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  • RFish

691 Beiträge seit 01.01.2013

Warum war Biden der Initiator?

Die Frage nach der Aufhebung/Einschränkung der Impfstoffpatente ist vordergründig einfach und moralisch eindeutig zu beantworten.

Der Vorschlag des US-Präsidenten läßt bei mir jedoch die Alarmglocken läuten. Die USA haben in den letzen 70 Jahren niemals altruistisch gehandelt - egal unter welcher Regierung. Warum also macht Biden zu einem Zeitpunkt, zu dem es in den USA Impfstoff im Überfluss gibt, einen solchen Vorschlag?

Die Ausgangsposition: Die USA haben bisher die Ausfuhr der Basisreagenzien für die mRNA-Impstoffe unterbunden und vermutlich (!) die notwendigen Synthesemaschinen aus Europa abgegriffen. AstraZeneca-Impfstoff haben sie generös weiter verteilt und den Johnson&Johnson-Impfstoff in der amerikanischen Zulassung so lange verzögert bis sie ihn nicht mehr brauchten.

Welche Motivation könnten die USA also für ihren Vorstoß haben?

Dazu fallen mir folgende Argumente ein, die ich mangels Daten nicht dingfest beweisen kann:

1. Die USA wären das größte Lieferland für mRNA-Impfstoff-Reagenzien und würden damit von einer Freigabe der Patente am meisten profitieren. Beweis/Hinweis: Viele Hersteller für diese Reagenzien sitzen in den USA. Ob diese Firmen auch den größten Anteil am Weltmarkt haben, konnte ich nicht herausfinden. Da diese Reagenzien bisher überwiegend für Forschungszwecke eingesetzt wurden, spielten sie für Indien und China vermutlich nur eine untergeordnete Rolle im Sinne einer Massenproduktion (?) Es gibt Marktanalysen dazu, die allerdings kostenpflichtig sind.

2. Die Freigabe der Patente würde wahrscheinlich die Firma Biontech aufgrund ihres Marktanteils stärker schädigen als die Firma Moderna. Letztere wird am amerikanischen Markt besser refinanzierbar sein und leichter an die Vorprodukte aus amerikanischer Produktion kommen.
Die Patente für die Vektorimpfstoffe werden mittelfristig keine Rolle mehr spielen, weil man diesen Typ aufgrund seines Risikoprofils nicht am Markt belassen wird. Im Gegensatz dazu werden mRNA-basierte Impfstoffe in Zukunft den Markt beherrschen und ihr Indikationsgebiet drastisch ausweiten. Daher werden die USA alles daran setzen, die beteiligten Firmen entweder zu übernehmen, die eigenen Firmen zu begünstigen, oder die Firmen im Ausland zu zerstören. Wie erfolgreich diese Methode ist, kann man am Beispiel der maroden Firma Monsanto sehen. Bayer wird durch den Kauf auf absehbare Zeit keine Rolle mehr spielen und langfristig zum Übernahmekandidaten werden. Sobald die Firmenleitung dort mit amerikanischen/amerikanisierten Managern durchsetzt ist, wird sich die Talfahrt beschleunigen - ist zumindest meine Erfahrung.

Soviel zur vermutbaren Motivation des amerikanischen Paten.

Bleibt die Frage, was die Freigabe der Patente bewirken würde?
Wenn der Patentschutz nur förmlich aufgehoben würde, gäbe es keine zusätzlichen Impfdosen: Um ein Patent nachzuarbeiten, braucht man hochspezialisierte Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler. Wer schon einmal Patente nachgearbeitet hat, weiß daß man selbst als Fachmann erheblichen Aufwand betreiben muss. Oft fehlen auch kleine relevante Angaben, die zur Nacharbeitung notwendig sind. Diese liefern in Patentprozessen dann oft Ansatzpunkte, um mangelnde Nacharbeitbarkeit zu bemängeln - ein steiniger Weg. Wer also Patente aufheben will, benötigt die Mitwirkung der beteiligten Firmen.
Bei reinen "Chemiepatenten", wo die Strukturen der Pharmaka bekannt sind (z.B. Anti-HIV-Wirkstoffe) ist der Weg noch gangbar. Bei den mRNA-Impfstoffen wird es in brauchbarer Zeit nicht möglich sein: Wer schon einmal mit RNA gearbeitet hat, weiß, daß der Umgang damit extrem schwierig ist. Dies großtechnisch zu tun, ist mit großen Herausforderungen technischer Art verbunden.

Was also wäre sinnvoller als die reine Freigabe der Patente:

1. Wir könnten akut auf einen substantiellen Anteil unserer Impfdosen zugunsten von armen Ländern verzichten. Da möchte ich gerne sehen, was der FDP/AFD basierte Ellenbogenanteil unserer Gesellschaft dazu sagt. Noch ein Jahr kein Urlaub und keine geöffneten Kneipen, um den Tod von vielen Indern und Afrikanern zu vermeiden? Weitere Kommentare spare ich mir.

2. Wir könnten die Produktionskapazitäten drastisch auf Kosten unserer Staaten ausbauen und die Länder mitversorgen. Die Technik dazu haben wir und der Ausbau wäre bei uns auch schnell möglich - er hätte schon längst erfolgen können, wenn der Wille da wäre. Dann könnten die USA - altruistisch wie sie denn sein wollen - den Export ihrer Reagenzien freigeben, was sie bisher nicht getan haben. Sie könnten die Reagenzien sogar umsonst abgeben. Dann steuert Europa sein Produktions-Know-how und seine Produktionsmittel kostenfrei bei und die USA die fehlenden Basisreagenzien. Damit würde man das akute Problem in der kürzest-möglichen Zeit lösen.
Die Freigabe von Patenten ist eine reine Scheinlösung, die kein Leben rettet. Wie sollen die Entwicklungsländer überhaupt eine Produktion "von Null" aufbauen, wo selbst in den Industrieländern akut nicht genug Material produzierbar ist. Selbst Indien konnte bisher in seinen sehr großen Serumwerken nicht genügend Vektorimpfstoff produzieren, weil Zutaten aus den USA/(Europa?) fehlten - da hängt es also nicht an der Freigabe von Patenten.
Die "Ungerechtigkeit" des fehlenden Zugangs der armen Länder ist mit der Freigabe von Patenten nicht beseitigt.
Will man ihnen wirklich helfen, muss man ihnen faire Preise für ihre Rohstoffe zahlen.
Man muss Staaten, die eigennützige Regime-Changes initiieren zur Rechenschaft ziehen. Wie die Aussichten dafür aussehen, schaue sich die derzeitige Agenda der Grünen an. Mit einer Frau Baerbock wird Deutschland noch sehr viel stärker in Richtung auf gewaltsame Interventionen gehen.

Schließlich man muss arme Länder in die Lage versetzen ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen.
Wer ein erfolgreiches Beispiel sucht, schaue auf China - nur haben sie es aus eigener Kraft auch gegen den Westen geschafft.

Akut ist zu Gunsten der armen Länder nichts erreichbar, weil wir es nicht wollen. Die Forderung nach der Freigabe der Patente kaschiert letztlich nur den Unwillen, die grundlegenden Probleme zu lösen, die Verantwortlichen zu benennen und sie politisch und rechtlich zur Rechenschaft zu ziehen.
Da würden die Reihen in unserer Regierung und den sogenannten Oppositionsparteien allerdings sehr licht werden.

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