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  • Klaus N

mehr als 1000 Beiträge seit 28.09.2004

Re: Ursachen des Matthäus-Effekts

NeoDemokrat schrieb am 16.06.2020 20:28:

Erst mal danke für die ausführliche Antwort.

Es wird gleich noch ausführlicher, weil ich auch aus eigener Neugier etwas recherchiere. Und eh ich das in meinem Ordner "geheime Notizen zu meinem Plan der Weltherrschaft" ablege, kann ich's ja auch hier posten.


JB und Amazon war lange ein Sonderfall. Das Unternehmen hat ja bis vor kurzem keinen Gewinn gemacht und erst mit AWS macht Amazon nun auch Gewinn.

Der Spezialfall reich ohne Gewinn ist eigentlich für das Argument nicht entscheidend(*).
Die grossen Wachstumsraten des Vermögens findest Du auch bei anderen erfolgreichen Unternehmen die innerhalb einer Generation (oder zumindest während der Karriere des Gründers) von winzig zu Giganten wurden. Die Albrechts haben mit einem Tante-Emma-Laden angefangen. Ingvar Kamprad ähnlich klein, eigentlich noch kleiner. Rockefeller kam aus einer armen Familie und fing als Hilfsbuchhalter an.

Ich gucke gerade die Liste durch, wie denn die anderen "Tycoons" angefangen haben.
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_richest_Americans_in_history#CNN_Money_(2014)
Aus kleinen Verhältnissen kamen:
Rockefeller (siehe oben)
Andrew Carnegie
John Jacob Astor (Deutscher, in die USA ausgewandert, Sohn eines Metzgers)
Cornelius Vanderbilt (Vater hatte eine Fähre, CV ging nur bis 11 zur Schule)
A.T. Stewart (kam mit 15 alleine in den USA mit 500 selbst gesparten Dollar an)
Weyerhäuser (Sohn eines Kleinbauern)
Jay Gould (Bauernsohn, als er kein Bauer werden wollte, hat ihn der Vater mit 50 cent und einem Kleidersack vor der Schule ab- oder besser ausgesetzt.
Marshall Field (Bauernsohn)
Sam Walton (Farmerssohn, hat umgesattelt, weil er von der Farm keine Familie ernähren konnte)

Mittelschicht:
Henry Ford (Sohn eines wohlhabenden Bauern, konnte nur die Dorfschule besuchen)
Stephen Girard (Sohn eines Kapitäns)

Oberschicht:
Bill Gates (Vater prominenter Anwalt)
Warren Buffett (Vater Senator, Buffett studierte an der Columbia, erstes Gehalt nach heutiger Kaufkraft etwas unter 10.000 Dollar im Monat). Hatte (wieder nach heutiger Kaufkraft Ersparnisse von 1,6 Millionen Dollar als er sich als Investor selbständig machte)

Steinreiche Erben:
William Henry Vanderbilt

Das Argument, dass die meisten davon ihr Geld im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gemacht haben ist natürlich richtig, aber der Kernpunkt ist ja: Muss man, um obszön reich zu werden, fett geerbt haben und zur Elite gehören? Offenbar nicht, im Gegenteil,um zu einem der reichsten Männer (ja, es sind alles weisse Männer) zu werden, scheint es eher zu helfen, mit wenig anzufangen.

Aber das Argument mit: früher ging das noch ist wie gesagt wichtig, deswegen gucken wir zumindest noch mal auf die noch lebenden, bzw. auf diejenigen, die nicht mehr auf den ungeregelten Raubtierkapitalismis setzen konnten:

also:
ich nehme 1 bis 20 der Forbes Rich List und ignoriere die Chinesen, weil ich zu wenig über China weiss.

Jeff Bezos, Bill Gates und Warren Buffett hatten wir ja schon.
Bernard Arnault: wohl Oberschicht, oder zumindest Merz'sche Mittelschicht.
Larry Ellison: untere Mittelschicht, uneheliches Kind, keine Elite-Uni.

Jim, Rob und Alice Walton: steinreiche Erben, aber Sam ist ja auch nicht lange tot. Meine Prognose: die werden in den nächsten zehn Jahren um die 30 Plätze zurückfallen.
Andererseits, schön zu sehen, dass es die Waltons doch zu was gebracht haben. (Sorry, den konnte ich mir nicht verkneifen).
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Waltons

Arnancio Ortega: Sohn eines Bahnangestellten. Untere Mittelschicht.
Mark Zuckerberg: Zahnarztsohn. Mittelschicht. War in Harvard.
Steve Ballmer: obere Mittelschicht. Kein Hinweis auf Vermögen der Eltern. Harvard.
Francoise Bettencourt. Erbin. Das Vermögen stammt aus l'Oréal, gegründet vom Grossvater, Bäckerssohn.
Michael Bloomberg: unter Mittelschicht. Vater war Buchhalter. Harvard und Johns Hopkins. (Respekt.)
Die Koch Geschwister: Tja, was soll ich sagen. Ererbtes Geld und unsympathische politische Aktivitäten.

Also mein Fazit: superreich zu erben ist zwar nett und ungerecht.
Aber um die superreichen zu überholen, hilft es mehr, aus der Mittelschicht zu kommen und mit nahe 0 anzufangen. Ein guter Abschluss hilft, ist aber nicht Bedingung.

Ist dieses Fazit wirklich nur auf Ideologie zurückzuführen, oder dass ich mich für schlauer halte als Piketty? Gegenargumente, Hinweise auf Denkfehler sind willkommen.

Ach, und um ein Gegenargument vorwegzunehmen, was mir selbst eingefallen ist. Nicht jeder Superreiche steht auf der Rich List. Und diejenigen die viel geerbt haben verstecken ihren Reichtum besonders gut. Allerdings weiss keiner von uns, wie gross der Effekt ist.

Wenn jemand mit 25 Jahren anfängt Vermögen zu bilden und investiert jährlich 1000 Euro dann hat er nach 40 Jahren wieviel.

Wenn jemand 20.000 vererbt bekommt und bekommt 5% Rendite und investiert ab 25 auch 1000 jährlich wieviel hat der mit 65?

Oh gut, Finanzmathematik. Erst mal müssen wir natürlich von gleichen Voraussetzungen ausgehen. Auch derjenige, der kein Startkapital hat, wird eine Rendite von 5% auf seine Ersparnis erzielen. Und wir tun vereinfach so, als wären die 5% die Rendite nach Steuern.

Aber eigentlich ist die Berechnung einfach. Der Unterschied ist 20.000 x 1,05^40.
Also 140.000 mehr (Bei jeweils Wiederanlage der Zinsen)

Aus dem Ersparten haben beide jeweils 40.000 plus die Zinsen auf das Ersparte. Der durchschnittliche Bestand dieses Sparbuchs ist 20.000

Drei Aspekte daran sind nicht ganz wirklichkeitsnah.
a) 5% nach Steuern ist keine risikolose Rendite. 2% wären realistischer.
b) 140.000 Unterschied nach Steuern reduziert sich bei einer jährlichen Inflation von 2% kaufkraftbereinigt auf 65.000. Immer noch schön, und ich nähme sie gerne.
c) das wahrscheinlichere Vorgehen von jemand, der mit 25 Jahren 20.000 Euro erbt ist, dass er noch 10.000 Kredit aufnimmt und sich ein um 3 Nummern grösseres Auto kauft. Nach meiner unmassgeblichen Lebenserfahrung.

Um diese Geschichte jetzt mit der Geschichte von den Superreichen in Verbindung zu bringen, kann man sie ja ein bisschen variieren.

Der erste (nennen wir ihn A) hat nix geerbt, hat aber die Idee, etwas entsprechendes zu Amazon aufzubauen. Er braucht 20.000 Startkapital.

Er geht zum zweiten (B) und fragt ihn, ob er sich beteiligen will. Der sagt nee, weil er Angst hat das "mühsam ererbte" zu riskieren. er gibt aber A ein Darlehen zu 6%, rückzahlbar nach 40 Jahren. Gutes Geschäft, weil höhere Rendite. Er kann also nach 40 Jahren 200.000 Euro erwarten.

A gründet das Geschäft und der Erfolg ist vergleichbar, wie der mit einer Amazon-Aktie. Kurs 2002: 7 USD
Kurs 2020 (heute) also nach nur 18 Jahren. 2.600 Dollar. Faktor 370. 7,4 Millionen.

(*) weil es aber interessant ist, hier der Grund, warum Amazon lange keinen Gewinn gemacht hat: Bezos sagte, jeder Euro, den ich heute in die Weiterentwicklung von Amazon stecken kann, ist in naher Zukunft mindestens 10 Euro wert. Also macht es Sinn, so viel wie möglich zu investieren, auch auf Kosten heutigen Gewinns.

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