Yannik Mueller schrieb am 01.08.2023 06:49:
Es fehlen keine Arbeitskräfte, sondern die Arbeit will einfach keiner machen.
Also fehlen doch Arbeitskräfte? Wird jedenfalls immerzu behauptet, dass es an Fachkräften fehlt. Wenn wir von Work-Life-Balance reden, dann müssen Wohnort und Pendelzeiten mit berücksichtigt werden, ob und wo Arbeitskräfte fehlen. Und da kann es durchaus sein, dass es je nach Region eben ein Überangebot oder einen Mangel an erwerbsfähigen Menschen gibt.
Butter bei die Fische: wenn keiner die Arbeit machen will, dann, weil auf Jahre hinaus Verschleiß gefahren wurde bei gleichzeitigem Lohndumping und Beschimpfung der Betroffenen. Mehr als ein feuchter Händedruck war 2021 nicht drin für die "Helden im Pflegebereich" - schon gar nicht mehr Geld für den Knochenjob. Und 2022 gab's den Stiefel für die Helden, die sich nicht haben impfen lassen wollen. Vom Helden zum Pariah in 12 Monaten. Ergo: "will keiner machen".
Lokführer dürften sich dagegen Vorwürfe in Sachen "Unpünktlichkeit" machen lassen, dabei sind sie die letzten, die Verantwortung tragen, wenn der Zug verspätet am Bahnsteig einrollt: die Gleise sind halt teils runtergenudelt, teils ist das so genannte "Rollmaterial" schlichtweg veraltet und unzuverlässig. Der Mangel an Personal und Material wird nicht im Führerstand der E-Lok ausgeglichen oder verursacht, sondern bei den Zahlenschiebern im Management. Und wenn die Lokführer streiken, weil sie angemessen bezahlt werden wollen, schreiben die Gazetten die Lokführergewerkschaft in die Hölle, weil, was erdreisten sich die Arbeitnehmer, mehr Geld zu fordern und sich gar zu organisieren? Das geht halt so nicht.
Letztendlich will keiner den Job machen, wenn die Bezahlung nicht stimmt, aber jeder drüber meckert. Gleiches im Handwerk. Knochenjob, miese Bezahlung. Bäcker will kaum wer werden, weil "mitten in der Nacht aufstehen". Extra Bezahlung gibt's nicht für die branchenüblichen Nachtschichten. Metzger will auch keiner machen - wer will schon sagen, er tötet Tiere zum Lebensunterhalt in einer Gesellschaft, wo kein Stück Fleisch mehr verzehrt werden kann, ohne dass der Genießer tierischer Produkte sich gegenüber dem ebenfalls am Tisch sitzenden Veganer rechtfertigen muss? Die Attraktivität eines Jobs wird halt über viele Faktoren bestimmt und Gehalt ist nur einer davon. Anerkennung gehört da genauso dazu, dass bestimmte Jobs einfach gemacht werden müssen. Und das Arbeitsumfeld ist halt auch noch wichtig, die Arbeitsbedingungen, eben einfach alles.
Solange der Werbefachmann einen besseren Leumund hat als der Metzger, solange der Betriebswirt mehr Geld einbringt als der Lokführer, solange der Bandarbeiter (IG-Metall) bessere Schichtmodelle vorgesetzt bekommt als die Pflegekraft, gehen die Leute eben lieber in die Werbeindustrie, werden lieber Betriebswirtschaftler oder arbeiten am Band bei Liebherr ...