Mir scheint, dass das doch zu einem großen Teil ein Scheinkampf zwischen Gegnern ist, die politisch im Grunde gar nicht so weit auseinander sind, so wie in den USA zwischen Republikanern und corporate democrats, die abgesehen von ein paar Fragen der identitätspolitischen Symbolpolitik weitgehend die gleiche Politik vertreten - im Inland für Oligarchen, im Ausland für Aggressionen und Verletzung des Völkerrechts durch imperiale Politik. Mit diesen Scheinkämpfen, in denen jeweils so getan wird, als ob der politische Gegner das größte Übel sei, wird versucht, zu überdecken, dass die Unterschiede im Grunde gar nicht so groß sind - in der Hoffnung, dass die BürgerInnen dann all das viele, was die verfeindeten Lager gemeinsam haben, nicht hinterfragen.
In Polen sind die PiS und die Platforma Obywatelska im Grunde auch nicht so weit auseinander. Wenn ein allgemeiner Begriff gesucht wird, passt wohl für beide "rechtskonservativ" am besten. Früher (vor der ersten, kurzen PiS-Regierungszeit) nahmen auch viele an, dass es bald eine Koalition von PiS und der Platforma Obywatelska geben würde, und bei vielen PolitikerInnen war es damals eher zufällig, bei welchen der beiden sie landeten. Beide sind gesellschaftspolitisch sehr konservativ - die Platforma Obywatelska mag etwas gemäßigter sein, aber "liberal-konservativ" ist sie kaum - man muss jedenfalls lange suchen, um etwas Liberales zu finden. Wirtschaftlich sind beide neoliberal und unterstützen Polen als Billiglohnland, außenpolitisch sind beide pro-amerikanisch und anti-russisch. In Migrationsfragen sind beide restriktiv und (wie natürlich in diesem Teil Europas fast alle) gegen eine Verteilung von Asylsuchenden (unter großem Druck anderer EU-Länder wollte die PO ein kleines Kontingent zulassen, während die PiS noch etwas strikter war, aber auch da sind sie nicht weit auseinander). Am ehesten gibt es noch in der Wirtschaftspolitik kleine Unterschiede - die PiS hat mit der deutlichen Erhöhung des Kindergeldes eine etwas sozialere Politik betrieben, während die Platforma Obywatelska noch strikter neoliberal ist, aber auch da sind die Unterschiede nicht so groß.
Für die aktuellen Verhältnisse in den USA und in Polen, wo sich jeweils zwei Parteien, die sich an sich sehr nahe sind, scheinbar völlig erbittert bekämpfen, scheint mir vor allem eine Analyse von Noam Chomsky aus "The Common Good" angemessen:
“The smart way to keep people passive and obedient is to strictly limit the spectrum of acceptable opinion, but allow very lively debate within that spectrum....”
Indem einander Politiker, die Positionen vertreten, die gar nicht weit voneinander entfernt sind, aufs Heftigste attackieren, wird der Eindruck vermittelt, dass es einen lebendigen politischen Diskurs gäbe, und die vielen Fragen - meines Erachtens oft die Entscheidenden -, bei denen sich die einander heftig bekämpfenden PolitikerInnen einig sind, werden in den Hintergrund gedrängt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (18.06.2019 20:07).