"Der Zar ist nackt" – das sehen auch Beobachter im Ausland so. Jahrelang haben Putin und seine Lautsprecher mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, sollte dieser Krieg für Russland zu bedrohlich werden. Demonstrativ wurden Atomübungen angeordnet und medial inszeniert. Davon ist jetzt nichts mehr zu hören.
Philipp Kellermann, Deutschlandfunk
Auch wenn dies Zitat wesentlich später steht, möchte ich meine Anmerkungen doch mit ihm beginnen. Ich finde immer wieder das Witzeln über das Lager der roten Linien im Keller des Kreml. Ich werte das Vertragsbegehren aus Herbst/Winter 2021 als eine solche rote Linie. Die Reaktion des Westlichen-Blocks hatte mich damals überrascht. Dass die Angelegenheit nicht mit einem "schön, dass wir darüber einmal gesprochen haben" zu Ende sein musste war klar. Die tatsächlich erfolgte Reaktion der russischen Regierung nicht auszuschließen. Die Historiker werden darüber streiten ob es Gründe für eine reale Bedrohungslage für Russland gab, ob Russland überreagiert hat, ob ein provozierter Angriffskrieg vorliegt. All dies kann ich bei den mir zur Verfügung stehenden Informationen nicht beurteilen. Es ist abzuwarten. Wenn Russland sich bedroht gefühlt hätte, könnte ich dies nachvollziehen. Beginnend mit dem Jugoslawienkrieg, über Irak, Afghanistan, Libyen zeigte das westliche Militärbündnis, als Bündnis oder in Person seiner Mitgliedsstaaten, eine aggressive Haltung. Die Überlegungen von Brzeziński im Zusammenspiel mit den Handlungen in der Ukraine, die ich wesentlich früher als den Maidan ansetze, die Farbrevolutionen waren Anfang der 2000er Jahre, die in den genannten Ländern geführten Kriege, die gekündigten Rüstungskontrollverträge konnten für Besorgnis in Russland sorgen. Die Einstellung der USA nach dem Untergang der UdSSR auf lange Sicht alleinige Weltmacht zu sein, war verlockend.
Schließlich geht es darum, die Mehrheit der Bevölkerung für deutsch-imperialistische Interessen opfern zu lassen.
Hier denke ich anders als der Autor. Zunächst sehe ich imperialistische Interessen als nie von kapitalistischen Interessen losgelöst.Im Großen sehe ich da, das kapitalistische Interessen nicht durch nationale Grenzen begrenzt sind. Ich möchte dies mit einem Beispiel belegen.
Die Deutsche Börse AG, ich zitiere nach Wikipedia: Gemäß der veröffentlichten Aktionärsstruktur der Gruppe Deutsche Börse lag der Anteil institutioneller Investoren Ende 2023 bei 91 % und der Anteil ausländischer Investoren bei 80 %.
Die Verhältnisse bei anderen DAX Unternehmungen sind, wenn ich mich richtig erinnere, nicht durchgängig so extrem, aber der größte Teil der Dividenden wird an nicht innerstaatliche Halter ausgeschüttet.
Was mir im privaten Umgang aufgefallen ist, dass Menschen mit ein paar Sparguthaben, die ich nicht der besitzenden Klasse zurechnen würde, die kapitalistische Logik so verinnerlicht haben, dass ihr Reden und Handeln von dieser kapitalistischen Logik geprägt ist. Ich habe nie verstanden wie dies sein konnte, soll doch das materielle Sein das Bewusstsein beeinflussen. Ich habe aber auch in Erinnerung, dass die meisten Menschen bei der Einstufung in eine gesellschaftliche Klasse eher dazu neigen, sich einer höheren Klasse zuzuordnen, als es den soziologischen Merkmalen entspricht. Ich gehe davon aus, dass die bestimmende, machtausübende, kapitalistische Klasse nicht national denkt, sondern eher in Wirtschaftsräumen. Ich vermute Deinvestments von Gruppen in dem Machtbereich anderer Gruppen und stehe dem für mich unverständlichen Phänomen gegenüber, dass der Riester-Vertrag-Sparer sich als Kapitalist fühlt. Ich sehe aber im Gegensatz zu Ihnen nicht einen deutschen Imperialismus sondern einen multinationalen Wertekapitalisten-Westen als imperialistischen Block.
Aus diesem Grund habe ich in dem folgenden Zitat
Sie stellen Deutschland lieber als Opfer US-amerikanischer Interessen dar.
gekürzt.
Dass aber auch viele der wenigen Kriegskritiker nicht über die Interessen des deutschen Imperialismus in der Ukraine reden wollen, ist schon erstaunlich
. Wenn ich jetzt Jean Jaures zitiere, wird dieses Zitat bei den meisten Menschen Widerspruch auslösen. Haben wir uns doch in einer kapitalistischen Welt so eingericht, dass diese nur gut und von höheren ideellen Werten geleitet ist. Die Art des Denkens wie von Jaures und viel ausformierter von Luxemburg ist untergegangen, oder war nie in der Gesellschaft verankert. Ich weiß es nicht, wie es heute ist. Ich bin 1967 aus der Schule gekommen. Da wäre eine solche Aussage Ketzerei gewesen und hätte einen zum Anwendungsfall des bald folgenden Radikalenerlasses gemacht.
Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen
. Es gibt ja kaum Kriegskritiker. Bei der Europawahl hatte ich ein massives Abfallen der den Krieg stützenden Parteien erwartet. Pustekuchen.
Selbst die Pessimisten haben sich nicht vorstellen können, dass es keine 30 Jahre dauert und deutsche Panzer wieder auf russischem Territorium stehen und man wieder die Erben der alten deutsch-ukrainischen Achse als Verbündete hat.
In dem Forum hier fand ich mehrfach die, von mir als putzig empfundene, Aussage: Das sind ja keine deutschen Panzer, die wurden nur in Deutschland produziert und der Ukraine übergeben. Das sind ukrainische Panzer.
Doch die symbolische Wirkung ist um ein Vielfaches größer. Die ukrainische Armee nimmt russische Soldaten gefangen – auf russischem Territorium. Sie versorgt russische Bürger mit Lebensmitteln. Sie entfernt die russische Flagge von öffentlichen Gebäuden. Das ist mehr als eine Niederlage für Putin, das ist eine Demütigung.
Philipp Kellermann, Deutschlandfunk
Zur Zeit habe ich das Gefühl Russland agiert nach dem Motto: Rache ist ein Gericht, dass isst man nur kalt. Warten wir ab. Aber etwas anderes war mir selbst sehr wichtig. Der deutsche Panzer Mader wieder in Kursk. Ich stelle mir vor, ich wäre Russe. Ich bin mir sicher von Putin mal gehört zu haben, dass sein Vater seine als verhungerd geltene Mutter, bei der sicher völkerrechtswidrigen Hungerblockode von Leningrad, gerade noch vorm Abtransport gerettet zu haben. Der Krieg wird in Russland auch der jüngeren Generation noch viel bewusster sein als bei uns. Schon allein weil der Sieger sich lieber erinnert als der Besiegte. Die Generation meiner Eltern sprach über den II WK, wenigstens bei uns, nur wenn sie sehr besoffen waren. Ich weiß nicht was Krieg ist, aber ich habe unmittelbaren Zugang zum Ahnen. Und kann mir meine Emotionen vorstellen, wenn der T 90, oder wie immer der heißt, an der Elbe stünde.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.08.2024 01:27).