andimar schrieb am 01.01.2025 20:52:
Die Wählerschaft kann sich leider nicht dagegen wehren, daß die größeren Parteien selbstgewollt zu ununterscheidbaren Gemischtwarenläden geworden sind.
Stimmt - bis auf das "selbstgewollt". Eine der Ursachen gab es schon immer, schlug bislang aber nicht so stark durch wie heute: Es ist die Wechselwirkung zwischen Wählerbefindlichkeit und parteistrategischen Erfordernissen, um Wahlen bestehen zu können. Was eine Mehrheit will - insbesondere, wenn es sich um ein wahlentscheidendes Thema handelt - wollen plötzlich alle Parteien. So kam die CSU zu einer Frauenquote, während Merkel + die FDP-Boys binnen einer Woche die Atomkraft abräumten. Parteien führen nicht, sondern werden vom Wähler geführt.
Diese Wechselwirkung zwischen Wählern und Parteien ist ein Selbstläufer, der kaum zu kontrollieren ist (schon gar nicht von einer Seite aus). Mit der aktuell äußerst unübersichtlichen politischen Lage und dazu noch einem (Des-)Informationsfeuerwerk aus allen digitalen Rohren hat er in den letzten Jahren rasch an Dynamik gewonnen. Und betrüblicherweise u.a. dazu geführt, dass Hemmschwellen gesunken sind - konnte man ja beim Ampelbruch gut beobachten.
Zum Eindruck des "Gemischtwarenladens" führt übrigens auch das Spannungsfeld zwischen Parteiprofil und knallharten politischen Erfordernissen. Zum Beispiel gehört es zum Profil der Union, dass sie ordentlich wirtschaftet, womit die allermeisten Wähler eine Haushaltsführung wie im privaten Bereich (nur eben viel größer) verbinden. Also wird die Einhaltung der Schuldenbremse rauf- und runter gepredigt. Doch auch ein Kanzler Merz wird natürlich zuallererst zusehen müssen, dass er die Schuldenbremse gelockert kriegt, weil er die Wirtschaft sonst nicht wieder ankurbeln kann und absehbar scheitern wird.