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  • Naturzucker

mehr als 1000 Beiträge seit 06.03.2012

siehe Kommentare zwischen den Zeilen (sorry für Fullquote)

In meiner Sicht finden sich in den "offiziellen" Verlautbarungen berechtigte Anliegen, aber auch ethische Fehlorientierungen und Realitätsverkennungen.

Dies trifft sowohl auf Regierung / RKI / MSM zu als auch auf die Kritiker der Corona-Maßnahmen

"Querdenken" weist auf negative Folgen hin, die die staatlichen Freiheitseinschränkungen zur Eindämmung der Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus und der Covid-19-Infektionen mit sich gebracht haben. Die Schäden sind offensichtlich, doch die Fixierung auf sie lässt anderes außer Acht.

Wer sagt denn, dass sich "die" Querdenker ausschließlich alleine auf die negativen Folgen der Corona-Maßnahmen fixieren? Ist dieses Lagerdenken in einer Analyse wirklich hilfreich?

Ich habe einige Talkshows (leider nur auf Servus-TV, da im hiesigen ÖR ein Diskurs weitgehend nicht stattgefunden hat) verfolgt und zahlreiche Meinungen und Analysen gelesen, in denen das durchaus differenziert betrachtet wurde.

Die kompromisslose Forderung nach Aufhebung aller Maßnahmen zur Eindämmung des Sars-CoV-2-Virus und der Covid-19-Erkrankung verkennt die Gefährdung der Bevölkerung.

Nun, warum beschränken wir uns dann nicht auf eine Diskussion über weitgehend sinnlose, wirkungslose und als Schikane empfunden Maßnahmen, um mit wenigen aber wirksamen Maßnahmen das Geschehen unter Kontrolle zu halten und tendenziell mehr Menschen mit ins Boot zu nehmen? Irgendwelche Quertreiber, die alles aus Prinzip ablehnen, werden am Ende immer übrig bleiben. Eine weise Politik wird aber hier nicht spalten, sondern versuchen, möglichst viele Menschen zu gewinnen.

Ich will mich hier nicht auf eine Diskussion einlassen, wie hoch die Gefährdung von einzelnen oder Gruppen ist, ob der statistische Anteil der ernsthaft Erkrankten und Verstorbenen gering oder beachtlich ist, ob Menschen mit oder an Corona versterben.

Genau dies ist aber eine elementare Voraussetzung für eine Diskussion darüber, welche Maßnahmen am effizientesten wirken. Das ist leider ein oft gebrauchtes Stilmittel, ausgerechnet den Punkt, an dem man (aus Sicht der Kritiker) am ehesten ansetzen muss, für nicht diskutabel erklärt. Ein klassischer Fall von Diskursverengung und Diskussionsverweigerung. Oder einfacher gesagt: Wer bestimmt, was gesagt werden darf und was nicht, der möchte das Ergebnis eines Dialogs gleich vorwegnehmen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Fakt ist, dass eine große Zahl an Menschen – die Zahlen müssen nicht wiederholt werden – weltweit und in unserem Land ernsthaft erkrankt und im Zusammenhang mit Corona gestorben sind. Hinter den unpersönlichen Statistiken stehen konkrete, individuelle Menschen und Angehörige mit ihren Leiden, ganz abgesehen von der Belastung von Ärzten und Pflegepersonal, die die Versorgung der Kranken und Sterbenden mit sich bringt.

Fakt ist aber auch, dass sich die Ergebnisse in den einzelnen Länder bezüglich der Eckwerte immer ähnlicher werden. Unabhängig davon, welche Maßnahmen ergriffen wurden. Abgesehen von Null-Covid-Extremisten, die ihre eigene Bevölkerung über Jahre ein- bzw. aussperren.

Das sind weder bei uns noch anderwo "Quantités négliables". Wer dies leugnet oder verharmlost, verdrängt Realitäten.

Sachlich fundierte Vergleiche zu früheren schweren Grippewellen zu ziehen, ist keine Verharmlosung, sondern eine notwendige Grundlage einer Analyse, welche Maßnahmen angemessen sind oder nicht. Auch andere Krankheiten verursachen Leid und Tod. Sogar die Maßnahmen gegen Corona. Ich halte es für falsch, hier eine notwendige Diskussion gleich mit der Leugner-Keule abzuwürgen.

Teil 1: Psychogramm der Corona-Gesellschaft

Es ist klar, das Virus stört unsere gewohnten Lebensabläufe, es rüttelt am System. Da das Virus neu war und die gewohnten Mittel der Abwehr versagten, ließ es uns wehrlos und ausgeliefert erscheinen. Eine solche Situation aktualisiert frühkindliche Gefühle der Hilflosigkeit und damit verbundene Ängste.

Waren es nicht Politik und Medien, welche sich kindlicher und menschlicher Urängste wie die Angst vor dem Ersticken und Ertrinken bedienten, um ihren plötzlichen Schwenk in der Reaktion gegenüber Corona zu kaschieren?

Kinder, die eine vermeintliche oder reale Bedrohungssituation nicht selbst oder mit der Hilfe ihrer Schutzpersonen auflösen können, greifen zu unrealistischen Bewältigungstrategien. Sie wehren die Bedrohung durch magische Beschwörungen ab, überspielen sie, deuten sie um, leugnen sie ab und verdrängen sie aus ihrem Bewusstsein. In anderen Fällen erstarren sie gefühlsmäßig oder reagieren aggressiv.

Auch diese Analyse trifft auf beide Seiten zu. Ich muss immer wieder lachen, wenn ich Menschen sehe, die sich nicht mehr die Hand geben, sondern statt dessen mit dem Handrücken begrüßen. Sind Handrücken virenfrei?

Als Erwachsene neigen wir in Situationen der Bedrohung oder Überforderung dazu, solche Bewältigungsstragien zu reaktivieren. Eine Weile mag uns das helfen, aber besteht die Bedrohungslage weiter und verharren wir bei diesen Abwehrstrategien, dann hindern wir uns daran, geeignete und realistische Bewältigungsmöglichkeiten selbst zu finden oder uns dazu verhelfen zu lassen. In der Psychotherapie gilt ein solches Verhalten in leichteren Fällen als "neurotisch", in stärkerer Ausprägung als "psychotisch".

Ja, aber irgendwie sehe ich hier mehr die Politik als deren Kritiker angesprochen.

"Realitätsleugnung" liegt auch vor, wenn staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als "nutzlos" abgewertet werden. Jeder kritische Beobachter wird zugeben, dass das deutsche Pandemie-Management nur begrenzt effektiv war.

Nur begrenzt ist eine nette Umschreibung für ein nahezu völliges Versagen.

Dass konsequent durchgeführte, zeitweilige Freiheitseinschränkungen in der Bekämpfung der Pandemie erfolgreich sein können, zeigt schon allein der Blick auf Länder wie Australien und Neuseeland.

Wenn man die Bekämpfung eines Virus zum einzigen Staatsziel erhebt, dann mag man zu dieser Schlussfolgerung kommen. Ich bezweifele, dass diese Strategie von Aussis und Kiwis geteilt wird, die von ihrer eigenen Regierungen seit Monaten daran gehindert werden, in ihr eigenes Land zurück zu kehren. Von all den anderen Folgen für das tägliche Zusammenleben mal ganz zu schweigen. Eine Null-Covid Strategie lässt sich nur durch permanente Überwachung und Kontrolle und ständige Lock-Downs auch nur beim Auftreten einer einzigen "infizierten" Person durchhalten.

Unbestritten sei, dass es dabei für Menschen und Wirtschaft nachteilige Wirkungen gibt. Aber die genannten Länder haben durch ihre Maßnahmen erreicht, dass es nur ein Minimum an schweren Erkrankungen und Todesfällen gab und das zivile Leben mit wenig Einschränkungen fortgeführt werden konnte – mit Ausnahme der zeitweiligen und regionalen Lockdownphasen. Political will and the public – der politische Wille und das Mitgehen der Öffentlichkeit haben diesen und anderen Ländern geholfen, Infektionen besser in Schach zu halten als wir in Deutschland.

Und der Teil der Bevölkerung, der nicht mehr mitgehen möchte (warum eigentlich nicht, wenn das Leben abseits der Reisen doch angeblich "normal" weiter läuft?), der sieht sich brutalen Polizeieinsätzen ausgesetzt.

Irgendwie vermitteln hiesige Medienberichte auch ein etwas anderes Bild von der "Märchenwelt".

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/Australien-Corona-Welle-spaltet-das-Land-100.html

Das grunsätzliche Problem ist, dass sich selbst Inseln wie Australien oder Neuseeland nicht auf ewig abschotten können. Entweder verliert Sars-Cov2 eines Tages seine Gefährlichkeit, oder es gibt einen lang wirkenden Impfstoff, der auch eine sterile Immunität bietet, oder Australien wird wie Neuseeland das gleiche Schicksal ereilen wie den Rest der Welt. Und Länder wie Deutschland mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Grenzgängern hatten nie eine reelle Chance, die Nummer durchzuziehen.

Bei aller Anerkennung des subjektiven Anteils dessen, was wir als "Realität" ansehen, halte ich daran fest, dass es außer uns liegende, durch Erfahrung oder im wissenschaftlichen Diskurs evidente und feststellbare "Tatsachen" gibt.

Gerade an dem gewählten Beispiel von Australien und Neuseeland sehen wir ja, wie ein und die selben Tatsachen aus unterschiedlichen Perspektiven schon zu einer unterschiedlichen Wertung führen können.

Wenn alles "subjektiv" ist, dann gibt es keine Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Täuschung, Realität und Wahn. Bei dem analytischen Blick, den ich hier anwende, ist diese Unterscheidung notwendig.

Es ist ja nicht alles subjektiv. Daten über CFR und IFR, analytisch aufbereitet nach Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen, können durchaus eine objektive Grundlage darstellen, um sich einen realistischen Überblick über die Situation zu verschaffen und daraus die effizientesten Maßnahmen abzuleiten. Leider hat das RKI sein Versprechen, entsprechende flächendeckende Studien durchzuführen, nie eingelöst.

Und endlich ist nicht zu vergessen, dass die analytische Beziehung auf Wahrheitsliebe, d. h. auf Anerkennung der Realität gegründet ist und jeden Schein und Trug ausschließt.
Sigmund Freud, Die endliche und die unendliche Analyse. In: GW XVI,94

Der Weg aus neurotischen oder psychotischen Zuständen wird gefunden, wenn sich Betroffene für die Realitäten ihrer inneren und äußeren Welt öffnen und sie anerkennen.

Ich für meinen Teil halte mich weder für neurotisch noch für psychotisch. Ich habe allerdings den Eindruck, dass sich weite Teile von Politik und Gesellschaft im Zustand einer Massenpsychose befinden, der sich nicht mit der realen Gefahr, die von Sars-Cov2 ausgeht, nicht begründen lässt. Sicher ist für jeden Menschen ein schwerer oder gar tödlicher Verlauf einer Infektion tragisch und eine Überlastung eines (kaputt gesparten) Gesundheitssystems alles andere als wünschenswert. Aber das Leben besteht nicht alleine nur aus dem Schutz vor Viren und man hat, oft wider besseren Wissens, nicht alle Maßnahmen ergriffen, um mit wenigen aber gezielten Eingriffen die schlimmsten Auswirkungen in den Griff zu bekommen.

Ich behaupte nicht, dass es bei "Querdenken" – zumindest bei wissenschaftlich orientierten Vertretern – keine Auseinandersetzung mit den "Realitäten" des Sars-Cov-2-Virus und seinen Auswirkungen gibt. Was ich aber beobachte ist, dass man sich permanent auf wissenschaftliche Außenseiter beruft und selektiv Untersuchungsergebnisse zur Unterstützung eigener Annahmen verwendet.

Auch Politik und Medien berufen sich stets auf die Wissenschaftler und Studien, welche den derzeitigen Narrativ unterstützen. Alles andere bekommt in der kleinsten Eskalationsstufe den Stempel "umstritten" aufgedrückt, in der höchsten Eskalationsstufe folgen das berufliche Aus, die gesellschaftliche Ächtung, Ausgrenzung und Nachstellungen bis ins Privatleben.

Wer sich unter diesen Bedienungen noch drüber wundert, dass sich nur wenige Wissenschaftler mit anderen Ansichten aus der Deckung wagen, der hat wohl nicht verstanden, wie gesellschaftliche und politische Zwänge heute wirken.

Stellvertretend führe ich hier einmal die Kritik des Aerosol forscher Gerhard Scheuch an den aktuellen Maßnahmen an.

https://www.focus.de/gesundheit/news/umstrittene-massnahme-macht-absolut-keinen-sinn-aerosol-forscher-kritisieren-absage-von-weihnachtsmaerkten_id_24455180.html

Herr Scheuch kritisiert meiner Ansicht nach vollkommen zu recht, dass die Politik erneut in blindem Aktionismus Weihnachtsmärkte und Freiluftveranstaltungen geschlossen bzw. abgesagt hat. Dabei leuchtet es ein, dass die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung im Freien um ein vielfaches geringer ist als in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen.

Es ist die Politik, welche sich diesen Ansichten seit Beginn der Pandemie verschließt und teilweise mit völlig überzogener Härte etwa im letzten Winter gegen spielende Kinder vorgegangen ist, die nach erzwungener Isolation einfach nur einmal wieder Kind sein und einen Tag im Schnee verbringen wollten.

Irgend jemand hat mal gesagt, das ein Recht, welches auf die Spitze getrieben wird, das größte Unrecht sei. Dies trifft sowohl auf Australien, Neuessland als auch auf die hysterischen Reaktionen gegenüber Menschen zu, die nur einfach mal Mensch sein wollen.

Mit dem Beharren auf eigene, alternative Recherchen schließt man sich vom allgemeinen Diskurs aus.

Dies trifft ebenso auf Politik und ihre Sprachrohre in den Medien zu. Eher nagelt man einen Pudding an die Wand, eher friert die Hölle zu, bevor sich ein Politiker in einer ergebnisoffenen Diskussion davon überzeugen lässt, dass er sich irrt.

Wie oft haben Sie in den letzten Jahrzehnten erlebt, dass ein Politik am Ende einer parlamentarischen Debatte, einer Diskussionsrunde im TV oder einem Dialog mit Bürgern zugegeben hat, dass sein Gegenüber die besseren Argumente hatte und er selbst sich geirrt hat?

Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern.

Fragmentierte Erkenntnisse werden zur ganzen Wahrheit erhoben. Die eigene Abgrenzung und der nicht produktiv angenommene Widerspruch führen zu einem "Erwählungsbewusstsein".

Trifft auch auf die Politik zu

Die Pandemie und der verweigerte Dialog

Man sieht sich als Bannerträger für Wahrheiten, die die anderen nicht erkennen. Gesellschaftliche Isolierung, Herabsetzungen und Zweifel können auf diese Weise kompensiert werden.

Die eigene "Beschränktheit" wird nicht wahrgenommen, sondern auf diejenigen projiziert, die Dinge anders sehen.

Trifft auch auf die Politik zu

Da man sich in einer Bewegung von Gleichgesinnten befindet, werden diese Abläufe nicht wie in offenen Gruppen korrigiert oder relativiert, sondern verstärkt.

Trifft auch auf Politik und Medien zu. Wo findet denn der ergebnisoffene Dialog der Politiker mit Bürgern und Experten statt? Seit 20 Monaten sehen wir insbesondere im Bezahlfernsehen überwiegend "Interviews", die eher den Charakter einer Inquisition haben. Man muss sich nur die Körpersprache der selbsternannten Besserwisser-Journalisten anschauen und ihr unflätiges Benehmen gegenüber Fachleuten, die nicht ihre "Haltung" teilen.

Um die Realitäten des Pandemiegeschehens zu erfassen, wäre es wichtig, den wissenschaftlichen Forschungsprozess möglichst unvoreingenommen, fortlaufend und umfassend zu verfolgen.

Mein Reden. Dies trifft aber insbesondere auf die Entscheidungsträger zu. Unbelehrbare Querulanten kann man ignorieren. Die fortgesetzten Fehlentscheidungen und Versäumnisse der Politik leider nicht.

Kritische Fragen, Einwände und Außenseiterpositionen – diskursiv eingebracht – könnten dabei weiterführend sein. Man müsste dann aber auch in der Lage sein, sich zu korrigieren, bisherige Positionen aufzugeben und dies an die weniger bewanderten Anhänger weiterzugeben.

Ja, ja, ja, ja, ja, ja, jaaaaaaaaaaaaaaa. Die Aussage ist richtig. Nur der Adressat scheint mir hier der falsche zu sein.

Widerspruch wird nicht als Chance zum Überprüfen der eigenen Positionen wahrgenommen.

Das gilt aber auch für die andere Seite.

Wie ich schon sagte. Notorische Quertreiber kann man ignorieren. Die Fehlleistungen der Entscheider nicht.

Man sollte sehen, dass von der Mehrheitsgesellschaft und der Regierung der Dialog mit gesprächsbereiten Anhängern von "Querdenken" nicht gesucht wurde.

Das ist eine sehr nette Umschreibung dafür, dass jeder Kritik von Anfang an mit der ganz großen Keule begegnet wurde

Chancen dazu hätten bestanden. (In meinem Artikel Querdenken' als Ausdruck der Polarisierung? habe ich darauf hingewiesen und einen entsprechenden Vorschlag gemacht.)

Da wäre einiges zu hören gewesen: über nicht eindeutige oder widersprüchliche Forschungsergebnisse, über vielleicht mögliche Alternativen zu rigiden und undifferenzierten Maßnahmen, über wirtschaftliche "Opfer" der Maßnahmen, über von Maßnahmen ausgelöste Depressionen, Einsamkeit …

Erstens hätten Politik und Medien von alleine drauf kommen müssen. Zweitens hätten sie spätestens bei der Kritik von außen realisieren müssen, dass sie im Eifer des Gefechts das ein oder andere "Detail" übersehen haben. Wie ich aber schon erwähnt habe, halte ich Berufspolitiker und -journalisten in gleichem Maß für fakten- und beratungsresistent, wie man ihren Kritiker vorwirft.

Was ich hier kritisch zu "Querdenken" sage, richtet sich in erster Linie an Führungspersonen. Ich beobachte, dass Redner auf Demonstrationen eher demagogisch auftreten als argumentierend und aufklärend. Wenn sich Leiter nicht selbst beteiligen, dulden sie dies und greifen auch bei offensichtlichen Entgleisungen nicht ein. Manche der Reden empfinde ich als regelrechte Hetzreden.

Ja. Manche Einlassungen aus Politik und Medien, wie etwa, dass Ungeimpfte Schuld an der vierten Welle seien, erfüllen für mich sogar den Straftatbestand der Volksverhetzung. Dieser SündenbockSchuldzuweisung wurde ja auch schon von namhaften Virologen widersprochen.

Dementsprechend sind die Reaktionen der Zuhörer: lautstarke und fanatische Wiederholung der von den Rednern verwendeten Schlagworte im Kollektiv – weiter befeuert von den Rednern.

Ich frage mich erneut, sind hier tatsächlich nur Gegner der Corona Politik gemeint?

Ich nehme sehr wohl wahr, dass "Querdenken" auch Hass entgegenschlägt. Aber darauf in gleicher Weise zu antworten, führt in eine Spirale der sich aufschaukelnden Gegensätze. Dies steht im Widerspruch zu erklärten Absichten wie "Liebe, Freiheit, Frieden".

Ich weiß, dass diese Einlassung ein wenig billig daherkommen mag. Aber aus meiner Sicht haben Politik und Medien damit angefangen, kritische Fragen mit Hass und Hetze zu beantworten oder zu moralisieren anstatt zu argumentieren.

Bei den Demonstrationen sind die von der Forschung zur "Psychologie der Massen" (Le Bon, Freud u.a.) beschriebenen Prozesse deutlich zu beobachten: das individuelle Ich, Kritikfähigkeit und Verantwortungsbewußtsein treten zurück, unbewusste Antriebe gewinnen die Oberhand; die irrational reagierende "Kollektivseele" übernimmt die Leitung.

Trifft auch auf Anhänger der Maßnahmen zu. Wir sind die Guten, die Folgsamen, wir haben uns Impfen lassen und nun machen uns die wenigen Maßnahmen- und Impfgegner alles kaputt.

Divide et impera. Spalte und Herrsche. Zu viele verlangt für ein Psychogramm?

Durch die Identifizierung mit dem Kollektiv erfährt der einzelne ein sonst nicht gekanntes Machtgefühl. Das auf Schildern geforderte "Denke selbst"-Prinzip hat es innerhalb einer Masse nicht leicht.

Super. Trifft zu 99% auch auf Maßnahmen - Befürworter zu.

Massen können in konstruktive oder auch destruktive Bahnen gelenkt werden: Haben die Leiter der "Querdenken"-Demos vergessen, dass sie eine Verantwortung für ihre Anhänger und die Masse der Mitläufer haben? Wenn sie eine "friedliche Gesellschaft" anstreben, müssten sie auch überprüfen, ob ihre Haltungen und Aktivitäten Friedlichkeit bei Zusammenkünften und in der Gesellschaft fördern.

Haben Politik und Medien vergessen, Friedlichkeit zu fördern, als sie einerseits BLM Demos an frischer Luft gewähren ließen, aber Demonstranten gegen die Einschränkungen der Grundrechte erst einkesselten um dann die Demo wegen zu geringer Abstände aufzulösen?

Als problematisch sehe ich auch die Nähe von "Querdenken" zu Narrativen an, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als konzertierte Aktion von Regierung und Konzernen zur Disziplinierung und Unterwerfung der Bürger deuten. Die langandauernde Außer-Kraft-Setzung von Persönlichkeits- und Freiheitsrechten ist beschwerlich und birgt die Gefahr der Gewöhnung und des politischen Missbrauches in sich.

? Ist es problematisch, den Missbrauch zu thematisieren oder ist es nicht der Missbrauch an sich, der kritikwürdig ist? Wir sehen ja beim Demonstrationsrecht, wie hier bereits nach Gutsherrenart "gute" Demos goutiert und "schlechte" Demos verboten werden. Wenn dies kein politischer Missbrauch ist, was dann?

Aber leider zeigt sich das Sars-Cov-2 Virus als sehr überlebensfähig und überrascht uns immer wieder mit neuen, noch ansteckenderen Mutanten.

Das haben Corona-Viren nun mal so an sich.

Da hilft es auch nicht, wie in Bautzen und Leipzig geschehen, vor überlasteten Krankenhäusern darüber hinweg zu tanzen und eine Polonäse naiv-fröhlich-zynisch als "die längste Infektionskette in Sachsen" zu erklären. (Hoffentlich bewahrheitet sich das nicht nach der Inkubationszeit!)

Die Intensivstationen sind aktuelle aus genau zwei Gründen überlastet:

1) jahrzehntelanger Raubbau an der Substanz und am Personal. Lauterbachs Fallpauschalen und Bertelsmanns / Leopoldinas Beitrag zum Abbau von Standorten

2) es wurde versäumt, die Gruppe der Menschen, die 2/3 der Covid - Intensivpatienten stellen, rechtzeitig am Ende des Sommers noch mal zu impfen. Bei einer Impfquote von fast 90% in dieser Altersklasse hätte die Politik mit einer gezielten Impfkampagne das Schlimmste verhindern können.

Ebenso wenig nützt es, die "schlimme Befürchtungen" auslösende "Omikron"-Variante als die neueste Erfindung der Weltkonspiration abzutun, die die "Dummen" bei der Stange halten soll (so in einem Telegram-Beitrag).

Ja, nun. Letztes Jahr was es die britische Mutation. Danach die brasilianische und dann die indische (Delta) Variante. Bislang wurde jedes mal, noch bevor wissenschaftliche Erkenntnisse überhaupt vorliegen konnten, behauptet, die neue Variante sei ansteckender und tödlicher als alle ihre Vorgänger.

Und die Menschheit hat es jedes mal überlebt.

Man braucht keine abstrusen Theorien, um das Medienecho zu analysieren. Es ist offensichtlich, dass jeder Anlass genutzt wird, um weiterhin die Bevölkerung bei der Stange zu halten und Kritik klein zu halten. Deswegen werden positive Meldungen auch offensichtlich deutlich niedriger aufgehangen. Etwa, dass Schweden trotz weniger einschneidender Maßnahmen nun schon seit über einem Jahr bessere Zahlen hat.

Freilich wird eine psychoanalytische Blickweise hier wieder Verdrängung und Projektion am Werke sehen.

Trifft auch auf Politik und Medien zu

Nicht das Virus ist es also, das uns bedroht, sondern die "Corona-Diktatur" böswilliger Regierungen oder die weltweite "Verschwörung" geheimer Drahtzieher?

Man sollte nicht Absicht unterstellen, wo einfache Dummheit als Erklärung vollkommen ausreichend ist. Es fällt aber bei einer objektiven Analyse nicht sonderlich schwer, weitgehend unsinnige Maßnahmen zu identifizieren und fatale Unterlassungen zu benennen. Und dies hat eindeutig Menschenleben gekostet und Existenzen vernichtet. Von dem Schaden für die Zukunft, von den Hypotheken und Schulden mal ganz zu schweigen. Anfang März 2020 konnte man noch darüber hinwegsehen. Das Virus war neu, die Faktenlage unklar. Doch nach 20 Monaten ist mir das als Ausrede zu billig. Wem nach 20 Monaten noch immer nicht mehr einfällt als das, was die Regierungen hier abliefert, der hat seinen Beruf verfehlt.

Ein wenig "Trivialpsychologie" beherrscht heute fast jeder. Sollte da nicht ein Licht aufgehen, was hier psychologisch geschieht? Eine klassische "Sündenbockprojektion"! Das entlastet, ist aber Realitätsverleugnung und trägt ungemein zur Verbreitung des Virus bei.

Eigentlich sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass nicht die Verbreitung des Virus an sich das Problem ist, sondern dass bestimmte Menschen schwer daran erkranken können. Diese zu schützen wäre relativ gesehen viel einfacher als ein ganzes Land in Geiselhaft für eine im Ansatz zum Scheitern verurteile Politik zu nehmen.

Nicht jede "Verschwörungstheorie" ist unbegründet

Nicht jede "Verschwörungstherorie" ist unbegründet und manche hat sich bewahrheitet. Aber mit der Behauptung einer weltweiten Verschwörung und absichtlichen "Corona-Diktatur" bewegt man sich im Bereich des Vagen und der unbelegbaren Vermutungen; manche dieser Erzählungen wird man als "wahnhaft", "paranoid" bezeichnen müssen.

Netter Versuch, ein weiteres Mal vom Versagen der Verantwortlichen abzulenken. Da ist ja vor Ihnen noch niemand drauf gekommen. Außer mit den Chlorhühnchen bei TTIP. Da wurde auch immer mit diesem absurden Beispiel um den Kern der relevanten und berechtigten Kritik (z.B. Parallelismus durch private und intransparente Schiedsgerichte) abzulenken.

Dennoch: Ein wahrer Kern steckt in diesen Erzählungen. Wir werden ständig fremdbestimmt und manipuliert – oder wenigstens versucht man es: als Konsumenten durch Werbung, in der Politik durch unrealistische Versprechungen und Verschleierung skandalöser Vorgänge, durch Bindung an religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaften, durch Eingliederung in Institutionen und Wirtschaftsprozesse, durch lückenhafte und tendenziöse Berichterstattung in Medien, durch Verbreitung von Gerüchten in Social Media …

Es wäre schon gewesen, wenn sich diese Analyse davon wohltuend abgesetzt hätte ......

"Selbstbestimmung" ist en vogue, aber meistens ist das eine Selbsttäuschung. Um uns rattert eine Maschinerie, die uns einredet, wir seien selbstbestimmt, wenn wir das oder jenes tun, kaufen, konsumieren, dieser oder jenen Botschaft Glauben schenken …

Das wir jetzt aber ein wenig sehr allgemein, oder nicht?

Nur: Die Ursachen liegen nicht in geheimen Verschwörungen irgendwelcher Gruppen, sondern in den Strukturen des spätkapitalistischen Wirtschaftssystems, das auf Warenproduktion, Warenfluss.

Profitmaximierung und technologischer Steuerung beruht. Darin sind wir nicht als Individuen vorgesehen, die ihr Leben gemeinsam mit anderen nach eigenen Bedürfnissen, Fahigkeiten und Erkenntnissen gestalten, sondern als einzufügende, konsumierende und steuerbare Objekte. Die Subjekte nehmen Warencharakter an und müssen sich selbst im Angebot vermarkten. Das ist der Ursprung eines großen Teils unserer Deformationen.

Ooops, da kommt ja doch noch etwas Systemkritik durch, die sich jenseits von VT und Schwurblern mit den Ursachen der Misere beschäftigt.

Entziehen können wir uns diesen Verhältnissen nicht, aber erkennen können wir sie, "reflexive Distanz" üben und auf humane und vernünftige Weise entgegenwirken, wo es geht, persönlich und gemeinsam. Die Verschiebung der Ursachen unseres diffusen Unbehagens oder Leidens an den gesellschaftliche-politischen Verhältnissen auf Personen, Gruppen oder verborgene Mächte mag Erklärungen erzeugen, die einfach und leicht fasslich sind, die eigentlich wirkenden Kräfte entschleiern sie nicht.

Die Mächte sind gar nicht so verborgen. Der alte Grundsatz "folge der Spur des Geldes" trifft auch hier zu.

Zur Pathologie der modernen Gesellschaft gehört die Tendenz zur Ichbezogenheit und zum Narzissmus.

Schröders "Ich-AG" und Thatchers "there is noch such thing as society" lassen grüßen

Das Prinzip der Profitmaximierung in den Produktionsverhältnissen erzeugt Konkurrenzstreben und damit Vereinzelung der Subjekte. Jeder ist jederzeit im Produktionsprozess austauschbar. Anpassung, Flexibilität, überzeugende Selbstvermarktung und Durchsetzungsfähigkeit sind Voraussetzungen für eine gute Positionierung im beruflichen Bereich.

Was hat das jetzt wieder mit den handwerklichen Fehlern der Entscheidungsträger in der Pandemie zu tun?

Aber auch im privaten Raum sichert eine dem jeweiligen Milieu angepasste, ins Auge fallende Selbstinszenierung Anerkennung und Beifall. Das Subjekt wird zum "Selbst- und Privatproduzenten".

Das wirtschaftliche Prinzip der Profitmaximierung verschafft sich Geltung im persönlichen Bereich. Davon erfasste Menschen sind vom Drang erfüllt, den Gewinn aus Selbstdarstellung und Selbstgenuss zu maximieren.

Dieser Charaktertyp ist von seiner Bedeutung übermäßig überzeugt, kompensiert Misserfolge durch Machtphantasien und sucht unaufhörlich nach Bewunderung und Zustimmung.

Kommt da noch was?

Kritik wird als Kränkung empfunden, Bindungen werden insoweit eingegangen und beibehalten, wie und solange sie der eigenen Positionierung nützen und das Selbstwertgefühl erhöhen. Dies geht mit einem Mangel an Empathie einher. Einschränkungen der ichbezogenen Betätigungsräume werden als Übergriff empfunden. Eine solche Person "macht" sich ihre Welt, wie sie ihr gefällt, mit ihr als dem wissenden, könnenden und unverzichtbaren Helden im Mittelpunkt.

Die Oberfläche täuscht; darunter verbirgt sich ein schwaches Selbst, das aufgrund bestimmter - auch wieder durch die spätkapitalistischen Gesellschaftsstrukturen induzierter – Erziehungsverhältnisse kein reifes Selbstbewusstsein ausbilden konnte.

..........

Narzisstische Züge hat wohl jeder von uns … Aber nie gab es so viele Menschen, die sich selbst überhöhen, die Kritik von außen nicht an sich heranlassen und sich nicht um die Ansprüche der Gesellschaft kümmern. …

Besser hätte ich die gemeinsamen Eigenschaften von Machtpolitikern, Chefredakteuren und Managern nicht beschreiben können.

Da wird die Selbstliebe zu einem Persönlichkeitsdefekt, obwohl diese Menschen das überhaupt nicht empfinden … Eine solche Persönlichkeitsstruktur hat nicht nur für die eigene Person ungünstige Auswirkungen, sondern auch für das soziale Umfeld und - wenn sich das Phänomen häuft - für die ganze Gesellschaft.

Stimmt, aber ich hätte bei dem Thema nicht erwartet, dass es hier um eine Kritik am Neoliberalismus geht.

W. Janzen, "Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt" - Das Pippi-Langstrumpf-Syndrom greift um sich …

Wir schauen auf die "Corona-Gesellschaft". Entdecken wir narzistische Verhaltenweisen bei uns und anderen? Möglicherweise finden wir sie bei Menschen, die die Welt nur noch durch die "Corona-Brille" sehen und in einer eigenen "Corona-Welt" leben.

Die einen starren auf die Bedrohungen durch die Pandemie und vertreten ohne Verständnis für andere Positionen rigoros Abwehrstrategien. Die anderen sehen nur auf die Einschränkungen ihrer Freiheiten und überhöhen sie zum Weltbild. Um andere Aspekte des Pandemiegeschehens kümmern sie sich nicht.

Ja, und dazwischen gibt es genügen Leute, welche einerseits die Gefahren des Virus sehen und die Gefahren, die sich aus den Maßnahmen ergeben. Ich weiß immer noch nicht, wie uns dieses schwarz-weiß Denken hier konkret weiter helfen soll.

Man kann zweifeln, ob die erstgenannte Haltung für die Bewältigung der Bedrohungslage nützlich ist. Die Bemühungen darum können nur mit einem hohen Maß an Übereinstimmung und Gemeinsamkeit in der Gesellschaft erfolgreich sein. Die zweite Haltung ist in Hinsicht auf den Schutz der Bevölkerung vor Ansteckung und Erkrankung eindeutig kontraproduktiv.

Wie gesagt, ich mache mir beim Schutz der Bevölkerung vor einer Ansteckung keine Illusionen. Das ist meiner Ansicht nach nur mit unverhältnismäßigem Aufwand machbar. Die Gesellschaft sollte sich darauf konzentrieren, die Personen mit dem höchsten Risiko zu schützen. Darüber hinaus ist es jedem selbst überlassen, vorhandene Angebote zu seinem eigenen Schutz wahrzunehmen.

Obwohl ich altersbedingt bereits ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs habe, erwarte ich von niemandem, dass er auf unbestimmte Zeit auf sein gewohntes Leben verzichtet. Im Gegenteil, ich selbst möchte die Jahre, die mir selbst noch bleiben, weiterhin wie gewohnt genießen dürfen.

Ich erwarte nicht von der Politik, dass sie sich zu meinem Hausarzt aufspielt und mir zu vorgeblich zu meinem Schutz vorschreibt, was ich zu tun und was zu lassen habe. Im Gegenteil ich empfinde dies als extrem übergriffig.

Ethische Fehlorientierungen bei "Querdenken"

Ich sprach von einer "ethischen Fehlorientierung" bei "Querdenken".

Es wurde schon oft darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz nicht nur das Recht "auf freie Entfaltung der Persönlichkeit" schützt, sondern diese Freiheit auch begrenzt, "soweit die Rechte anderer verletzt" sind und gegen das "Sittengesetz" verstoßen wird.

Zu den Grundrechten gehört das "Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit". Diese Begrenzungen der individuellen Freiheiten werden offenbar von "Querdenken" nicht gerne gehört. Der Narziss besteht eben darauf, was er als sein Recht ansieht und lässt sich durch Einwendungen nicht anfechten.

Das eigene Handeln und Leben in Relation zu anderen zu setzen, ist nun leider etwas, das viele verlernt haben. Corona macht die Deformation dessen deutlich, was wir noch immer gerne "Gesellschaft" nennen: Eine Ansammlung von Ich-Fanatikern. Keine Empathie, solange man sich nicht selbst in Sicherheit gebracht hat ...
Jagoda Marinic, TAZ 30.12.2020

Durch die Impfung steht es aber seit Dezember 2020 jedem frei, sich wieder selbst zu schützen. Mit zunehmender Verfügbarkeit des Impfstoffes zieht dieses Argument nicht mehr, zumal andere Maßnahmen bei weitem nicht ausgeschöpf wurden, wie etwa systematisches Testen in Pflegeheimen.

Der Moralphilosoph Henry Shue sieht als die Basis aller Grund- und Freiheitsrechte das Recht auf (persönliche) "Sicherheit" (Unverletzlichkeit) und "Leben" (Lebensunterhalt/Lebensrecht) an ("Security and subsistence are basic rights").

Niemand kann, wenn überhaupt, ein Recht genießen, das angeblich von der Gesellschaft geschützt wird, wenn ihm das Wesentliche für ein einigermaßen gesundes und aktives Leben fehlt ... Wenn Tod und ernsthafte Krankheiten durch soziale Maßnahmen verhindert werden können ... schließt der Schutz jeden anderen Rechtes die Vermeidung von zum Tode oder zur Schwächung führenden Mängeln ein ... Ein fundamentaler Zweck bei der Anerkennung der Basis-Rechte ist, dass wir "die Seite der Opfer" oder die Seite der möglichen Opfer einnehmen.

Wer sich ständig nur mit dem Tod beschäftigt, der vergisst allzu leicht, einfach sein Leben zu genießen. [Naturzucker]

"Basic Rights", 1996, S. 24 f., 33

Alle anderen Rechte bauen auf diesen Basis-Rechten auf; es gibt kein "Genießen" ("enjoy") anderer Rechte, wenn diese Rechte nicht gesichert ist. Wer das Lebensrecht Gefährdeter mit der Berufung auf andere Rechte infrage stellt, verfängt sich in einem Widerspruch und verwirkt moralisch das Recht, Freiheitsrechte in Anspruch zu nehmen.

"Querdenken" übersieht auch, dass ein Staat die Pflicht hat, Vorsorge für die Gesundheit seiner Bürger zu treffen.

Wenn der Staat das denn getan hätte. Siehe zu später Start der Auffrischung für Ältere, massiver Abbau von Intensivbetten.

Das "Vorsorgeprinzip" ermöglicht Entscheidungsträgern Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, wenn bei einer Umwelt- oder Gesundheitsbedrohung die wissenschaftlichen Aussagen unsicher sind und ein hohes Risiko besteht.

Das höchste Risiko geht meiner Ansicht nach von einer Politik aus, die sich weigert, die vorhandenen Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen und sich auf die wesentlichen Maßnahmen zu beschränken.

Europäisches Parlament, Think Tank

Lässt sich da bei "Querdenken" noch auf Einsicht hoffen, wenigstens bei einigen Führungspersonen? Das Bild, das die Bewegung bietet, gibt zu dieser Hoffnung wenig Anlass. Die Führung scheint ihre Sonderwelt weiter pflegen zu wollen und nimmt in Kauf, dass "Fußvolk" sich radikalisiert.

"Die" Querdenker können erzählen was sie wollen. Es sind (ich wiederhole mich) die wenig zielführenden Maßnahmen der Politik, die uns das Leben schwer und es dem Virus leicht machen.

Doch was soll es anderes geben als Aufklärung, Argumentation und Einsicht bei der Pathologisierung von Gesellschaftsteilen? Wenn das nicht hilft, endet das leider meistens, wenn Menschen gefährdet sind, in Zwangsmaßnahmen.

So viel Text, nur um in der Quintessenz um vom Versagen der Politik abzulenken und den Bogen zur Rechtfertigung von Zwangsmaßnahmen zu spannen?

Ich habe mich in dieser Analyse auf zwei Gesellschaftsfraktionen fokussiert, die vorwiegend ins Auge fallen. Man könnte bei dem von mir vorgeschlagenen Gedankenexperiment das Spektrum erweitern und auf noch andere Gruppen blicken: auf Covid-19-Erkrankte, deren Angehörige; auf "Vulnerable": ältere Menschen, Vorbelastete, Kinder; auf Politiker, Wirtschaftsführer, Arbeitnehmer; auf Wissenschaftler, Ärzte, Pfleger; auf Maßnahmen-Opfer; auf Ängstliche, Verunsicherte …

..... oder einfach mal auf normale Bürger, die immer noch die Mehrheit in diesem Land stellen.

Sie alle erleben das Corona-Geschehen sehr unterschiedlich, haben eigene Sichtweisen, reagieren verschieden und haben ihre Gründe dafür.

Es wäre super, wenn Politik und Medien auch mal anfangen würden, die jeweiligen Gründe anderer Menschen als gleichwertig zu betrachten.

Man könnte sich in solche Menschen hineinversetzen und sie reden lassen. Wichtig wäre es dabei, nicht gerade diejenigen zu nehmen, die die eigenen Sichtweisen bestätigen könnten.

Wie schon gesagt, gerade Berufspolitiker und Meinungsbildner in den Medien neigen dazu, Dialog nur als Einbahnstraße zu betrachten.

Ein solches "psychodramatisches" Verfahren würde uns einen erweiterten Blick auf die Realität verschaffen, die sehr viel komplexer ist, als Polarisierte und Angepasste üblicherweise wahrnehmen.

Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass wir mit weniger Einschränkungen am Ende besser da stehen würden. Beispiele dafür, dass dies geht, gibt es. Sie werden nur beharrlich von den Erzählern des Narrativs ignoriert.

Wechselseitige Wahrnehmung könnte dazu beitragen, dass wir mit einseitigen und nicht veränderbaren Festlegungen vorsichtiger werden. Vielleicht ließen sich auf diese Weise gemeinsame Wege finden. Für notwendig halte ich sie, angesichts der faktischen Lage.

Ich bisschen spät, nachdem 20 Monate lang von interessierten Kreisen nur die eine, reine Wahrheit verkündet wurde.

Ich weiß, meine Blickweise und Befunde werden Widerstände hervorrufen. Direkte Deutungen sind in der Psychotherapie verpönt. Sie sind nur dann hilfreich, wenn der Klient in ihnen seine eigene Erkenntnis wiederfindet.

Im Gespräch mit einzelnen würde ich auch eher zuhören, beobachten, Fragen stellen und Reaktionen spiegeln. Aber das ist eine andere Situation als die Analyse der "Corona-Gesellschaft" unter psychotherapeutischen Gesichtspunkten.

Wir können uns beliebig lange über das Thema unterhalten. Entscheiden tun am Ende immer die gleichen. Und solange die sich Kritik und Argumenten gegenüber resistent zeigen und ihren Kurs mit handverlesenen Experten und Statistiken stützen und konsequent alles andere ausblenden, kommen wir an dieser Stelle nicht weiter.

Die Politik bzw. die Parteien haben über Jahrzehnte genau wie die Medien einen Ausleseprozess etabliert, der systematisch Menschen mit anderen Ideen ausgrenzt, der Menschen ins Abseits stellt, wenn sie nicht spuren.

Man muss sich nur den Umgang mit prominenten Kritikern wie Wagenknecht und Palmer ansehen um zu verstehen, was mit Menschen in politischen Positionen passiert, die kritische Fragen stellen.

Sie werden von einer Welle aus Empörung und Moralin hinweg gefegt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man in diesem Klima, in dem ein Narrativ brutal von oben durchgesetzt wird, noch einen erkenntnisfördernden und ergebnisoffenen Dialog führen will.

Gängige Aussagen von Politikern laufen ja auch immer genau darauf hinaus, dass es reichen müsse, dem dummen Volk die grenzenlosen Weisheiten ihrer Entscheidungen besser zu erklären. Die Steigerungsform lautet dann, dass gewisse Kreise nicht mehr empfänglich für (unsere) Argumente seien.

Wie gesagt, ich habe noch keinen Politiker und Journalisten gesehen, getroffen oder gehört, die empfänglich für Argumente wären. Neugier auf andere Standpunkte, Ansichten, Meinungen? Fehlanzeige. Wer dort heute tätig ist, der ist mit einem an Arroganz kaum noch zu überbietenden Sendungsbewusstsein gesegnet. Für den stellt sich nicht die Frage nach eigenen Irrtümern und Trugschlüssen. Der sucht die Fehler immer nur bei der Gegenpartei. Egal, um welches Thema es geht.

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