Die spannende Frage ist doch, ob es legitim ist, sich auf der Straße festzukleben, um gegen die Untätigkeit der Regierung zu protestieren. Das ist weniger eine moralische Frage, eher eine ethische. Moral zielt aufs Persönliche, da geht's dann schnell um Schuld, Sühne, Strafe, "was ist das denn für einer", und so weiter. Ethik ist, wenn man sich ernsthaft und sorgfältig Gedanken darüber macht, wie man beispielsweise zwischen kriegs- und leidverlängernden Waffenlieferungen und dem Schutz vor Fremdbestimmung eines Landes die Gewichtungen setzt. Hier ist es die alte Frage, wie weit Protest gehen darf, und bei dem Protest geht es immerhin um die Überlebenschancen der jüngeren Generation. Die Straßenkleberei geht eindeutig über friedliches Protestieren hinaus, ist aber auch nicht gerade ein Gewaltakt - kann man also durchaus legitim finden, ohne als Terror-Sympathisant dazustehen.
Aus meiner Sicht besteht der Coup der Bildzeitung darin, aus einer ethischen Frage eine moralische gemacht zu haben, auf gewohnt volkstümlich-dümmliche Art. Das hätte sie natürlich nicht tun können, wenn sich nicht zwei der Kleber mit dem Flugzeug nach Thailand aufgemacht hätten - auf die kann man jetzt zeigen und die komplette Klebertruppe dafür in Mithaftung nehmen, obwohl das blanker Unfug ist. Aber der Vorfall ändert an der grundsätzlichen ethischen Frage nichts, was kaum jemandem aufzufallen scheint. Stattdessen wird auf Bilds rigiden Moralismus, der den Zeitgeist prägt wie nichts anderes, gerne eingestiegen. Auch hier im Forum. Wäre ich Moralist, so würde ich jetzt wohl sagen: "Schämt euch!". 😊