Putin ist ein Verbrecher - genauso wie sämtliche US-Präsidenten seit Putins "Regentschaft". Ich finde diese Doppelmoral, die genau das ignoriert - und zwar mit Vorsatz - einfach unerträglich. Und ja, dieser Krieg hat eine Vorgeschichte und wäre selbstverständlich vermeidbar gewesen.
Dieses Geschrei über die angebliche Doppelmoral läuft ja auf eine Art Quartettspiel hinaus. Notfalls wird das unschlagbare "Hiroshima" auf den Tisch geknallt, das ist quasi der Ferrari mit 12 Zylindern und 550PS aus dem Autoquartett. Ich hätte da noch Katyn, den Holodomor, einen Afghanistan und zwei Tschetschenienkriege auf der Hand - aber bei Hiroshima muss ich passen. Touché.
Hat nur mit der konkreten Situation in der Ukraine absolut nichts zu tun. Russland droht mit seinen Atomwaffen und verschafft sich damit ganz konkrete militärische Vorteile. Russland bedroht dabei vor allem Nicht-Atomstaaten, die keine Möglichkeit zu einem Gegenschlag haben, so dass das Risiko für Russland selbst bei Null liegt. Das kann man für das selbstverschuldete Schicksal von atomwaffenfreien Staaten halten (hätten sich halt selbst atomar bewaffnen müssen und nicht den blumigen Versprechungen der Atommacht Russland vertrauen sollen) oder für eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Atomzeitalters, dass immer derjenige gewinnt, der am skrupellosesten und glaubwürdigsten droht.
Das finde ich alles noch logisch und nachvollziehbar. Man zieht sich vor blanker Gewalt quasi ehrenvoll zurück, so wie die CSSR sich 1968 entschied, sich nicht militärisch gegen den Einmarsch der WP-Truppen zu wehren, die den Prager Frühling brutal beendeten. Ein Nicht-Atomstaat ist gegenüber einer Atom-Supermacht praktisch immer so eine Art CSSR, egal wie die sonstigen militärischen Kräfteverhältnisse sind, so in etwa die Argumentation. Das ist nicht gerecht, aber eben nicht zu ändern. Ein Atomkrieg muss eben unter allen Umständen vermieden werden.
Wo mein Verständnis endet ist bei der Täter - Opfer Umkehr. In diesem ganzen BSW-Sprech kommt die russische Aggression, wenn überhaupt, maximal noch als Pflicht-Disclaimer im Kleingedruckten auf der letzten Seite vor. Schuld an allem ist der Westen (allen voran die USA), weil er mit seiner Waffenhilfe die Ukraine zwingt, bis zum eigenen Untergang zu kämpfen, anstatt ihr ein schnelles, fast schmerzloses Ende zu ermöglichen. Das ist so eine Art Euthanasie-Debatte, allerdings in der Form, dass man dem Mörder gleich auch noch die fürsorgliche Sterbebegleitung und das Erbe überlässt. Das ist genauso verdreht und verlogen wie es klingt.
Logisch und nachvollziehbar (wenn auch nicht sonderlich schmeichelhaft) ist hingegen das Argument, der Krieg sei zu teuer und die Ukraine nicht wichtig genug, um sie mit so großem Einsatz zu verteidigen. Man solle die Ukraine fallenlassen und sich die wirtschaftlichen Vorteile einer engen Kooperation mit Russland, z.B. das angeblich so billige Gas, zurückholen. Richtig brechreizerregend ist hingegen die Rechtfertigung dieses Hemd-näher-als-die- Hose-Arguments mit Ukraine-Bashing, also Abwertungen in der Art, das sei ja keine richtige Demokratie, ein Nazistaat, sei nicht nett zu Wehrdienstverweigerern, benenne seine Straßen nach den falschen Leuten oder schränke das Erscheinen von russischsprachigen Publikationen ein (so etwas würde Russland natürlich nie tun) - ergo sollten die Ukrainer froh sein, wenn die Russen in ihren Staat endlich mal auf Vordermann bringen und sie einen richtigen Präsidenten bekämen und keinen Komiker. Mehr Putin und weniger Ampel am besten auch für Deutschland!
Eigentlich geht's aber nur um die eigene Gasrechnung.