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  • Klaus N

mehr als 1000 Beiträge seit 28.09.2004

Ursachen des Matthäus-Effekts

NeoDemokrat schrieb am 16.06.2020 14:03:

Siehste, schon der erste Denkfehler. Grosse Vermögen wachsen tendenziell langsamer, jedenfalls prozentual, als kleine. Dass Dir was falsches vorher schon klar war, und Pikettz Dich darin bestätigt ist kein Ruhmesblatt für Euch beide.

Der flapsige Ton klingt etwas hochnäsig. Sorry. Deshalb:

Ja stimmt. Ich war verärgert, und habe schärfer formuliert als nötig war. Kein Ruhmesblatt für mich, und ich bitte um Entschuldigung. Auch weil's bei der Diskussion nicht hilft.

Dein Denkfehler besteht darin, einzelne Beispiele zu suchen und daraus eine Regel zu machen. Da muss ich jetzt mal die Hände über den Kopf zusammenschlagen.

Nein, das Ziel war, Gegenbeispiele gegen die pauschale Annahme von Piketty zu nehmen, dass grosse Vermögen schneller wachsen als kleine.

Aber du bist ja so viel intelligenter als Piketty und hast jahrelang nichts anderes als Analysen gemacht.

Nun, ich setze mich tatsächlich schon seit längerem mit dem Thema auseinander, jedenfalls schon lange bevor Piketty veröffentlicht hat.

Wenn jemand 1.000.000 hat und davon leben will dann wird er einen Teil der Rendite für den Lebensunterhalt verwenden müssen.

Ja, das ist richtig und wichtig, auch wenn Du unterstellst, dass die Menschen von ihrer Rendite leben müssen/wollen. Das kommt für Pensionäre oder Nichtstuer in Frage, aber die meisten Menschen mit Vermögen haben auch zusätzlich einen Job, der nicht nur für ihren Lebensunterhalt reicht, sondern ihnen sogar ermöglicht, das Vermögen durch zusätzliches Sparen und die Wiederanlage der Rendite zu erhöhen. Für die wirklich richtig Reichen, aber das ist nur ein kleiner Teil der Menschen ist dann wiederum das Arbeitseinkommen sehr viel kleiner im Vergleich zur Rendite.

Also, kein grundsätzlicher Dissens, nur ein paar relativierende Aspekte.

Jemand der das 10 oder 100-fache hat, kann besser streuen und Risiken minimieren und wenn er kein Verschwender ist braucht er einen viel geringeren Prozentsatz der Rendite für seinen Lebensunterhalt.

Die Risikostreuung ist eine Halbwahrheit, die Dir dumme Menschen und Anlageberater auftischen. Die Anlageberater erzählen Dir das, weil sie dadurch mehr Provision kassieren können.

Richtig reich wird man, indem man sich darauf fokussiert, womit man sich auskennt, und sich nicht verzettelt. Noch mal das Beispiel JB, aber man kann genau so gut jeden anderen Unternehmer nehmen. 90% des Vermögens stecken in der eigenen Firma.

Aber wie gesagt, es ist nur eine Halbwahrheit. Wenn es darum geht, Dein Vermögen zu erhalten, dann stimmt es wieder. Dann ist Risikostreuung angebracht, auch wenn sie zu geringerer Rendite führt.

Wer mit 1.000.000 zu einem Finanzberater kommt bekommt bessere Renditen als jemand der mit 100.000 kommt.

Naja. Er bezahlt, eventuell, geringere Gebühren, und das kann durchaus mal einen Prozentpunkt höhere Rendite ausmachen. Im allgemeinen wird der Wert von Finanzberatern aber überschätzt. Vgl. auch das schöne und alte Buch "Where are the Customer's Yachts" dass eben genau beobachtet, dass die Finanzberater nicht primär daran interessiert sind, ihre Kunden reich zu machen (auch wenn sie das Gegenteil beteuern).

Übrigens, wenn es stimmen würde, das grössere Kapitalien automatisch höhere Renditen erzielen, dann müssten ja Blackrock der rentabelste Investor der Welt sein.

Schaun mer mal:
https://www.macrotrends.net/stocks/charts/BLK/blackrock/roa

ROA ist der Return on assets, also die prozentuale Verzinsung des Kapitals.
Aus der Tabelle die unten steht siehst Du relativ deutlich, dass sie hohe Renditen erzielten, als ihr Kapital noch sehr klein war (also unter 2 Milliarden bis September 2006, sehr wenig für einen institutionellen Anleger) und je grösser sie wurden, desto geringer wurde die Rendite, und liegt jetzt bei 1 bis 2%. Also noch nicht mal Inflationsausgleich.

Bei Versicherungen (ebenso grosse Kapitalanleger) und beim norwegischen Staatsfonds sieht die Situation soweit ich weiss nicht wesentlich anders aus.

Fussnote: Versicherungen und Riesenfonds machen zwar einen grossen Anteil des angelegten Vermögens aus, ob sie aber tatsächlich zur Vermögensungleichheit beitragen, ist fraglich. Norwegen verteilt die Ergebnisse an die Bevölkerung um (über Renten, soweit ich weiss), Auch das Kapital der Versicherungen kommt Millionen von Versicherten zugute. Selbst Blackrock (die ja böse™ sind) ist nicht ganz klar, inwieweit die Ergebnisse Kleinanlegern oder Plutokraten zuguten kommen.

(Hängt natürlich auch mit Finanzkrise und Niedrigzins zusammen)

Also, Zwischenfazit: ja, der Matthäuseffekt existiert, aber seine Ursache liegt in der höheren Sparquote bei grossen Vermögen aber vermutlich nicht an einem Zusammenhang zwischen Vermögensgrösse und Rendite.

Und wenn ich jetzt noch mal ganz entspannt nachdenke, dann liegt genau in dieser Annahme (grössere Vermögen bekommen höhere Rendite) mein eigentlicher Grund, warum mich Piketty ärgert und ich verärgert auf Dich reagiert habe.

Dass die Vermögen wachsen, dass sie ungleich verteilt sind und dass Vermögenseinkommen ebenso ungleich verteilt sind und dass daraus eine immer ungleichere Einkommensverteilung resultiert, das wusste man (ich auch) schon vor Piketty, aber Piketty hat es noch mal mit längerfristigen Statistiken untermauert.

Mit anderen Worten, wir haben eigentlich von vornherein nur an einem Punkt wirklichen Dissens, aber das war uns wahrscheinlich beiden bisher nicht klar.

.. kommt drauf an, wie er investiert.

Ja sicher wird es immer Ausnahmen geben in beide Richtungen.
Man kann in Startup investieren und Millionen machen oder verlieren.

Ja, wobei ich von unternehmerischer Tätigkeit als Reichtumsquelle sprach, nicht von Investitionen. Macht für mich einen Unterschied.

Bei Piketty geht es um Statistik und Analysen. Kann man verstehen, muss man aber nicht, wenn man aus ideologischen Gründen nicht will.

Ich gebe gern zu, dass ich aus "ideologischen" Gründen eher motiviert bin, das Haar in der Suppe und die Fehlschlüsse bei der Interpretation seiner Daten und Analysen zu suchen. Dass ich aber seine Statistik und Analysen und seine Zielsetzung nicht verstehe, das möchte ich dann doch zurückweisen.

Die Aussage von Piketty gefällt Dir vermutlich, weil sie etwas bestätigt, was Du schon vorher wusstest. Das bedeutet, jedenfalls wenn Du so tickst, wie die meisten Menschen, dazu geneigt bist, Gegenargumente und Kritik eher als wenig stichhaltig empfindest.

Nennt sich motivated reasoning.
https://de.wikipedia.org/wiki/Motivated_Reasoning

Deswegen ist es ja gerade wichtig, dass Leute mit unterschiedlichen "Ideologien" miteinander reden. Was wir hier versucht haben.

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