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  • kemmerich

mehr als 1000 Beiträge seit 11.02.2020

Re: Kapitalismus überwinden heisst Klimaschutz für viele Jahre aussetzen

ACD schrieb am 05.04.2023 07:49:

Wenn jetzt wieder ein Land vom Kapitalismus zum Sozialismus revolutionieren würde, würden die resultierenden Konflikte alles Interesse an Kilmaschutz in den Schatten stellen.
COVID und der Ukrainekrieg wären dagegen nur eine Kleinigkeit.

Es geht nicht um Revolution, schon gar nicht zum Sozialismus. Es müsste eine Wirtschaftsform gefunden werden, die so viele Freiheiten wie möglich lässt und die staatlichen Eingriffe - die notwendigerweise deutlich stärker ausfallen würden als heute, das Klima hätte ja dann Vorfahrt - auf das notwendige Maß beschränkt. Jeder einzelne Schritt zu dieser Wirtschaftsform müsste transparent, fair und vor allen Dingen gnadenlos sozial gerecht sein. Für unmöglich halte ich das keineswegs. Leider ist es nicht durchsetzbar:

Und in dem Land selbst würde der Entscheidungsprozess, wie das nicht-kapitalistische System aussehen soll, auch viele Jahre brauchen. Es scheint ja zur Zeit darüber keine Einigkeit zu herrschen.

Ja, da muss ich zähneknirschend zustimmen.

Wer Klimaschutz jetzt will, muss ihn im Kapitalismus umsetzen.

Was aber eben nicht geht. Gewisse Entkoppelungseffekte haben wir bereits erreicht, der große Durchbruch blieb aber bislang aus. Und ich fürchte, dass die großen Fortschritte auch weiterhin nicht kommen werden, denn letzten Endes wird man immer wieder vor dem Dilemma stehen, dass entweder...

...entscheidende Klimaschutzmaßnahmen wie gewohnt vertagt werden müssen, weil diese mit den Erfordernissen einer funktionierenden kapitalistischen Wirtschaft nicht zusammengehen. Man kann beispielsweise innerhalb des Kapitalismus im Verkehrsbereich nicht das tun, was alle, aber wirklich alle einschlägigen Green-Growth-Studien für erforderlich halten, eine starke Reduzierung (in Richtung Halbierung) des PKW-Bestands - jedenfalls nicht ohne eine gewaltige Wirtschaftskrise. Und das ist nur ein Beispiel aus einem Sektor.

...oder tatsächlich wirksamer Klimaschutz durchzusetzen versucht wird, ohne den wirtschaftlichen Rahmen zu ändern. Dann kommt es zu so schweren Krisen, dass die Konflikte im Anschluss heftiger ausfallen werden als wie bei allen bekannten Revolutionen zusammen. Vorher würde vermutlich der Staat eingreifen, die Maßnahmen zurücknehmen und die Wirtschaft auf gewohnt keynesianische Art mit "Abwrackprämien" stimulieren.

Das Dilemma bestünde natürlich nicht, wenn es technisch möglich wäre, den Kapitalismus ohne weitere Umweltschädigung fortzusetzen. Genau deshalb ist die Erzählung vom "grünen Wachstum" ja auch so populär, genau deshalb wird sie mit Zähnen und Klauen gegen jede Kritik verteidigt. Gegen Kritik, die eigentlich auf der Hand liegt...

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