Ansicht umschalten
Avatar von Feldjacke
  • Feldjacke

mehr als 1000 Beiträge seit 18.04.2011

Re: Entweder keine Todestrafe oder man hält sie in der Summe

Ich will zur Vermeidug von Mißverständnissen erstmal vorausschicken,
daß ich im Folgenden die Sache rein vom technischen Standpunkt aus
betrachte, ohne eine moralische Wertung vorzunehmen (über deren
Probleme habe ich an anderer Stelle schon geschrieben).

Das hat sich praktisch als schwierig erwiesen. Es ist ja
unbezweifelbar, daß die NS-Propaganda den von ihr so bezeichneten
"Untermenschen" ihre Menschlichkeit abgesprochen hat. Dennoch zeigten
sich bei den Kriegsverbrechen an (oder vielmehr: HINTER) der
Ostfront, daß die Männer damit nicht klarkamen.

Ich zitiere Himmler: "Von Euch werden die meisten wissen, was es
heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn
1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von
Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das
hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals
zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte."

Interessant ist hierbei nicht die proagandistische Rechtfertigung der
Kriegsverbrechen, etwas anderes konnte man von Himmler ohnehin nicht
erwarten (sonst wäre er nicht RFSS gewesen). Nein, interessant ist,
daß er dazu ÜBERHAUPT was sagen mußte, das weist nämlich auf die
massiven Probleme hin, die er in seiner Propaganda als "Ausnahmen"
darstellt. Wären es wirklich Ausnahmen gewesen, dann hätte er dazu
überhaupt nichts gesagt, jedenfalls nicht in einer wichtigen Rede vor
hochrangigem Publikum, sondern das stillschweigend weiterlaufen
lassen.

Deswegen ist man ja (nach Versuchen mit KFZ-Motoren) schließlich auf
diese perfide Masche mit den Duschen gekommen, übrigens eine Methode,
die ganz eindeutig Himmlers verschlagene Handschrift trug.

Andere "Lösungen", die sich die Menschheit hat einfallen lassen, war
die Verteilung der Verantwortung, also Hinrichtung zu gemeinsamen
Hand oder wie das heißt. Niemand ist dabei direkt für den Tod des
Hingerichteten verantwortlich, erst gemeinsam ist die Todesfolge
zwingend. Daher steinigt man bei der Steinigung mit relativ kleinen
Steinen - nicht auschließlich, um die Qualen des Opfers zu
verlängern, obwohl das sicherlich auch eine Absicht ist.

Oder einem Teil des Erschießungskommandos Platzpatronen geben, ihnen
aber nicht sagen, wer scharfe Munition hat und wer nicht - und
hoffen, daß es keiner am Rückstoß merkt.

Ein ganz anderes Problem sehe ich da aber noch: Wenn man Menschen das
Töten antrainiert, zerstört man damit ihre Tötungsschwelle, das sind
dann rumlaufende Zeitbomben. Wie man die ins Zivilleben integrieren
will, muß man sich auch erstmal überlegen, sonst kommt nämlich sowas
raus wie bei den Vietnamveteranen. Oder, wie das nach WW2 in den USA
geschah, militante Rockerbanden. Den eigentlichen Mörder ist man dann
zwar los, hat aber einen neuen erschaffen, und da seine Tat nicht nur
legal, sondern staatlich befohlen war, kann man ihn dafür nicht
einsperren. Sonst findet man niemanden, der diesen Job macht.

Die Amerikaner mit ihren computergesteuerten Giftspritzmaschinen
haben da Himmlers Grundgedanken, den Tötungsakt zu maschinisieren und
auf diese Weise Distanz zu schaffen, konsequent fortgeführt. Plus daß
der Ansatz, möglichst viel Distanz zwischen Henker und Delinquent zu
schaffen, eben bewirkt, daß die Tötungsschwelle umso weniger
angetastet werden muß, je mehr Distanz man schafft. Daher diese
technisierte Version.
Bewerten
- +
Ansicht umschalten