Hmm, ich teile Ihre Einschätzungen - bis auf eine: die "haushohe Überlegenheit der NATO".
Die USA sind völlig überschuldet. Ihre Armeen sind über den Globus als Garnisionstruppen verteilt und stellen eine bedeutende Belastung für den Haushalt bei. Es wird Monate dauern, diese Truppen zu mobilisieren, zugleich würde überall dort, wo die Truppe abgezogen wird, ein ähnliches Machtvakuum wie in Afghanistan hinterbleiben, welches sofort von paramilitärischen Gruppierungen ausgefüllt würde.
Es ist der USA überhaupt nicht möglich, innerhalb so kurzer Zeit ihre Armeen marschbereit gegen Russland zu machen, zumal ja auch noch mit dem Eingreifen Chinas zu rechnen ist.
In Europa sehen wir seit zwei Jahren, wie sich die Verhältnisse auswirken: die Europa-NATO ist ohne die USA in der Hinterhand nur sehr bedingt einsatzfähig. Die Unterstützung der Ukraine hat zwar den Krieg in die Länge gezogen, aber nicht im Sinne der Ukraine wenden können. Russland kann noch auf Reserven zurückgreifen, ohne weiter zu mobilisieren, ganz anders als die Ukraine. Dazu kommt der massive Bevölkerungsverlust durch Flucht, Okkupation oder Kriegseinwirkung, der die Ukraine schwächt.
Nicht nur die Ukraine ist völlig überschuldet, sondern auch die EU (die fast synonym für die NATO in Europa steht) ist wirtschaftlich erheblich angeschlagen.
Der Waffengang hat zudem beiden Seiten (!) wertvolle Informationen über den jeweils gegnerischen Stand der Technik geliefert: Russland ist eben kein Drittweltstaat, sondern mit ebenbürtigen Waffensystemen ausgestattet. Eine asymmetrische Kriegsführung ist nicht oder nur sehr bedingt möglich, es würde also auf einen Landkrieg hinauslaufen, nicht unähnlich dem, was wir in der Ukraine beobachten.
Wenn man einfach die Fakten auf den Tisch legt, dann, ja, ist die NATO "überlegen". Aber nicht "haushoch" und schon gar nicht vom ersten Kriegstage an. Ausspielen kann sie diese Überlegenheit nicht: zunächst einmal wird dem russischen Geheimdienst nicht entgehen, wenn in Europa eine Mobilisierungswelle losgetreten wird - umgekehrt ist das ja auch nicht anders. Zunächst käme also zu einer Mobilisierung auf beiden Seiten. Und dann sei die Frage gestellt, welche Armee welches Territorium zuerst wie tief betritt und die Initiative erringt. Wie tief könnten also Russlands Armeen bzw. die NATO-Armeen vordringen, bevor die Front erstarrt und aus dem Bewegungskrieg ein Stellungskrieg wird (auch wieder: siehe Ukraine)? Wie tief lässt die jeweilige Kriegspartei den Gegner vorrücken, bis die Nuklaroption "zulässig" wird? Also wo ist die rote Linie für den Kreml, deren Übertreten nicht mehr geduldet wird? Wo liegt die der NATO?
Die Abschreckung funktioniert, weil beide Seiten wissen, dass ein solcher Waffengang gar nicht gewonnen werden kann. Bevor nämlich der Gegner besiegt wird, wird der rote Knopf interessant. Es wird dann gefährlich für die Menschheit, wenn eine der beiden Seiten meint, "doch gewinnen zu können" und das Risiko eingeht. Denn wie beendet man solch einen Krieg, der nicht gewonnen werden kann, außer mit Verhandlungen ODER einem nuklearen Schlagabtausch? Wenn man letzteres nicht will, warum verhandelt man nicht von Anfang an und verzichtet auf die Kriegserklärung?
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In der Hoffnung, die Moderation möge gnädig sein und diesen Beitrag nicht sperren/verschieben. Denn das Thema ist zu ernst, als dass ich mir hier Jux & Dollerei leisten möchte.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (27.09.2024 20:27).