Ansicht umschalten
Avatar von DasWoelfchen
  • DasWoelfchen

mehr als 1000 Beiträge seit 21.01.2003

Re: Sind die Pager-Angriffe ein Kriegsverbrechen?

DrM schrieb am 20.09.2024 18:48:

DasWoelfchen schrieb am 20.09.2024 18:28:

Da hast du schon recht, aber man muss sich entscheiden:
Entweder es sind Soldaten, dann gilt das Kriegsvölkerrecht für bewaffnete Konflikte, oder es sind Terroristen, dann gilt das Strafrecht und die Mitglieder müssen als Zivilisten angesehen werden, bis vor Gericht das Gegenteil bewiesen wurde.

Zivilisten, die als Teil einer Terrororganisation an Planung und Ausführung von Terroranschlägen beteiligt sind, sind nicht immun gegen die Selbstverteidigung des Opfers. Es geht nicht um Bestrafung der Täter, sondern um Verhinderung weiterer Taten.

Thomas Burri, Professor vor Europa- und Völkerrecht an der Universität St. Gallen:

"Wenn es wirklich nur Angehörige der Hisbollah waren, die diese Pager und Funkgeräte hatten, wäre die Ausübung der Gewalt sehr zielgerichtet gewesen, mehr, als es mit anderen Waffen unter Umständen möglich gewesen wäre"

Du siehst schon, dass diese Aussage unter vorbehalt steht, oder? Wäre also unter den Besitzern der Pager nur ein einziges ziviles Opfer, ist dieses Argument hinfällig und wir hätten es auf jeden Fall mit Wirkmitteln zu tun, die unterschiedlos Kombattanten und Zivilisten betreffen.

"Wenn bei einer solchen militärischen Maßnahme nicht nur die gesamte Kommunikationsstruktur des Gegners ausgelöscht wird, sondern auch eine große Zahl von Kämpfern, dann kommt man mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu dem Schluss, dass sie unter dem humanitären Völkerrecht rechtmäßig ist"

https://www.gmx.net/magazine/politik/nahostkonflikt/pager-angriffe-libanon-kriegsverbrechen-40147120

Den Fall mit den Terroristen habe ich ja bereits im vorangegangenen Beitrag behandelt,

Nur die Bestrafung, nicht die Selbstverteidigung gegen sie.

also betrachten wir die Hisbollah Mitglieder einfach mal als Soldaten.

Halte ich für falsch.

Dann gelten nach dem Kriegsvölkerrecht einige Einschränkungen:
1. der Angreifer muss dafür Sorge tragen, das bei seinem Angriff möglichst keine Zivilisten zu Schaden kommen. Vor allem ist die Verhältnismäßigkeit von militärischen und zivilen Opfern zu wahren - einen einzelnen Kämpfer zu töten und dabei etliche Zivilisten zu töten und verletzen ist demnach unverhältnismäßig.

Wird auch bei Selbstverteidigung gegen Terroristen gelten und ist gegeben. Hauptopfer sind die Träger der Kommunikationsmittel.

Da steht aber wieder die Verhältnismäßigkeit im Raum. Wie ist das Verhältnis zwischen militärischen und zivilen Opfern?
Aber du hast sicher entsprechende Quellen, die deine Aussage bzw. das Verhältnis belegen, ...

2. Es sind Waffen verboten, die unterschiedlos militärische Ziele und Zivilisten treffen können

Ist gegeben. Hauptopfer sind die Träger der Kommunikationsmittel.

An anderer Stelle hatte ich unbestätigte Berichte gelesen, dass in die Pager modifizierte Akkus mit Sprengstoff und Metallpartikeln eingesetzt worden seien.

Keine Metallpartikel, Umstehende in unter einem Meter Abstand kommen ungeschoren davon. Da ist die Phantasie mit dem Systemverwalter durchgegangen.

In jedem Fall könnte man argumentieren, dass die Pager unter den Fall Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder militärische Ziele und grds. geschützte Zivilpersonen und zivile Objekte unterschiedslos treffen können fallen.

Nein. Die haben fast ausschließlich ihre Ziele getroffen. Mit weniger Brutalität als z.B. Handgranaten.

3. Soldaten, die sich abseits des Kriegsschauplatzes aufhalten und keiner offensichtlich mit dem Krieg zusammenhängenden Tätigkeit nachgehen (z.B. bei einem Urlaub) dürfen nicht angegriffen werden.
4. gleiches gilt, wenn sie sich in Zivil und unbewaffnet abseits des Kriegsschauplatzes aufhalten und keiner offensichtlich mit dem Krieg zusammenhängenden Tätigkeit nachgehen

Das würde gelten.

5. Gefangene Soldaten sind als Kriegsgefangene zu behandeln und sind abgesehen von Anklagen wegen Kriegsverbrechen für ihre Taten auf dem Schlachtfeld nicht rechtlich zu belangen.

Does not apply.

Dem völkerrechtlich verbrieften Selbstverteidigungsrecht sind aber Grenzen gesetzt:

Das Selbstverteidigungsrecht ist auch im Völkerrecht verankert. In Artikel 51 UN-Charta ist die Rede von einem „naturgegebenen Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“. Unter individueller Selbstverteidigung wird hier das Recht eines einzelnen Staates verstanden, sich gegen kriegerische Auseinandersetzungen zu wehren. Bei kollektiver Verteidigung ist die Hilfeleistung eines unbedrohten Staats für einen anderen Staat angesprochen, der sich einem bewaffneten Angriff ausgesetzt sieht.[11] Die Berufung auf dieses Selbstverteidigungsrecht muss eine Handlung gegen eine konkrete, unmittelbar drohende Gefahr sein (Präemption). Ob eine Bedrohung, ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt, wird nach Art. 39 UN-Charta durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen festgestellt. In den Grenzen des Artikel 51 UN-Charta haben sich Verteidigungsbündnisse gebildet; eines hiervon ist die NATO. Prävention ist hingegen auf eine lediglich mittelbare Bedrohung gerichtet und völkerrechtlich unzulässig. Die Präventivdoktrin der USA – etwa wegen des „Kriegs gegen den Terror“ oder gegen vermeintliche atomwaffenherstellende Staaten – wird in den USA als zulässige Präemption verstanden, ist jedoch völkerrechtswidrig, weil bisher weder Pläne noch Vorbereitungshandlungen als unmittelbar drohende Gefahr nachgewiesen werden konnten. Allerdings hatte der Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) unter Berufung auf die Terrorakte das Recht auf Selbstverteidigung im Sinne der UN-Charta bekräftigt.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Selbstverteidigung#Selbstverteidigung_im_V%C3%B6lkerrecht

Bewerten
- +
Ansicht umschalten