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  • Zweckpessimist

mehr als 1000 Beiträge seit 17.08.2003

Das Öl und die Krise

yossarian schrieb am 15. August 2005 15:24

> Zweckpessimist schrieb am 15. August 2005 14:17

> > Schön, das es noch soviele Leute gibt, die glauben, dass man mit Geld
> > Öl produzieren kann.

> Nein, das nicht. Aber es ist nun mal so, daß es *wahrscheinlich* noch
> sehr viel Öl gibt, daß eben bislang nicht lohnenswert abzubauen war:

Nicht lohnenswert finanziell, oder nicht lohnenswert weil man fast
soviel Energie reinstecken müsste, wie man rausholt? Siehe Teersand
in Kanada, als nächstes werden die Straßen aufgerissen und wieder
verflüssigt, hehe.

> Deutschland hat z.B. selbst nach heutigem Verbrauch noch für gut 100
> Jahre Steinkohle. Das sind bekannte Reserven. Seit 30 Jahren baut die
> kein Mensch mehr ab, weil der Kohlepreis auf dem Weltmarkt halt zu
> niedrig ist. Sollte er steigen, werden im Ruhrgebiet ganz schnell
> wieder die Schächte angefahren.

Das macht mir auch Angst. Wenn das Öl richtig knapp wird, also in
diesem Winter oder spätestens im nächsten, wird wie Du richtig sagst
der Run auf Kohle einsetzen. Das beschleunigt die Klimaveränderung
nochmal.

> Irgendwann ist immer Schluß, das ist klar. Aber das wird noch lange
> dauern.

Wieso bauen die Ölfirmen keine neuen Raffinerien, trotz
Kapazitätsengpass? Wieso werden keine neuen Tanker gebaut? Wie Craig
Morris schrieb, werden die momentan erzielten Gewinne gebunkert, weil
es keine sinnvolle Möglichkeit gibt, sie zu investieren. Wenn man auf
Teufel komm' raus nach Erdöl bohrt, hat man am Ende viele Löcher im
Boden aber kein Öl.

> > Die Weltwirtschaft ist fragiler, als die meisten Leute glauben. Ein
> > Ölpreis von 150$ oder mehr wird eine Weltwirtschaftskrise zur Folge
> > haben, gegen die sich 1930 wie ein Saisontief ausnimmt.

> Warum?

Wir haben jetzt schon eine Konsumkrise in Europa. In den USA wird
momentan noch auf Pump konsumiert, finanziert von einer gigantischen
Immobilienblase. Wenn nun die, wie Du es nennst, Entschleunigung
eintritt, dann haben wir ganz schnell mal Arbeitslosenquoten von 50%,
das verkraftet das System nicht.

Die Krise von 1930 war auch eine Überproduktionskrise, die mit genau
denselben schwachsinnigen konsumabschnürenden Maßnahmen bekämpft
wurde wie heute. Erst die Aufrüstung auf Pump und dann der Krieg
haben diese Krise beendet, aber das sind natürlich auch keine
nachhaltigen Lösungen.

> Verkehr und Transport können mit
> bisher vorhandener Technologie hervorragend durch die Schiene
> abgedeckt werden, das wird bislang nicht gemacht, aber möglich ist
> es. Schau Dir mal das Schienennetz von Deutschland um 1912 an: 58.000
> Km, heute: 36.000 Km. Ins hinterletzte Kaff fuhr da ein Zug und die
> Bahn kam pünktlich und übernahm den Gütertransport.

Wenn man jetzt, wo noch eine kurze Zeit lang billiges Öl verfügbar
ist, dieses nutzen würde, dann könnte man den Schock sicher deutlich
abmildern. Aber es lohnt sich wirtschaftlich nicht, der Krise
entgegenzuwirken, bevor sie richtig hart einsetzt, und dann ist es zu
spät für großangelegte, konzertierte Aktionen.

Die Verrücktheit am System ist, jeder sieht das Ende, aber keine
bremst, weil jeder vor dem Ende noch so viel wie möglich rausholen
will. So eine Art globales "Chicken".

> Oder man fährt einfach in ein beliebiges Schwellenland: Für die ist
> nämlich der jetzige Barrelpreis bereits so teuer, wie es für uns ein
> Barrelpreis von 150 USD wäre. Man fährt dort halt Sammeltaxi und Bus
> und wo vorhanden Bahn (Indien z.B.)

Ja, diese Länder wird es vermutlich nicht so hart treffen, weil der
Großteil der Bevölkerung ohnehin nicht unseren Luxus gewohnt ist.

Allerdings werden natürlich viele Millionen von Menschen verhungern,
denn die Landwirtschaft kann die heutigen Menschenmassen nur
ernähren, indem für jede produzierte Kalorie etwa 8 Kalorien an
fossiler Energie hineingesteckt werden.

> Das sehe ich nicht so. Amerika kriegt größere Probleme. Es wird zu
> einem autokratischen Staatswesen werden, sehr ähnlich der
> Sowjetunion.

Ja, entweder das, oder ein Zusammenbruch, ebenfalls sehr ähnlich der
Sowjetunion. Wenn die staatlichen Autoritätsstrukturen nicht mehr in
der Lage sind, die Leute mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen,
werden sie schnell irrelevant.

> Ja es wird krachen im Gebälk, aber nicht so arg. Mein Gott, dann wird
> halt mal das Auto 7 Jahre gefahren und nicht nach 3 Jahren ersetzt.
> Und das ganze Plastikspielzeug vom Handy bis zum Computer wird auch
> länger genutzt werden. Die Welt wird sich entschleunigen, aber so
> schlimm wird es nicht.

Wie gesagt, das löst eine Überproduktionskrise aus. Da muss sich am
System selbst einiges ändern, damit man diese Krise überwinden kann.

> Du siehst das zu schwarz.

Ich bin Optimist - vielleicht wird es ja nicht ganz so schlimm.

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