Ansicht umschalten
Avatar von Steffen Huber

mehr als 1000 Beiträge seit 12.04.2000

Multiple Irrtümer

greeen schrieb am 15. August 2005 13:06

> Voeguel schrieb am 15. August 2005 12:23
[snip]
> >
> > Unabhängig von der aktuellen Knappheit gilt folgendes:
> > Je knapper Öl wird, desto teurer wird die Förderung. Die Preise
> > steigen.
> > Durch die steigenden Preise lohnt es sich Öl zu fördern, die vorher
> > schon bekannt waren aber nicht wirtschaftlich (Resourcen). Aus
> > Resourcen werden also Reserven.
> > Man muss gar keine neuen Lagerstätten finden; es gibt noch sehr viele
> > alte, die man früher nicht ausbeuten wollte/ konnte.

> Falsch. Denn du denkst nur in der finanziellen Dimension.

Die finanzielle Dimension ist die entscheidende.

> Aber es
> gibt ein Gesetz, dass man auch per (viel) Geld nicht auf den Kopf
> stellen kann. Wenn man mehr Energie für die Förderung braucht als man
> gewinnt, macht es wirklich nicht mehr viel Sinn (denn wenn man so
> viel Energie bereits hat, kann man es gleich sinvoller anders
> einsetzen).

Das, was Du da formulierst, ist kein Naturgesetz, auch wenn es
zunächst einleuchtend erscheint.

Nehmen wir mal Öl als Grundstoff für die Bewegung eines Kfz. Warum
ist Öl hier so beliebt? Sicher nicht, weil es im Gegensatz zu anderen
Treibstoffen so extrem preiswert ist - nein, es ist eben sehr einfach
zu speichern (-> Tank) und hat eine unheimlich hohe Energiedichte (->
große Reichweite).

Es ist also durchaus denkbar, dass die Energiebilanz der Ölförderung
und Ölverarbeitung negativ wird, und trotzdem weiter Öl gefördert
wird - genau wegen dieser Eigenschaften. Solange die eingesetzte
Energie nicht ebenfalls aus Öl stammt natürlich. Um es plakativ
auszudrücken: es ist einfacher, die Energie von Abbau und
Verarbeitung aus alternativen Quellen zu decken (wenige Verbraucher)
als die ganzen Kleinverbraucher umzurüsten.

> Bei Peak Oil geht es nicht darum, dass das Öl ausgeht, sondern dass
> das billige Öl ausgeht --> auf dem wiederum unsere gegenwertige
> Lebensweise basiert.

Ich bestreite, dass unsere Lebensweise auf billigem Öl basiert. Ich
würde es umformulieren: sie basiert auf der jederzeitigen
Verfügbarkeit verhältnismäßig preiswerter Energie. Ein Ende der
Verfügbarkeit preiswerter Energie sehe ich persönlich nicht.

> > Durch die aktuellen Preisanstiege sind die Reserven  größer geworden,
> > da nun z.B. kanadische Ölsände wirtschaftlich zu fördern sind. Meines
> > Erachtens resultiert der aktuelle Preisanstieg auch nur aus knappen
> > Rafineriekapazitäten, so dass reichlich vorhandenes Schweröl nicht
> > ohne weiteres in leichtes wertvolleres Öl umgewandelt werden kann.
> > Hier wurden (absichtlich?) Investitionen in Kapazitäten unterlassen
> > und so entstand ein Flaschenhals.

> Die Reserven werden nie grösser, höchstens der Verbrauch wird
> kleiner.

Schwachsinn. Natürlich können die Reserven größer werden - Reserven
sind definiert als diejenigen Ressourcen, die derzeit *zu
Marktpreisen* sicher gewinnbar sind. Wenn also neue, preiswertere
Fördertechnologie verfügbar wird und/oder der Marktpreis steigt,
können die Reserven ganz ohne Neufunde problemlos größer werden.

Die Ressourcen werden also nie größer, die Reserven hingegen könnten
es (und wurden es ja auch regelmäßig seit 1950 oder so).

> Aber nur mal zum Beispiel von Kanada. Es ist richtig, dass
> die eine ganze Menge Ölsand haben. An die 180 Milliarde Barrel sagt
> man. Davon könnte man die Welt - vorausgesetz man kann es beliebig
> schnell fördern und man hätte nur diese Quelle - ca. 6 Jahr beim
> gegenwärtigen Verbrauch am Laufen halten (zur Zeit ca. 30 Milliarden
> Barrel pro Jahr).

Und wenn man nur die europäischen Quellen hätte, könnte man die Welt
gar nur 2 Jahre am Laufen halten.

Was ist der Sinn einer solchen Aussage? Tatsache ist: durch die
Olsände hat man die Reserven stark gesteigert. Das "Ende des Öls" ist
also weiter hinausgeschoben.

> Allerdings wir aus verschiedenen Richtungen klar,
> dass das Ölsand nicht beliebig schnell abgebaut werden kann.

Brauchen sie ja auch nicht - die anderen Quellen sprudeln ja noch
reichlich und werden nicht morgen versiegen - ein kurzfristiger
Aufbau der Kapazitäten wäre also reichlich dämlich.

[snip]
> > Wenn die Ölpreise so stark steigen, dass es sich alternative
> > Technologien lohnen (backstop-technolgien), wie z.B.
> > Brennstoffzellen, dann wird man auf diese Technologien umsatteln.
> > Während das Öl immer teurer wird, werden diese Technologien immer
> > billiger (Lernkurven).
> > Das liegt aber in weiter Ferne, da die statische Reichweite für die
> > Ölreserven  laut International Energy Agency auf 40 Jahre geschätzt
> > wird.

> Diese Zahl von 40 Jahren ist lebensgefährlich. Denn sie geht von
> folgendem aus:
> - der Verbrauch bleibt auf heutigem Niveau
> - die Vorhersage der Reserven stimmt

Beides korrekt.

> - und wir können alles bis zum letzten Tropfen herausholen

Davon wiederum ist bei den 40 Jahren nicht die Rede. Bitte nochmal
die Bedeutung der statischen Reichweite nachlesen.

> Und genau der letzte Punkt geht auf das Hauptthema von peak Oil hin.
> Man wird nie in der Lage sein auch nur ansatzweise die Reserven foll
> auszuschöpfen. Weder wirtschaftlich noch von der Energiebillanz her
> sinnvoll.

Du verwechselst wiederholt Reserven mit Ressourcen. Und Peak Oil hat
damit sowieso überhaupt nichts zu tun.

> > Es ist nicht davon auszugehen, dass von einem Tag auf den anderen das
> > Öl ausgeht. Es wird einen graduellen Umschwung geben.

> Nur wird bei diesem Umschwung eine gigantische Umverteilung losgehen,
> die auch sehr kurzfristig zu grossen Umwälzungen führen kann (es
> läuft ja bereits)!

Umverteilung? Umwälzungen? Wo, was, warum?

> > Die Ölknappheit ist an sich kein Problem; viel problematischer ist
> > die CO2-Freisetzung bei der Verbrennung von Öl. Durch die intensive
> > Nutzung wird der Treibhauseffekt verstärkt, so dass es sinnvoll ist
> > vorzeitig auf Backstoptechnologien umzusteigen.
> > Der Markt ist nicht in der Lage dies vorzeitig zu erreichen. Deshalb
> > könnten Ökosteuern, Umweltauflagen, zertifikatehandel sinnvolle
> > staatliche Tools sein, um Öl zu verteuern. In diesem Sinne sind hohe
> > Preise eine Freude für Umweltschützer.

> Genau und zum Schluss kommt der Umweltschutz. Das könnte der einzige
> Bereich sein, der von peak Oil längerfristig profitiert (wenn sich
> nicht alterantiv wieder alle auf Kohl stürzen).

Meine Prognose: man wird sich auf Kernenergie stürzen. Genauer:
Thorium-basierte Hochtemperaturreaktoren. Damit schlägt man mehrere
Fliegen mit einer Klappe: man kann Prozess- und Heizwärme auskoppeln,
man kann Wasserstoff thermisch erzeugen, und nebenbei fällt noch
Strom ab. Und die Thorium-Vorräte reichen noch ziemlich lange.

> Ich denke alles im Allen hat Peak Oil noch eine viel tiefer Aussage
> als nur das Problem mit dem Öl.

Welche?

> Es mag zwar sein, dass mit den
> verscheidenen Alternativen/Ideen/Techniken viel Menschen noch sehr
> weit kommen werde. Aber nicht alle.

Welche nicht? Und warum?

> Wie ich meine ist einfach eine
> Kopfzahl auf der Erde erreicht, die längerfristig nicht mehr
> vernünftig durchzubringen ist.

Was ist "längerfristig"? "In the long run, we are all dead."

> Sprich ohne, dass sehr nachhaltig
> Lebensräume zersört werden, sauberes Wasser knapp wird, der Boden
> endgültig ausgelaugt und unfruchtbar wird.

Die Geschichte von der Wasserknappheit, den ausgelaugten Böden und
den nachhaltig zerstörten Lebensräumen höre ich jetzt schon seit
Jahrzehnten. Für die wohlhabenden Regionen der Erde ist eher die
entgegengesetzte Richtung zu sehen. Nachdem viele ärmere Regionen
starkes Wohlstandswachstum zu verzeichnen haben, wird dort eine
ähnliche Entwicklung einsetzen.

> Denn eigentlich hat ja
> auch nur das Öl die Möglichkeit eröffnet, dass die Menschheit so
> explosionsartig gewachsen ist (und dabei so viel kaputt machen
> konnte).

Inwiefern? Und wird dann mit dem Ende des Öls automatisch nicht mehr
so viel kaputtgemacht?

> Da bleibt also die Frage, wie viel Mensch die Erde
> verkraften kann.

Keine Ahnung. Bisher läufts doch prima.

Steffen

Bewerten
- +
Ansicht umschalten