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  • G. Garibaldi

379 Beiträge seit 24.11.2017

Spielt das eine Rolle?

The Bosses of the Senate
https://commonwealthmagazine.org/wp-content/uploads/2016/05/The_Bosses_of_the_Senate_by_Joseph_Keppler-620x410.jpg

Die repräsentative Demokratie hat für die eigentlichen Zentren politischer Macht den Vorteil, dass die gesamte Veränderungsenergie des Volkes in der Wahl anderer Repräsentanten aus einem vorgegebenen Spektrum erschöpft wird. Damit fehlen innerhalb der gegenwärtigen Formen repräsentativer Demokratie Mechanismen, durch die ein Veränderungswille politisch wirksam werden kann. Genau dadurch stellt die repräsentative Demokratie für die Machteliten eine nahezu perfekte Herrschaftsform dar; sie ist eine Form der Oligarchie, die jedoch dem Volk als Demokratie erscheint.

In der Herdenmetapher bedeutet dies, dass die repräsentative Demokratie die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Hirten lenkt und die Herdenbesitzer gleichsam unsichtbar macht; die Veränderungsenergie des Volkes bleibt darauf beschränkt, andere Hirten aus dem Personal des Herdenbesitzers zu wählen. Dieses Problem wurde früh erkannt, und der amerikanische Karikaturist Joseph Keppler hat es bereits 1889 in seiner Zeichnung „»The Bosses of the Senate« bildlich verdichtet dargestellt.

Es ist selbst als ein Erfolg jahrzehntelanger Indoktrination anzusehen, wenn wir den Eindruck haben sollten, diese Karikatur sei eine groteske Überzeichnung des Repräsentationsproblems. Überspitzt ist sie nur in den künstlerischen Mitteln; in der Sache stellt sie die wirklichen Machtverhältnisse der damaligen Zeit recht zutreffend dar. Seitdem haben sich die Verhältnisse noch einmal massiv zugunsten oligarchischer und plutokratischer Strukturen verschoben. Zudem wurde von den Macht- und Funktionseliten das »Unsichtbarmachen« der tatsächlichen Zentren politischer Macht – unter intensiver Erforschung nutzbarer Schwachstellen des menschlichen Geistes – in zunehmend systematischer Weise perfektioniert.
(…)
Der Philosoph Karl Jaspers beklagte 1967 in seiner Antwort an die Kritiker seiner Schrift »Wohin treibt die Bundesrepublik«: »Paradox könnte man sagen; Wir stehen in dem Zerfall einer Demokratie, die bei uns eigentlich noch gar nicht da war. Wir verrotten, ohne dass eine Substanz verrottete, die gewesen wäre.«

Der französische Sozialphilosoph André Gorz stellte fest: »In Westeuropa und auf dem amerikanischen Kontinent gibt es kein Land mehr, in dem die gewählten Versammlungen noch eine demokratisch entwickelte Konzeption der Gesellschaft und des Allgemeininteresses vertreten, die wichtigen Entscheidungen nicht von Expertenausschüssen fernab jeder Öffentlichkeit getroffen werden und die parlamentarischen Debatten nicht zu bedeutungslosen Zeremonien herabgesunken sind.« Und er wies darauf hin, dass »die repräsentative Demokratie notwendig eine mystifizierte Demokratie ist und immer schon war.« Ihrer eigentlichen kapitalistischen Ideologie zufolge entziehen sich zentrale Aspekte der Gesellschaft ihrem Einfluss: »(...) die Art und die Ausrichtung der Produktion entsprechend den Bedürfnissen der Masse, die technische und gesellschaftliche Arbeitsteilung, die Investitionsentscheidungen der privaten Monopole und des Staates, die Verwendung der wirtschaftlichen Überschüsse (...)« Soweit nur einige Beispiele, die aufzeigen, dass die neoliberale Revolution lediglich einen Zerstörungsprozess der Demokratie vollendete, der bereits lange zuvor begonnen hatte.
(Rainer Mausfeld, Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören)

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