Genau genommen, ist das heute noch so, wie es schon immer gelaufen ist - nur mit mehr Show. Aber selbst das ist nicht sicher, vielleicht war die "Show" früher auch erheblich, nur wir haben keine Videos davon ... Peter der Große, Zar von Russland, 17./18. Jhd., schämte sich für sein rückständiges Russland, zurück gekommen aus einer mehrjährigen Bildungsreise durch Europa, führte er die Bartsteuer ein - weil ihm bärtige Männer als Sinnbild Russlands Rückständigkeit erschien. Es hat funktioniert, der zeitgenössische Russe trägt in Mehrheit auch heute noch keinen Bart. Allerdings galt die Leibeigenschaft in Russland bis 1861 weiter - die hatte Peter der Große offensichtlich nicht als Makel empfunden, trotz Kontakten mit Philosophen und zeitgenössischen Aufklärern.
Der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. war überzeugt, dass Schulbildung dazu beitragen kann, die Kinder zu guten Untertanen zu erziehen, und so erließ er am 28. September 1717 ein Edikt, das zum Meilenstein bei der Einführung der allgemeinen Schulpflicht werden sollte. Bildung war bis dahin vor allem Kindern aus wohlhabenden Familien in Form von Privatunterricht vorbehalten. Wenn es Dorfschulen gab, wurden sie selten besucht, da die Eltern ihre Kinder eher auf dem Feld oder auf dem Hof mitarbeiten ließen. Das humboldtsche Bildungs-Ideal galt nur für den Adel und Großbürger.
Usw. - es wurde schon immer von Regierungen, Souveränen, Einfluss auf die Verhaltensnormen der Allgemeinheit ausgeübt, teilweise bis in intimste Details (Jus) primae noctis (deutsch: Recht der ersten Nacht). Was neu ist, die heutige Annahme, in Demokratien würde das nur passieren, wenn a) die Mehrheit das will, und b) es wissenschaftlich-logisch Sinn macht. Der Kampf gegen die Kritik an Alternativlosen Entscheidungen, der zunehmende Unwille ergebnisoffen zu diskutieren, deutet doch auf c) hin: Es gibt diese idealisierte Demokratie gar nicht. Es ist, wie zu Zeiten Peter des Großen geblieben - und morgen zwingen wir sie alle, sich die Bärte abzuschneiden - ob das Sinn macht, oder nicht - wird nicht ergebnisoffen diskutiert, es wird gar nicht diskutiert.
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