Tloen schrieb am 16. Januar 2005 12:02
> Zweckpessimist schrieb am 16. Januar 2005 10:56
>
> > mit solchen "Charmeuren" den Menschen
> > jedes beliebige Programm verkauft werden kann.
>
> Nein, das ist unmöglich. Die Durchschnitts-Amerikaner mögen nicht die
> Hellsten sein, aber sie wissen schon ungefähr wofür die konservative
> und die demokratische Partei stehen und wenn sie es nicht wissen,
> dann ist es ihnen egal, weil es für sie keinen Unterschied macht.
> Diese Parteien existieren seit 150 Jahren. Da können stabile
> Erfahrungs- und Erwartungswerte abgerufen werden.
Erstens haben sich die Rollen der Demokraten und Republikaner seit
ihrer Entstehung nahezu umgekehrt, und zweitens musst Du das
Verkaufen schon etwas langfristiger sehen. Wer wie ich als Europäer
eine Zeit in den Staaten gelebt und gearbeitet hat, dem fallen zwei
Dinge auf: Die Ichbezogenheit und die permanente
Selbstbeweihräucherung. Von Kind auf wird den Amerikanern jeden Tag
eingehämmert, wie großartig ihr Land sei und wieviel es für die
Menschheit getan habe und noch tue. Von einer unter solchen Umständen
aufgewachsenen Bevölkerung einen aufgeklärten und informierten Umgang
mit Politik zu erwarten ist utopisch.
Natürlich ist im Grunde jeder erwachsene Mensch für seine
Entscheidungen selbst verantwortlich - wenn wir diesen Grundsatz
aufgäben, könnten wir den Großteil unserer Moralvorstellungen über
Bord werfen. Aber das Propagandatrommelfeuer, dem die Menschen in den
USA ausgesetzt sind, macht unabhängige Entscheidungen sehr schwer.
> Ich wehre mich ein
> bischen gegen die Mär vom manipulierten und betrogenen Volk. Wenn es
> ein Bedürfnis nach Information hat, dann besorgt es sie sich. Wenn
> nicht, dann ist es aufklärungsresistent, aber dies aus eigenem
> Willen.
Das habe ich ja auch geschrieben. Der Lebenslauf von Bush ist für
jeden abrufbar, in Zeiten des Internets besser denn je. Aber im Zuge
der "Plausible Deniability" wird das alles abgetan und der Mann als
geborener Führer dargestellt. Ein großer Teil der Wahlpropaganda der
Republikaner fußte auf der Darstellung von Kerry als "unfit to lead".
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: ein Mann, der noch
nichts zustandegebracht hat, wird als Führer anerkannt.
> Wenn die Bush-Administration die Bevölkerung über die Motive
> des Irak-Kriegs angelogen hat, dann waren das politische Lügen, die
> sie offenbar nicht weiter kratzen. Sie finden es vielleicht trotzdem
> toll, dass Bush Saddam Hussein und sein Regime weggefegt hat und nun
> Demokratie zu verbreiten versucht?
ACK, da wird weggeschaut und verdrängt. Clinton wird wegen einer Lüge
zu seinem Privatleben als unmoralisch dargestellt, während die
Bush-Administration, die dem Volk immer dreistere und
offensichtlichere Lügen auftischt, als Vertreter der "moral majority"
gilt. Wie sagte Gore Vidal: "United States of Amnesia".
> Wenn Bush ein Versager war, der
> nach einer religiösen Therapie wieder zum Erfolgsmenschen wurde, dann
> ist das ganz wunderbar, ganz amerikanisch, ein ganz positivistisches
> Verhältnis zum Erfolg.
Aber welche Erfolge konnte er denn vorweisen, als er in Texas als
Kandidat für das Gouverneursamt antrat? Nicht mal sein "Sieg gegen
den Alkohol" ist echt, er wurde nach seiner Wiedertaufe in der
Öffentlichkeit betrunken gesehen. Aber der Wunsch der Menschen nach
einem Führer ist offensichtlich so stark, dass die Realität keine
Rolle mehr spielt.
> Die Alteuropäer sind eher
> bereit Ironie, Zynismus und Verweigerung in Kauf zu nehmen, als sich
> manipulieren zu lassen. Sie besitzen nach wie vor eine philosophische
> Wut, die ihnen, angesichts der Welt in der sie leben, die sie
> pessimistisch stimmt, Depressionen einträgt.
Da kannst Du recht haben. Aber ich nehme halt lieber die Pille, die
mich aus der Matrix aussteigen lässt, auch wenn es weh tut.
> Für moderne Europäer
> gibt es einen grundsätzlichen Unterschied, zwischen der eigentlichen
> Person und der Rolle, die sie in der Gesellschaft spielt. Sie wird
> durch das öffentliche Leben irgendwie entfremdet. Was aber, wenn die
> Amerikaner das Theater des 18-ten Jahrhunderts nie ganz hinter sich
> gelassen haben, also nie wirklich ins bürgerliche Zeitalter der
> "Intimität" ( Richard Sennet ) eingetreten sind und sich die wahre
> Person eben im Schauspiel auf der offenen Bühne zeigt?
Für mich ist die amerikanische Kultur unglaublich infantil, in fast
allen Bereichen. Immer wieder stelle ich zu verschiedenen Themen
fest, dass die amerikanische Öffentlichkeit reagiert wie ein
Achtjähriger.
> Zweckpessimist schrieb am 16. Januar 2005 10:56
>
> > mit solchen "Charmeuren" den Menschen
> > jedes beliebige Programm verkauft werden kann.
>
> Nein, das ist unmöglich. Die Durchschnitts-Amerikaner mögen nicht die
> Hellsten sein, aber sie wissen schon ungefähr wofür die konservative
> und die demokratische Partei stehen und wenn sie es nicht wissen,
> dann ist es ihnen egal, weil es für sie keinen Unterschied macht.
> Diese Parteien existieren seit 150 Jahren. Da können stabile
> Erfahrungs- und Erwartungswerte abgerufen werden.
Erstens haben sich die Rollen der Demokraten und Republikaner seit
ihrer Entstehung nahezu umgekehrt, und zweitens musst Du das
Verkaufen schon etwas langfristiger sehen. Wer wie ich als Europäer
eine Zeit in den Staaten gelebt und gearbeitet hat, dem fallen zwei
Dinge auf: Die Ichbezogenheit und die permanente
Selbstbeweihräucherung. Von Kind auf wird den Amerikanern jeden Tag
eingehämmert, wie großartig ihr Land sei und wieviel es für die
Menschheit getan habe und noch tue. Von einer unter solchen Umständen
aufgewachsenen Bevölkerung einen aufgeklärten und informierten Umgang
mit Politik zu erwarten ist utopisch.
Natürlich ist im Grunde jeder erwachsene Mensch für seine
Entscheidungen selbst verantwortlich - wenn wir diesen Grundsatz
aufgäben, könnten wir den Großteil unserer Moralvorstellungen über
Bord werfen. Aber das Propagandatrommelfeuer, dem die Menschen in den
USA ausgesetzt sind, macht unabhängige Entscheidungen sehr schwer.
> Ich wehre mich ein
> bischen gegen die Mär vom manipulierten und betrogenen Volk. Wenn es
> ein Bedürfnis nach Information hat, dann besorgt es sie sich. Wenn
> nicht, dann ist es aufklärungsresistent, aber dies aus eigenem
> Willen.
Das habe ich ja auch geschrieben. Der Lebenslauf von Bush ist für
jeden abrufbar, in Zeiten des Internets besser denn je. Aber im Zuge
der "Plausible Deniability" wird das alles abgetan und der Mann als
geborener Führer dargestellt. Ein großer Teil der Wahlpropaganda der
Republikaner fußte auf der Darstellung von Kerry als "unfit to lead".
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: ein Mann, der noch
nichts zustandegebracht hat, wird als Führer anerkannt.
> Wenn die Bush-Administration die Bevölkerung über die Motive
> des Irak-Kriegs angelogen hat, dann waren das politische Lügen, die
> sie offenbar nicht weiter kratzen. Sie finden es vielleicht trotzdem
> toll, dass Bush Saddam Hussein und sein Regime weggefegt hat und nun
> Demokratie zu verbreiten versucht?
ACK, da wird weggeschaut und verdrängt. Clinton wird wegen einer Lüge
zu seinem Privatleben als unmoralisch dargestellt, während die
Bush-Administration, die dem Volk immer dreistere und
offensichtlichere Lügen auftischt, als Vertreter der "moral majority"
gilt. Wie sagte Gore Vidal: "United States of Amnesia".
> Wenn Bush ein Versager war, der
> nach einer religiösen Therapie wieder zum Erfolgsmenschen wurde, dann
> ist das ganz wunderbar, ganz amerikanisch, ein ganz positivistisches
> Verhältnis zum Erfolg.
Aber welche Erfolge konnte er denn vorweisen, als er in Texas als
Kandidat für das Gouverneursamt antrat? Nicht mal sein "Sieg gegen
den Alkohol" ist echt, er wurde nach seiner Wiedertaufe in der
Öffentlichkeit betrunken gesehen. Aber der Wunsch der Menschen nach
einem Führer ist offensichtlich so stark, dass die Realität keine
Rolle mehr spielt.
> Die Alteuropäer sind eher
> bereit Ironie, Zynismus und Verweigerung in Kauf zu nehmen, als sich
> manipulieren zu lassen. Sie besitzen nach wie vor eine philosophische
> Wut, die ihnen, angesichts der Welt in der sie leben, die sie
> pessimistisch stimmt, Depressionen einträgt.
Da kannst Du recht haben. Aber ich nehme halt lieber die Pille, die
mich aus der Matrix aussteigen lässt, auch wenn es weh tut.
> Für moderne Europäer
> gibt es einen grundsätzlichen Unterschied, zwischen der eigentlichen
> Person und der Rolle, die sie in der Gesellschaft spielt. Sie wird
> durch das öffentliche Leben irgendwie entfremdet. Was aber, wenn die
> Amerikaner das Theater des 18-ten Jahrhunderts nie ganz hinter sich
> gelassen haben, also nie wirklich ins bürgerliche Zeitalter der
> "Intimität" ( Richard Sennet ) eingetreten sind und sich die wahre
> Person eben im Schauspiel auf der offenen Bühne zeigt?
Für mich ist die amerikanische Kultur unglaublich infantil, in fast
allen Bereichen. Immer wieder stelle ich zu verschiedenen Themen
fest, dass die amerikanische Öffentlichkeit reagiert wie ein
Achtjähriger.