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  • marmer

mehr als 1000 Beiträge seit 27.11.2015

Re: Mimimi

st.sch. schrieb am 21.11.2016 11:07:

Wenn wir HEUTE ohne amerikanischen Beistand Europa verteidigen muessten, wie lange glauben Sie wuerde es dauern bis die Russen das Baltikum und die Ukraine wieder besetzen wuerden?

1.
Die Russen haben überhaupt nicht die Absicht militärisch anzugreifen. Gerade wenn Deine Antwort auf das HEUTE hin formuliert ist ist ein russischer Angriff äußerst unwahrscheinlich, weil es aus russischer Sicht völlig dumm wäre als strategisch Unterlegener anzugreifen.

Wollen Sie mir tatsaechlich weismachen dass wir ohne Armeen die die Russen aufhalten koennten bevor sie am Atlantik sind, wuerde Putin sagen, ne ich will das gar nicht?

Ich bin skeptisch ob das was die Amerikaner tun auch immer in unserem Interesse ist. Aber ich glaube auch nicht daran dass die Russen nicht zugreifen wuerden wenn sie die Gelegenheit dazu haetten.

Ich war mir dessen früher im Übrigen nicht immer sicher, allein haben mich die Russen restlos überzeugt als sie friedlich und freiwillig aus Deutschland abzogen, denn ein Krieg wäre damals für die UdSSR vorteilhaft gewesen und das friedliche Verhalten jedoch eher nachteilig, denn militärisch war man stark, wirtschaftlich hingegen schwach.

Die Russen waren am Boden und dachten es ist schlauer mit den verbliebenen Ressourcen den russischen Teil des Imperiums zu sichern anstatt zu versuchen das gesamte Imperium aufrechtzuerhalten und zu riskieren dass alles unkontrolliert implodiert. Das war eine rationale Abwaegung und keine Guete.

2.
Was gehen uns Baltikum und Ukraine diesbezüglich überhaupt an, außer wir hätten unsere Seite schon gewählt? Und genau gegen diese Seitenwahl hatte ich ja argumentiert.

Natuerlich koennten wir alle sagen was kuemmern wir uns um das Schicksal des jeweils anderen. Wir koennten auch den Polen und Tschechen sagen 'you are on your own' usw usf. Grundsaetzlich wuerde ich aber sagen dass wenn sich die Bevoelkerungen dieser Laender klar und deutlich zu uns nach Westen orientieren wollen, dann sollen sie das tun und dann wuerde ich sie aufnehmen und bei uns integrieren weil es langfristig gut fuer uns ist wenn wir einen grossen gemeinsamen Markt haben und wenn wir von Demokratien umgeben sind.

ABER: dabei darf es nicht so sein dass wir uns mehr Probleme mit den Russen einhandeln als wir Vorteile produzieren. Nun ist die Ukraine ja ziemlich wichtig fuer die Russen. Und aus meiner Sicht ist es ein derart korruptes Land dass an eine Aufnahme in die EU noch fuer lange Zeit nicht zu denken waere (ich finde schon Bulgarien und Rumaenien sehr problematische Faelle). Daher wuerde ich fuer die Ukraine keinen Konflikt mit den Russen riskieren. Wenn die Russen die Ukrainer nicht happy werden lassen dann werden die sich frueher oder spaeter schon selbst von den Russen entschieden genug abwenden. Bei den Polen gab es da ja auch keine Zweifel.

3.
Wogegen überhaupt sollten wir uns bezüglich russischer Absichten verteidigen? Russland ist so kapitalistisch wie die USA und hegt auch keinerlei Absicht vom Kapitalismus zu lassen.

Ich glaube schon dass die Korruption in Russland und der Ukraine noch weit schlimmer ist als bei uns. Ich glaube schon dass wir Freiheiten haben die die Russen und Ukrainer nicht haben. Und das moechte ich verteidigen.

Insgesamt:
Du begründest hier etwas NACHDEM Du die Seite bereits gewählt hast und genau das Denken das es zwingend nötig wäre eine Seite zu wählen hatte ich ja kritisiert.

Das verstehe ich nicht? Sie haben mich gefragt warum ich eher pro-amerikanisch bin. Und ich habe Ihnen erklaert dass ich IM MOMENT eine eventuelle Option 'Weder amerikanisch noch russisch sondern nur fuer unsere eigenen Interessen' nicht fuer realistisch halte. Ich glaube auch nicht daran dass wir als Euopaeer die Handlungsfaehigkeit besitzen um koordiniert zu agieren. Als Deutsche sind wir einfach im Moment einfach nicht autonom genug.

Das kann man grundsaetzlich mittel- und langfristig aendern. Aber das ist eine andere Frage. Die Ukrainefrage ist jetzt auf der Tagesordnung.

Natuerlich koennten die Europaer im Prinzip auch eine vernuenftige Armee unterhalten.

und das sollten sie dringend tun

Dagegen hab ich im Prinzip nichts einzuwenden. Aber meine Skepsis gegenueber dem institutionellen Gefuege der EU ist mittlerweile so gross dass ich da im Moment grosses Bauchweh haette. Ohne eine grundlegende Reform der EU halte ich weder eine gemeinsame Waehrung noch eine gemeinsame Armee fuer machbar oder zweckmaessig.

Glauben Sie dass unsere Dienste gleich viel Info im Austausch von den amerikanischen Partnern erhalten?

Natürlich glaube ich das nicht und das ist für mich ein ganz zentraler Punkt den USA, die ich noch 1990 angebetet habe, nicht mehr zu trauen, denn ich merke die letzten ca. 2 Jahrzehnte das die USA kein verlässlicher Partner mehr sind.

Die Amis agieren hauptsaechlich in ihrem eigenen Interesse und darueber sollten wir nicht maulen. Denn wir maulen ja nur deshalb weil wir moechten dass sie unsere Interessen staerker beruecksichtigen. Sprich wir moechten auch nur unsere Interessen durchsetzen. Wie koennen wir dann selbiges den Amis vorwerfen? Sie fuehren den Laden und sagen deshalb halt auch wo es langgehen muss.

Wer seine Interessen beruecksichtigt sehen will muss halt zusehen dass er in der Lage ist mitzuspielen. Und ich sehe nicht dass wir als Europaeer oder gar als Deutsche in der Lage waeren einen eigenen Platz am Pokertisch einzunehmen.

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