Michael Müller schrieb am 14.04.2020 16:22:
Selbstverständlich macht es keinen Sinn, jetzt Virologen und Mediziner zu allwissenden Superhelden und quasireligiösen Ersatzautoritäten aufzubauen.
Das sollte man auch deshalb nicht weil dies ein von Religiösen gern verwendetes Strohmannargument ist. Die behaupten ja gern, daß die Wissenschaft meint, alles erklären zu können und bringen dann wortreich Beispiele von Dingen wo die Wissenschaft (noch) keine Erklärung hat wobei man dann so tut, als könnten die Religionen dies erklären - was sie nicht können sondern nur behaupten, dies zu können. Aber mit dem Unterschied zwischen "behaupten" und "sein" haben Religionen prinzipbedingt ein Problem.
Die Religionen haben auch ein sehr großes Problem, zwischen "Wissen" und "Glauben" zu unterscheiden. Wenn sie "Wissen" sagen, meinen sie "Glauben", beispielsweise "wissen" sie (vielmehr meinen sie zu wissen, also: sie glauben), dass "Gott" existiert. Deshalb kommen sie auch regelmäßig zu dem Fehlschluss, Wissenschaft sei letztlich auch nur ein Glaube. Sie können diese Begriffe schlicht nicht wirklich, ihrer Bedeutung entsprechend, trennen. Das so etwas auf einer religiös begründbaren, kognitiven Beeinträchtigung des rationalen Denkens beruht, scheint mir, auch aufgrund vieler anderer, völlig unlogischer Argumentationsmuster, sehr wahrscheinlich zu sein.
Ein weiterer, wichtiger Punkt in dem Zusammenhang, wissenschaftlich bisher ungeklärte Naturphänomene einem ominösen "Gott" zuzuschreiben ist, dass es sich hierbei letztlich um eine reine "Lückenbüßertheologie" handelt. Denn wer so argumentiert, steht auf sehr dünnem Eis. Mit fortschreitender, wissenschaftlicher Erkenntnis, wenn also eine wissenschaftliche Hypothese (ihr habt ja keine Beweise, also: "Gott") in eine beweisbare Theorie überführt werden kann und diese letztlich vielleicht auch empirisch belegt werden kann, müssen die Gottesanbeter immer einen Schritt zurück treten. Sie müssen einsehen, wenn auch zähneknirschend, dass hier doch alles mit natürlichen Dingen zugeht und eben kein "Gott" seine lenkende Hand im Spiel hatte. Die typische, darauf folgende Argumentation ist dann: "Ja gut, dass hat die Wissenschaft jetzt herausgefunden, aber ..." und dann führen sie die nächsten, noch ungeklärten Fragen an und bringen _diese_ dann mit "Gott" in Verbindung. Wie gesagt, ein sehr schwacher Standpunkt.
Wissenschaftlich vorgebildete Gottesanbeter wissen das natürlich und ziehen sich sicherheitshalber gleich in einen von der Physik prinzipiell nicht erreichbaren Bereich der Fragestellungen nach dem "Sein" zurück: die Zeit vor dem Urknall. Hier machen sie es sich dann gemütlich, sehr wohl wissend, dass ihre Position nicht angegriffen, aber auch nicht belegt werden kann.
Was dann, in einer aufgeklärten Welt, für die Religionen noch bleibt, sind die psychologischen Aspekte des Menschseins. Aber auch hier scheint mir die moderne Psychologie deutlich bessere Antworten zu liefern, als es archaische und dogmatische Religionen, deren erkenntnistheoretisch zementierter Status Quo sich irgendwo in der Frühzeit verorten lässt, jemals könnten.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.04.2020 17:19).