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  • Goerlitzer

mehr als 1000 Beiträge seit 30.11.2007

Die PiS kann kein eigenes Machtmonopol aufbauen,nur das neoliberale durchbrechen

In Polen stehen sich antagonistisch zwei politische Lager gegenüber, was für Menschen in Deutschland mit seiner Konsens-Demokratie bzw. seinen partei-übergreifenden Seilschaften mitunter schwer nachzuvollziehen ist. PiS & Co repräsentieren so etwas wie einen nationalistisch-staatsinterventionistisch-sozialstaatlich orientierten Weg des Kapitalismus, das Tusk-Lager den neoliberalen, an die Bedürfnissen der europäischen Industrie- und Finanzelite angelegten Pfad.

Als die PiS bei den Wahlen Ende 2015 die Mehrheit im Sejm erlangte, war klar: Gewählt werden ist eine Sache, die Macht haben, eine andere. Zwei Bereiche rückten in diesem Zusammenhang für die PiS wie für ihre Gegner sofort in den Fokus: Medien und Justiz.

Bei den Medien hatte es die PiS im TV wie im Print-Bereich mit einem weitgehend geschlossenen Block gegnerischer, zu grossen Teilen vom Ausland gesteuerter Medien zu tun. Ca. 75 % aller Tageszeitungen werden von der zur "Passauer Verlagsgruppe" gehörenden Polskapress herausgegeben. Der einflussreichste Medienkonzern Polens mit zahlreichen Zeitungen, Zeitschriften und dem wichtigsten Internet-Nachrichtenportal ist Springer-Ringier. Die beiden privaten TV-Sender mit Vollprogramm, Polsat und TVN, stehen bis heute zur PiS in unverkennbarer Opposition. Ein Beispiel für den Machtanspruch der neoliberen Fraktion im Medienbereich war der Verlegerwechsel bei der "meinungsbildenden" Rczeczpospolita, die auf Vermittlung von Regierungssprecher Grass 2012 dem Tusk-nahen Verleger Hajdarowicz unterstellt wurde. Die nationalkonservativen Medien, auch die der klerikal-nationalistischen Gruppe um den Toruner Pater Rydzyk, waren und sind nicht zuletzt aufgrund fehlender Anzeigeneinnahmen und und geringer Auflagen eher randständig.

Nicht ohne Machtinstinkt unterstellte die regierende PiS den Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen TVP und Polskie Radio, in dem sie während der Tusk-Zeit nicht vertreten war, dem Kultusministerium und nimmt nun Einfluss auf das Programm. Bei TVP ist der PiS-Einfluss inzwischen deutlich zu spüren, bei Polskie Radio mit seinen vielen Regionalsendern nicht unbedingt.

Im Bereich der Justiz galt es aus Sicht der PiS insbesondere zu verhindern, dass aus dem Verfassungsgericht, ähnlich wie in ihrer ersten Amtszeit, so etwas wie eine dritte Parlamentskammer wird. Die Befürchtung war nicht unbegründet, denn im Sommer 2015 hatte das Tusk-Lager das Gesetz über die Wahl der Verfassungsrichter manipuliert, wodurch zwei entscheidende Richterstellen noch vom alten und nicht von dem, voraussehbar von der PiS beherrschten neuen Sejm gewählt werden sollten. Die PiS bzw. "ihr" Präsident Duda nutzten diesen fragwürdigen Vorgang zu einer eigenen Trickserei. Sie erklärten nicht nur die Wahl dieser beiden Richter, sondern auch die gleichzeitige Wahl von 3 ordnungsgemäss nach Amtszeitablauf vom alten Sejm gewählten Richter als rechtsungültig.

Im aktuellen Streit um den Richterwahlausschuss, in Polen Landesrichterrat (KRS), geht es darum, ob dessen Mitglieder wie bislang immer wieder selbst für ihre Nachfolger sorgen oder ob das Parlament, ähnlich wie in Deutschland, mit 3/5 Mehrheit den KRS wählen soll. Dazu muss man wissen, dass die Justiz in Polen ein sehr schlechtes Ansehen hat und im Verdacht steht, viele der jetzt erst bekannt werdenden "krummen Geschäfte" von Oligarchen und politischer Klasse gedeckt zu haben.

Politisch und international relevante Justizskandale hat es in Polen im übrigen schon vor der PiS-Zeit gegeben. Dazu gehört sicher die Ausschaltung von Andrzej Lepper und seiner "Samoobrona"-Bewegung mit Hilfe eines fingierten Justizprozesses wegen "sexueller Nötigung" und der begleitenden Rufmord-Kampagne. Dazu gehört aber auch die Verhinderung der justiziellen Aufklärung der polnischen Verantwortlichkeit für das CIA-Foltergefängnis in Masuren. Hier hatte der Warschauer Staatsanwalt Tyl Ende 2011 den Abschluss seiner Ermittlungen und die Eröffnung von Hauptverfahren angekündigt, woraufhin ihm Anfang 2012 die Zuständigkeit für den Komplex entzogen wurde. Weder die EU noch die deutschen Medien interessierten sich dafür, denn in Polen regierten ja die Richtigen.

Die PiS versucht also in den Bereichen Medien und Justiz das Machtmonopol der neoliberalen "Elite" zu durchbrechen. Ein eigenes Machtmonopol könnte sie nur aufbauen, wenn sie in die Verfügungsgewalt über Unternehmen bzw. Arbeitsplätze eingreift und die gerade zu Deutschland äusserst intensiven bisherigen wirtschaftlichen Austauschbeziehungen deutlich reduziert, was völlig unrealistisch ist. Die PiS weiss zudem, dass Polen auch über Finanzmarkt-Manipulationen extrem verletzlich ist.

P.S.: Zwei Anmerkungen

1. Zu der strikt selektiven Polen-Berichterstattung deutscher Medien. Als 2014 der ehemalige Tusk-Vertraute Pawel Piskorski in einem Buch aufdeckte, dass der Jungpolitiker Donald Tusk bereits in den 90er Jahren Geld von der deutschen CDU bekommen hat, sorgte das in Polen für heftige Diskussionen. Die deutschen Medien verweigerten nach meinen Beobachtungen jedoch jegliche Berichterstattung. Beispiele dieser Art gibt es viele.

2. Es gibt in Polen auch rassistisch und gewalttätig orientierten Nationalismus. Diese Gruppen würde ich aber eher als kleiner und unbedeutender einschätzen wie analoge Gruppen in Deutschland (PiS-Politiker zeigen sich übrigens letztens besorgt, über den "wachsenden Rechtsextremismus" in Deutschland). Völlig inakzeptabel ist es jedenfalls, wenn die Demonstrationen am 11.11. dem Unabhängigkeitstag, in die rechtsextremistische Ecke gestellt werden. Neben Nationalflaggen ist die Mehrheit der zumeist jungen Demonstranten durch die rot-weissen Armbinden mit dem "P" auf dem Anker, dem Symbol des Warschauer Aufstandes von 1944, gekennzeichnet. Und das war immerhin der wirksamste antifaschistische Volksaufstand im NS-besetzten Europa.
Dass im Zusammenhang mit dem neuen IPN-Gesetz jetzt in deutschen Medien von der "polnischen Mittäterschaft" an den NS-Verbrechen (MDR) wie vordem von den "polnischen Konzentrationslagern" geschrieben wird, ist Wasser auf die Mühlen rechter deutscher Geschichtsrevisionisten, die den Holocaust nicht leugnen, aber die Holocaust-Täterschaft internationalisieren möchten.

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