Auch bei diesem Thema wieder das Gleiche. Ein Experte sagt, dafür brauche man Spezialkenntnisse, beschreibt die Probleme bis ins Detail, andere Experten nicken mit dem Kopf, denn es stimmt ja alles wirklich, diese Meinung wird vom Bürger übernommen und je nach politischer Ausrichtung übernommen oder widersprochen.
Finde den Profiteur und Du hast den Täter. Das sagt Putin, folglich waren es für ihn die Amerikaner. Auch viele Leser von TP halten das für möglich, sie sind keine unbedingten Freunde der USA, darum passt das in ihr Narrativ. Dabei stützen sie sich auf Expertenmeinungen, die auch sehr plausibel klingen.
Für die Mehrheit sind die Russen mehr oder weniger daran Schuld. Deren Nutzen ist zwar zweifelhaft, aber das dafür benötigte Spezialwissen und die Ausrüstung erfordert einen staatlichen Akteur oder zumindest dessen Unterstützung. Sie berufen sich auf die gleichen Experten, die Unterstützung von weiteren Experten finden.
Dass die Aktion unglaublich kompliziert und kostenintensiv sein muss, wird aber nie in Zweifel gezogen. Besonders wir Deutschen neigen dazu, jedes Problem mit der Kompliziertesten aller Möglichkeiten zu lösen, die einfache, simple Lösung gerät damit komplett aus dem Blickfeld.
Keiner hält es für möglich, dass es sich dabei um eine Guerilla-Aktion handeln könnte. Guerilla-Methoden zeichnen sich durch asymmetrische Waffen und Aktionen aus. Sie weichen den Kräften des Gegners aus und lassen sie ins Leere laufen. Sie nutzen Kreativität, um sich einem überlegenen Gegner zu widersetzen.
Wo liegt der Denkfehler all dieser Experten? Er liegt in ihrem Aufgabenbereich. Die Aufgabe von Industrietauchern ist es, komplizierte Aufgaben zu erledigen. Darum müssen sie in große Tiefen, begeben sich in große Gefahren, darum benötigen sie teueres Spezialequipment. Sie gehen jede Aufgabe unter Annahme dieser Prämissen an und begehen den Fehler, dass diese möglicherweise gar nicht zu berücksichtigen sind.
Sie argumentieren, dass es notwendig ist 70 Meter tief zu tauchen, weil sie es in ihrem täglichen Geschäft so machen müssen, anders geht es nicht. Dabei liegt ein paar Kilometer von der Pipeline entfernt ein Haufen alter Weltkriegsmonution. Hat sich jemand mal gefragt, wie die dort hingekommen ist? Jeder weiss es, sie wurde einfach über Bord gekippt.
Ein Guerilla-Kämpfer wird an dieser Stelle stutzig werden und sich fragen: wie schaffe ich es, eine Menge an Sprengstoff etwas genauer zu plazieren? Runterwerfen ist zu ungenau, aber an einem Seil hängend sieht die Sache schon viel besser aus. Aus was besteht so eine Röhre eigentlich? Aus betonummantelten Stahl. Hat so eine Stahlröhre vielleicht spezielle magnetische oder elektrische Eigenschaften? Jeder Heimwerker, der mit einer Schlagbohrmaschine schon mal ein Loch in die Wand gebohrt hat, weiss die Antwort. Der Rest ist Bastelarbeit.
Wie schon bei Corona und tausend anderer Themen auch, verlassen wir uns unkritisch auf Expertenmeinungen. Das heisst nicht, dass sie unrecht haben, es stimmt, was sie sagen, aber es ist nur ein Teil des Ganzen. Kreative Menschen, und das sind Guerilla-Kämpfer, nehmen sich den fehlenden Teil vor. Sie konzentrieren sich auf die Frage: wie denkt mein Gegner, wo hält er sich für besonders kompetent, wo macht er die wenigsten Fehler? Und dann: was hat er dadurch aus den Augen verloren? Er denkt nicht symmetrisch, also Panzer gegen Panzer, Mann gegen Mann, sondern Panzer gegen angelegte Schlammlöcher, Soldaten gegen bewaffnete Zivilisten, Ordnung gegen Unordnung. Er denkt asymmetrisch, er nimmt sich den ungeliebten Schrott, der auf dem Meeresboden herumliegt als Inspiration. Das würde kein Experte machen, der denkt an Wasserdruck, Sauerstoffversorgung der Taucher, an präzises Planen und Durchführen.
Das heisst nicht, dass es eine Guerilla-Aktion gewesen sein muss, aber ausschließen sollte man es nicht. Eben habe ich hier noch auf TP gelesen, es soll ein unkrainischer Geschäftsmann gewesen sein, der das finanziert hat. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber bezahlbar ist so eine Aktion, wenn man es kreativ angeht.