DJ Holzbank schrieb am 21.11.2016 12:59:
Istabraq schrieb am 21.11.2016 12:36:
Jede Regierung wäre auch nach westlichen Massstäben gerechtfertigt gewesen, die Besetzung ihrer Gebäude zu beenden und die Waffen dieser "Demonstranten" einzusammeln und Kriminelle einzusperren. Wenn seine Regierung das nicht gemacht hat und der Präsident es sich gefallen liess, von den Demonstranten x-mal in Verhandlungen verarscht worden zu sein, indem Zusagen nicht eingehalten wurden, dann bedeutet dies doch im Umkehrschluss, dass sich die Regierung damals zu keinem Zeitpunkt auf die Polizei und andere Sicherheitskräfte wie Geheimdienste etc verlassen konnte.
(...)
Also haben sie auf Zeit gespielt und darauf gehofft, dass dem Maidan irgendwann die Puste ausgeht, wenn man ihn machen lässt, und haben dabei unterschätzt, zu welcher Eskalation der Westen bereit ist (siehe "Maidanmassaker" und Sturm von Militärbasen, Geheimdienststützpunkten und Regionalverwaltungen im Westen des Landes).
Zunächst zu Istabraq.
Die Polizeiführung hat wiederholt die Freigabe des Schusswaffengebrauchs gefordert und nicht aus Jux und Dollerei ist die Mehrheit des Berkut-Personals nach dem Putsch gefeuert worden, viele wurden verfolgt und desertierten in die Volksrepubliken oder nach Charkow, wo sie zunächst sicher waren.
Die Regierung mußte eher Exzesse von Seiten der Polizei befürchten. Diejenigen, denen eine militärische Niederschlagung des Aufruhrs angemessen erschien - wie auch dem DJ, ich zähle nicht dazu! - hätten frühzeitig auf den Einsatz der Armee pochen müssen, um Exzesse zu vermeiden. Doch wie immer sich die Armee dazu gestellt hätte, wäre damit eine Vorentscheidung zur institutionellen Spaltung des Landes gefallen. Eine radikale Unterbindung aller Umsturzversuche in Kiev hätte mit der Sezession von zwei bis vier westlichen Oblasten geendet. Auch das war vorbereitet - die Details spare ich mir.
Der Umgang der Regierung mit dem Aufruhr war deshalb alles in allem vorbildlich rationell und zweckmäßig. Die Opfer auf Seiten der Polizei sind nun mal Berufsrisiko.
Die Strategie ging doch auf! Der Beschluß zu vorgezogenen Neuwahlen, festgelegt im "Weimarer Abkommen", beschied Jatseniuk, Turtschinov, Tyahnibok oder wie sich der Kerl schreibt, Klitschko und erst recht Timoschenko mit einer vorhersehbaren, krachenden Abfuhr. Zur Zeit des Putsches waren tausende echte Demonstranten bereits auf dem Rückweg vom Maidan oder im Aufbruch begriffen. Das False-Flag-Massaker war unverzichtbar, um das Moment des Aufruhrs zu erhalten. Seine Wirkung beruhte auf der Diskreditierung der Regierung in allen Lagern und der Resignation der Bevölkerung, von denen ein großer Teil das Land bei günstiger Gelegenheit sofort verlassen hätte, und die vor allem Ruhe brauchte, um sich unter prekären und in breitem Umfang unkalkulierbaren Verhältnissen durchzuwursteln.