"Dort machen Unionspolitiker mit immer radikaleren Forderungen auf sich aufmerksam, der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) zum Beispiel. Strobl fordert nach dem Freiburger Mordfall, der allen Indizien nach von einem afghanischen Flüchtling begangen wurde, eine "standardmäßige Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens" von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen."
Worum geht es? Das Alter von Minderjährigen festzustellen, da man sonst rein auf die Aussage dieser Minderjähriger angewiesen wäre. Das hat jetzt inhaltlich eigentlich mit dem Freiburger Mordfall nicht wirklich groß was zu tun - das war nur der Auslöser - aber das hält TP natürlich nicht davon ab, beides in einen einzigen Satz zu packen, als würde das Wissen über das Alter irgendwelche Morde verhindern können.
Und natürlich ist das jetzt "immer radikaler". Ist das so? Strobl ist Innenminister. Was für Töne Innenminister anschlagen, ist eigentlich seit Jahrzehnten bekannt. Eine Bewertung seiner Aussage muss diesen Kontext berücksichtigen: Da kommen so manche "radikale" Forderungen. Aber ignorieren wir das mal und fragen: Ist es überhaupt radikal? Sämtliche Flüchtlinge werden erkennungsdienstlich behandelt, so wie man das bei Verbrechern macht. Und nun möchte ein Herr Strobel bei Minderjährigen, die alleine reisen, das Alter medizinisch feststellen lassen. Das soll jetzt irgendwie "radikal" sein? Die Flüchtlinge werden erkennungsdienstlich behandelt, mit Fingerabdrücke wie bei Verbrechern, aber von manchen jetzt die Altersangabe zu prüfen, das sei jetzt irgendwie "radikal"?
Ach lustig:
"Seither haben Merkel und ihre Partei einen anderen Kurs eingeschlagen. In manchen Aspekten gehen sie dabei auch über rechtliche Vorgaben hinaus, wie sich an Urteilen von Gerichten zeigt. Wo die Bundesregierung darauf entschied, dass Asylbewerbern nur der "eingeschränkte, subsidiäre Schutzstatus" zugesprochen werden soll, waren Gerichte anderer Auffassung."
Der Kontext: Pegida und AfD passt es nicht, dass die Kanzlerin dem Flüchtlingsstrom keine Riegel - ähm Zaun - vorschiebt. Der landesweite Aufschrei ist groß, und plötzlich entdecken viele Konservative ihre Liebe zum deutschen Konformismus und ihren Hass auf Menschen anderer Kultur und Hautfarbe. Merkel wird massiv angegriffen. Die CSU fällt von ihrem Glauben ab und auch von den bisherigen Prinzipien der Regierungspolitik. Die CDU bekommt Panik bei all den Menschen, die plötzlich nicht mehr CDU wählen wollen, und kritisiert Merkel. Welche sich daraufhin auf Grund des allgemeinen Drucks unter Zugzwang sieht und die Regierung daraufhin den Status für Flüchtlinge verändert.
Was macht Telepolis daraus? Tut so, als sei dies eine große Idee von Merkel gewesen. Lustig in diesem Zusammenhang: Auf der einen Seite wird Merkel für ihre Politik kritisiert. Dass die Regierung dann ihre Haltung gemäß dieser Kritik neu ausrichtet, wird jedoch nicht etwa beklatscht, sondern erneut Anlass zur Kritik genommen. Lustigerweise bestätigen dabei die Gerichte den ursprünglichen Kurs, in dem sie den subsidiären Schutz für nicht ausreichend erachten - was lustigerweise jedoch keinerlei Kritik hervor ruft bei unseren Kritikern.
Was uns wieder zu dem Punkt bringt: Um die Sache geht es bei all dieser Kritik an Merkel und der Regierung schon lange nicht mehr, ging es vermutlich noch nie. Es ist Mode, Merkel anzugreifen, und alle laufen willfähig mit. Gerne auch mit Populisten, wie wir im eigenen Land und auch den Nachbarländern sehen können. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Für einen ganz erheblichen Teil der Menschen ist vollkommen egal, was unsere Regierung macht, und was sie nicht macht. Sie hat sich ihre Meinung schon gebildet, und lässt sich da auch von Fakten nicht weiter beeinflussen. Der eigentliche Skandal an der ganzen Angelegenheit ist daher nicht etwa, dass irgendwelche Flüchtlinge ins Land kommen, oder irgendwelche Populisten für ihre Polemik scharf angegriffen werden. Der eigentliche Skandal ist, dass man sich ein Weltbild zurecht zimmert, welches von subjektivem Empfinden geprägt ist, es nicht mehr mit der Realität abgleicht und man somit abseits jeglicher Fakten agiert. Wenn man berücksichtigt, welch hohen Bildungsstand wir erreicht haben, welch besten Zugang zu Informationen ein jeder Mensch heute besitzt, und wie lange die Zeit der Aufklärung eigentlich schon vorbei ist, kann man sowas wirklich nur als Skandal werten.