wird das Verhältnis zwischen Staat und Staatsbürger jedweden Geschlechts mit der Einführung der Begriffe "Opferbereitschaft" und "Geborgenheit". Für das Gefühl der Geborgenheit bin ich, sind wir, bereit Opfer zu bringen. Da liegt dem Staat das gleiche Bauprinzip zugrunde wie einer gotischen Kathedrale. Das kleinste Element ist nur maßstäblich verändert im größten zu finden. Heute ist der Begriff des Skalierens überall dafür gebräuchlich.
Mit der Einführung dieses Begriffspaares wird es plötzlich möglich, die Phänomene der Auflösung größerer, staatlicher, Strukturen zu erklären. In den USA ist die Opferbereitschaft der Globalisierungsverlierer nicht mehr gegeben, da sie zunehmend das Gefühl der Geborgenheit durch die sich ändernden Moralvorstellungen eines Teils der Gesellschaft verlieren. Sie, die Globalisierungsverlierer, verlieren auch noch den Schutz des Staates, der dem Gefühl der Geborgenheit erst Grund verleiht. Geborgen dürfen sich nun andere fühlen.
Auf Deutschland und Europa bezogen wird dies in den Debatten um Europa, Migration und Klima deutlich. Es werden von den deutschen Staatsbürgern jedweden Geschlechts Opfer verlangt, die das Gefühl der Geborgenheit schmälern, um anderen Geborgenheit zu vermitteln. Es sollen Abstriche im Bereich des ökonomischen Wohlergehens, des Wohlbefindens in einem gesicherten sozialen Umfeld durch bevorzugende Duldung andersartiger Lebensweisen dafür sorgen, dass der zu verteilende Kuchen der Annehmlichkeiten nun anderen zugute kommt, als gewohnt. Die Akzeptanz dieser Maßnahmen wird durch Neubewertung bestehender Moralvorstellungen erreicht, was zur Neuverteilung von Privilegien führen soll, weitgehend unbemerkt schon geführt hat, wahrscheinlich kurzfristig unumkehrbar.
Im Interview, das Denis Scheck mit B. Obama über dessen neues Buch in der Sendereihe 'druckfrisch' führte, wurde sehr deutlich, wie diese neue Ausrichtung des Geborgenheit Versprechens erreicht werden soll: Auflösung bestehender Solidarstrukturen durch Neubewertung von Verhaltensweisen der Vergangenheit. Die deutsche Erinnerungskultur in ihren unterschiedlichen Phasen dient wohl dazu, so mein Eindruck, eine Art Blaupause zu liefern.
Opferbereitschaft durch schlechtes Gewissen herbeigeführt ist aber für die Gebenden negativ. Vollkommen ungeklärt scheint mir auch die Reaktion der Profiteure der, in meinen Augen, erzwungenen Opferbereitschaft, die Art und Weise, wie sie die neue Geborgenheit nutzen werden. Ich sehe in meiner näheren und weiteren Umgebung eigentlich nur eine Interpretation der neuen Opferbereitschaft. Sie wird als Schwäche gedeutet und die so gesehen Schwachen kommen nur noch zu ihnen fremden Bedingungen in den Genuss der neuen Geborgenheit.
Was die Protagonisten der neuen Geborgenheit, die woke Gemeinde, meiner Meinung nach außer Acht lassen, ist der Umstand, dass nach Zerstörung einer alten Solidargroßstruktur, eine kleinere Solidarstruktur die Aufgabe der Geborgenheitsvermittlung übernimmt und Opferbereitschaft hervorruft. Sie führt zu tribalem Denken und Handeln. Wollen wir das? Müssen wir wohl ins Kalkül ziehen. Sehr schade.