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  • microB

mehr als 1000 Beiträge seit 14.04.2000

Militarisierungswahn

Er teile die Einschätzung, dass Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) künftig die Untergrenze sein sollten, sagte er laut einem dpa-Bericht am Mittwoch am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. "Sich allein dem Zwei-Prozent-Ziel annähern zu wollen, wird nicht reichen", betonte er. "Das muss die Basis sein für alles Weitere."

2% vom BSP ist eine irreführende Beschönigung dessen, was da beschlossen und mit 100+ Mrd Euro herbeigezaubertem Geld auch noch aufgestockt wurde.
Das BSP der Bundesrepublik betrug 2022 ca. 3860 Mrd Euro (Statista). 2% davon sind 76 Mrd Euro.

Die eigentlich relevante Bezugsgröße, auf die auch die Budgets aller anderen Ministerien bezogen werden, ist nicht das BSP, sondern der Bundeshaushalt in Höhe von ca. 480 Mrd Euro.
https://www.bundeshaushalt.de/DE/Bundeshaushalt-digital/bundeshaushalt-digital.html

Bleibt man also im üblichen Bezugsrahmen, beansprucht ein Verteidigungshaushalt von 76 Mrd Euro rund 16% des Bundeshaushalts - nach Pistorius *die Basis für alles Weitere.*
Nur zum Vergleich dazu die Budgets einiger anderer Resorts:

Gesundheit: 24,5 Mrd Euro (5,1 % des Bundeshaushalts, 0,6% des BSP)
Bildung: 21,4 Mrd Euro (4,5 % des Bundeshaushalts, 0,55% des BSP)
Wirtschaft und Klima 14,6 Mrd Euro (3% des Bundeshaushalts, 0,37% des BSP)
Umweltschutz 2,45 Mrd Euor (0,5% des Bundeshaushalts, 0,06% des BSP)

Nur das Sozialbudget liegt mit 166 Mrd Euro deutlich über dem Verteidigungsbudget. Die beiden größten Posten (Rente und Grundsicherung, Leistungen nach SGB) machen zusammen mehr als 98% dieses Budgets aus. Das ist nur etwas mehr als doppelt soviel wie jetzt in die überdimensionierten Knallfrösche investiert werden soll. Und dient bis auf den letzten Groschen ausschließlich dazu, allen Mitgliedern dieses Staates ein menschenwürdiges Auskommen zu finanzieren.
Man stelle sich vor, was man mit diesen irrwitzigen Summen, die jetzt in den Kauf von Waffen gepumpt werden, Sinnvolles finanzieren könnte. Hinzu kommt, dass die Waffen zu großen Anteilen nicht mal bei uns produziert (!) werden. Das Geld ist einfach weg.

Gleichzeitig macht die Forderung nach einer Dienstpflicht klar, dass Pistorius durch den Einsatz (fast) unbezahlter Dienstverpflichteter an die Budgets der anderen Resorts ran will: Statt bezahlter, professioneller Kräfte zwangsverpflichtete Hilfskräfte.

Ich war immer gegen die Abschaffung der Wehrpflicht.
Nichts macht friedfertiger als die Perspektive, selbst ins Feuer zu müssen und die Wirkung des Schießgeräts mal selbst gesehen und erlebt zu haben. Ich glaube nicht, dass diese bellizistischen Orgien viel Anklang finden würden, wenn die grünen Sofa-Generäle beim jetzigen Sauwetter mal 2-3 Wochen beim Bund mit feuchten Klamotten ohne festes Dach in Wald und Flur verbracht hätten. Und wenn sie mal gesehen hätten, wie das ist, wenn so ein Panzer oder eine Haubitze mit Karacho auf dich zufährt. Oder dass es mit einer modernen Waffe praktisch unmöglich ist, an seinem Ziel vorbeizuschießen.
Mir haben diese Erfahrungen als Wehrpflichtiger gereicht, um eine ziemlich lebhafte Vorstellung davon zu entwicklen, was mich im Einsatz erwarten würde. Mit heroischem Hollywood hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Und noch was:
Ich werde bei der nächsten Wahl mein Kreuzchen NUR bei einer Partei machen, die ohne Wenn und Aber für Deeskalation, eine friedliche Lösung und das Zurückfahren der Rüstungsausgaben eintritt. Die Sprüche, die Eskalationsdynamik, die Feindbildrhetorik, der Waffenwahn, die Dominanz- und Weltherrschaftsfantasien - alles kommt mir vor wie in den Schilderungen der Zeit um 1914. Selbst die scheinbar so zwingende Logik, dass Nachgeben Unterwerfung bedeuten würde (warum eigentlich?).

Wir haben einen Sack voll existenbedrohender Probleme und haben doch nichts besseres zu tun, als uns "ums Rechthaben" die Köpfe einzuschlagen?
Geht's noch?

microB

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