das eine ohne das andere nicht existieren kann. Tatsächlich sei menschliche Kultur immer eine Informationsgesellschaft gewesen, seit dem Faustkeil.

Klassenbewusstsein resultiert daher immer aus der Empfindung, der eigene Schritt der Wertschöpfung werde seiner Wichtigkeit nach nicht angemessen entlohnt. Das betrifft in der modernen Gesellschaft nicht nur den Handwerker, sondern auch den Wissenschaftler (Der z.B. als Doktorand zwar tatsächlich wissenschaftlich arbeitet, aber gemessen an seiner tatsächlichen (auch zeitlichen) Arbeitsleistung weniger verdient, als ein nach Tarif bezahlter KFZ-Mechaniker in Vollzeit). Ein anderes Extrem präsentiert der Autorenstreik in Hollywood, wo die Schöpfer der Information selbst zu spärlichen Konditionen schreiben, aber jene welche diese Information in Gestalt setzen, mehr als fürstlich entlohnt werden.

Ich glaube, wenn diese überkommenen Vorstellungen von "Oben und Unten" aufhören, erkennt man auch wieder, dass sich bei der Bewertung im Kapitalismus so einiges schlicht zugunsten jener, die bereits Werte akkumuliert haben, verschoben worden ist.

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