Erst mal danke für Ihre zivilisierte Antwort und den spannenden Diskurs, der sich daraus ergibt. Sollte ich Ihre Nachricht zuvor zu Unrecht als "empört" wahrgenommen haben, tut mir das leid.
Zur Sache:
Leider liegt in Bezug auf Russland hier der entscheidende Fehler, denn ganz offensichtlich ist Russland bereit wirtschaftliche Vorteile seiner imperialen Agenda zu opfern.
Andersrum wird eher ein Schuh draus. Klar ziehen sich viele westliche Konzerne aus Russland zurück. Das wird kurzfristig sicherlich negative Effekte haben, langfristig erhöht sich einfach nur die Unabhängigkeit vom Westen wirtschaftlich. Länder wie Indien haben längst bewiesen, dass sie bereit sind, bereitwillig in die Bresche zu springen, die Europa gerade hinterlässt. Damit fällt übrigens ein weiteres Kriegshindernis. Der Rubel ist so stark wie vor dem Krieg, wohingegen selbst natotreue Medien wie die Tagesschau inzwischen offen berichten, dass in England viele Haushalte zukünftig vor der Frage "Heat or Eat" stehen. Und da es bekanntermaßen seit Jahrzehnten Teil der imperialen Agenda der Vereinigten Staaten ist, einen Keil zwischen Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen auf der einen Seite und Russland auf der Anderen, erklärt sich das NATO-Zündeln in der Ukraine wie von selbst. Der ultimative Spaltpilz. Macht ja auch Sinn, wenn man sich anschaut, wie militärische Auseinandersetzungen mit Russland in der Vergangenheit ausgegangen sind.
Fun Fact: Preussen hätte ziemlich rüh aufgehört zu existieren, wäre Peter III., gewissermaßen ein Preussen-Versteher, nicht zufällig und genau so kurz an die Macht gekommen, um einen Separatfrieden mit Preußen zu schließen.
Übrigens erkennen auch ansonsten recht verachtungswürdige Realpolitiker wie Henry Kissinger an, dass es keine sonderlich kluge Idee, zumindest im Sinne der Erhaltung des Friedens ist, die Ukraine in die NATO einzubinden.
verhält sich der russische Staat seit Putins Amtsantritt zunehmend aggressiv gegenüber seinen Nachbarn.
Auch hier gilt es, alle Seiten zu betrachten. Polens Regierung(en) verfolgten selbst zur Zeit der relativen Nähe zu Russland in den 00er Jahren eine extrem aggressive Rhetorik gegenüber Russland und haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie sich gerne zum militärischen Trampolin für US-geführte Abenteuer gen Osten machen. Im Falle der Ukraine darf man bitte auch nicht außer Acht lassen, dass der westlich inszenierte Putsch gegen Janukowitsch 2014 bereits der 2. in weniger als zehn Jahren war nach der orangenen Revolution Ende 2004. Auch Deutschland - das heißt seine Regierung - hat, indem es Minsk zwar ausverhandelt, aber nur gegenüber Russland versucht hat durchzusetzen, aktiv mit gezündelt, auch durch Besuche prominenter Politiker auf dem Maidan wie Steinmeier. Unterm Strich kann man sagen, dass ich überhaupt nicht einsehe, zur Kasse gebeten zu werden, für eine Situation, die unsere Regierung sehenden Auges in Kauf genommen hat.
Ich hatte - ganz in Schmidts Tradition - ebenfalls auf "Wandel durch Handel" gehofft und war lange Jahre Befürworter von Nord Stream 2. Bei allem Fehlverhalten der Ukraine in der Vergangenheit, ist Russland trotzdem zu weit gegangen und es verhärtet sich der Eindruck, dass die seit Jahren immer wieder aufblitzenden Großreichsambitionen keine leeren Worten sind.
Dem kann ich im Wesentlichen zustimmen. Ich denke aber, dass der Weg, der hierhin geführt hat, ein Weg war, der viele Abbiegungen und Kreuzungen hatte, der alles andere als unvermeidlich war. Dass nun Putin entnervt das wenige Porzellan zerbrochen hat, das nach endlosen Sanktionsrunden, persönlichen Diffamierungen, Psy-Ops wie dem Skripal-Märchen, noch übrig war, ist eine Tragödie, dessen Preis primär die Urkainer bezahlen müssen, die trotz aller Krokodilstränen aus US-amerikanischer Sicht nichts weiter sind als ein Bauernopfer - und sekundär alle Europäer, die ihren Frieden und ihr relatives Maß an Wohlstand auf lange Zeit verlieren werden. Und warum? Weil - obwohl man Selensky direkt gesagt hat, die Ukraine wird kein NATO Mitglied - in sämtlichen westlichen Ländern nicht ein einziger Regierungspolitiker mal auf die Idee gekommen ist, auf die Forderungen von Russland - die im Wesentlichen nichts anderes als genau das waren - einzugehen. Nach der Invasion haben die Sektkorken geknallt. Aber nicht im Kreml, sondern im State Department, bei Lockheed Martin und Co.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (12.04.2022 13:27).