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  • DasWoelfchen

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Re: Zusammenfassung

Levski schrieb am 09.02.2020 15:21:

"Anpassung, Angepasstheit, ist nicht die Bedingung, sondern Voraussetzung für Evolution". Da habe ich mich zunächst gefragt, was ist denn der Unterschied zwischen Bedingung und Voraussetzung? Ist es Bedingung, ist es bestimmend, ist es Voraussetzung, ist es zwar notwendig, aber nicht bestimmend.

Jedes existierende Wesen tritt mit seinem Ökosystem in Wechselwirkung. Dadurch verändert es dieses Ökosystem und erzeugt einen gewissen Änderungsdruck auf sich und die anderen dort existierenden Lebewesen, den der Autor als Irritationen bezeichnet. Diese Irritationen sind aber Informationen über das Ökosystem und im weitesten Sinne eine Form von Informationsaustausch und somit auch als primitive Form der (ungerichteten) Kommunikation zu sehen. Denn hier irrt der Autor, wenn er die Kommunikation als rein soziale und menschliche Entwicklung sehr spät in der Entwicklung des Lebens ansiedelt.

Der durch die Veränderung des Ökosystems entstehende Änderungsdruck fordert die Angepasstheit des einzelnen Lebewesens heraus und führt bei entsprechender Unangepasstheit zu dessen Tod. Solange aber die Angepasstheit eines Lebenwesens bei der Reproduktion nur über physikalische Wechselwirkungen mit der Umwelt - also Mutationen - verändert wird, ist diese Anpassung zufällig, ungerichtet und langsam. Sie erzeugt zwar eine relative Vielfalt, allerdings ist die Bandbreite an Variationen eher klein.
Die Entwicklung einer geschlechtlichen Fortpflanzung mit systematischem Austausch und Rekombination von Erbinformationen ist dann lediglich eine Anpassung an den beständigen Änderungsdruck, die eine deutlich vergrößerte Bandbreite an Variationen ermöglicht. Es entsteht Vielfalt und diese ist zudem auch noch systematisch und verläuft bedingt zielgerichtet entlang der Entwicklungslinien, die man Arten nennt.

Bestimmend ist "Vielfalt". Und das ist in der Tat ein Paradigmenwechsel. Nach Darwin konkurrieren Individuen um Angepasstheit, um das Überleben des Angepasstesten (engl. fittest, nicht zu verwechseln mit "Stärkerem"). Nach der neuen Theorie ist aber die Vielfalt der Population entscheidend. Damit bei wechselnden Umweltbedingungen eine Variante vorhanden ist, die überleben kann.

Vielfalt an sich ist eine Qualität, die das Überleben sicherstellt. Sie ist nicht Zweck der Evolution sondern lediglich eine erfolgreiche Strategie, eine Anpassung, um gegen den beständigen Anpassungsdruck, der aus der sich ändernden Umwelt auf das Leben einwirkt, bestehen zu können.

Der Irrweg des Autors besteht darin, die Entstehung der "sexuelle Reproduktion" als Rätsel zu verstehen, ist sie doch die Grundvoraussetzung für die Entstehung von Vielfalt und Varianz.

Auf die gesellschaftliche Ebene projeziert: Nicht "der Stärkere überlebt", sondern eine Gesellschaft insgesamt, die Vielfalt zulässt. Und damit notwendigerweise Kooperation trotz Unterschieden.

Auch wenn wir es rein biologisch betrachten, so schafft erst die Vielfalt und deren unterschiedliche Nutzung und Beeinflussung des Ökosystems die entsprechenden Nischen, die dann von neuen Arten erfolgreich besiedelt werden können.

Im gesellschaftlich/wirtschaftlichen Kontext kann man jegliche Form von Innovation als die Entstehung einer neuen "Art" begreifen, die immer nur auf der Basis der schon existierenden Strukturen entstehen kann.

Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen...

(Bernard von Chartres, 1120)

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