Sergej Kiritschuk ist, wie auch Boris Kagarlitzki, zweifellos
sympathisch und verdient Solidarität und Unterstützung.
Schande lastet auf den Atlantifaschisten und ihren Speichelleckern
von "linksunten" über DFG/VK, Ditfurth und taz bis zu den rechten
Hetzern der "antideutschen" Szene. Sie alle haben mehr oder minder
schmutzig die ukrainische Linke verraten und im Stich gelassen und
mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht. Auch die opportunistische
Linkspartei, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen wie Andrej Hunko, hat
sich da nicht mit Ruhm bekleckert.
Wenn ich mich hier kritisch äussere, ändert das nichts an der
Solidarität mit den Linken in der Ukraine wie in der Russischen
Föderation, so wie ich auch Kagarlitzkis Kritik an westlichen Linken
für wichtig und beherzigenswert finde.
Allerdings sehe ich kritische Punkte bei beiden. Kagarlitzki, mit
seinem Narrativ "Putin existiert nicht" und "Verrat am Donbass"
begeht den klassischen Fehler vieler Marxisten (und nicht nur
Vulgärmarxisten), die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte zu
unterschätzen. Ich möchte an dieser Stelle nicht so intensiv auf
Kagarlitzki eingehen (mir fehlt auch die Zeit für eine detaillierte
und qualifizierte Stellungnahme), aber meiner Meinung nach eint beide
eine Fehleinschätzung.
Beide glauben nämlich, in Russland könne das derzeitige
Regierungssystem so schnell kollabieren wie in der Ukraine.
Kiritschuk fürchtet dabei einen zweiten Maidan, während Kagarlitzki
auf eine Art proletarischer Revolution hofft. Ich halte beides für
komplett unrealistisch und neben der Stimmung der russischen
Bevölkerung (ich hätte da gern die Meinung von Ulrich Heyden, der
mehr und bessere Einblicke in die russische Gesellschaft hat).
Das Problem der Ukraine ist nicht nur der Nationalismus und
Rechtsextremismus, es ist die strukturelle Instabilität des Staats-,
Wirtschafts- und Regierungssystems. Die Bedingungen, die in Russland
im "Jahrzehnt der Schande" die Ökonomie auf den Stand von 1964 und
breite Kreise der Bevölkerung in Hunger und Elend wie nicht einmal
in den Kriegszeiten zurückgeworfen haben und ein zügelloses Regime
der Kriminellen und Geschäftemacher errichtet haben, wurden in der
Ukraine nie überwunden. Daher hat diese, anders als die Russische
Föderation, auch nie wieder den Lebensstandard der UdSSR erreicht,
geschweige denn überschritten, und ein stabiles Staats- und
Regierungssystem hat sich nicht etabliert.
Dies war in Russland sehr wohl der Fall, seit 1999, und ist für die
Russen begreiflicherweise mit dem Namen Putins verbunden. Dort wurde
ansatzweise ein funktionierendes Staats- und Regierungssystem
geschafffen, in dem die Oligarchie zwar ihren gestohlenen Reichtum,
aber nicht die Staatsmacht behielt. Dies, viel mehr als eine
Ölpreisentwicklung, war die Ursache für wirtschaftliche
Stabilisierung, einen nennenswerten Aufschwung und gewisse
sozialstaatliche Errungenschaften (Ich muss dabei gegen Sergej
Kiritschuk einwenden, dass die sozialistische Regierung in Venezuela
zwar zweifellos wichtige Sozialreformen durchgeführt hat, aber bei
der Schaffung einer stabilen Ökonomie eher nicht so erfolgreich war.
Russland steckt den Ölpreisverfall wesentlich besser weg).
Deshalb ist die RF heute relativ stabil, und weder eine
Machtübernahme durch die zahnlose KPRF (die mitunter als
sozialdemokratisches Korrektiv auftritt) noch durch die
diskreditierte westlich-liberale Opposition droht auch nur annähernd.
Es ist auch nicht so, dass jede Opposition in der RF unterdrückt
würde. Dort werden keine Parteibüros geplündert und angezündet. Es
gibt auch Zeitungen und Internetauftritte aller möglichen Richtungen.
Die schärfsten Einschränkungen erleiden Gruppen wie die Levy Front,
der Kagarlitzki nahesteht, aber nicht wegen der Gefahr einer
proletarischen Rebellion, sondern eher zur Warnung an den Rest, brav
zu sein - entsprechend dem chinesischen Sprichwort "das Huhn töten,
um die Affen zu erschrecken". Der Rechte Sektor ist zwar verboten,
was meines Wissens alle russischen Gruppierungen ausser vielleicht
den prowestlichen Liberalen gutheissen, aber Anhänger oder
Fürsprecher in Russland hat er mit Parolen wie "Russen an den Baum,
Russen ans Messer" ohnehin eher weniger, ausser bei ein paar Trollen
um die Novaja Gaseta oder Navalny.
Sehr wichtig finde ich in dem Interview folgende Passage:
"Der soziale Rassismus hat viele Ebenen. Erstmal geht es gegen das
Erbe der Sowjetunion, gegen den Sowok (rückständiger, sowjetischer
Alltag) und "das totalitäre Regime, das uns zu Sklaven machte". Das
zweite ist der Hass auf die Arbeiter und die Ärmsten in der
Gesellschaft, gegen die "Bydlo", "die Dummen" und "Ungebildeten". Das
Dritte, was zu diesem Rassismus gehört, ist der Nationalismus, nicht
unbedingt in radikaler Ausprägung."
Von diesen drei einen unsere Glamourlinken, von linksunten und jungle
world bis Ditfurth, mindestens die zwei ersten, nämlich
Antikommunismus und Verachtung einfacher Menschen, sowohl mit unserer
Mehrheitsgesellschaft als auch mit AfD und Pegida - der Nationalismus
ist bei uns eher nur von der Mitte bis zur Rechten virulent. Aber die
Delegitimierung linker Diskurse hat bei uns, mit tatkräftiger Hilfe
der Glamourlinken, auch sehr gut geklappt.
Insofern sind die Probleme der russischen und der ukrainischen Linken
auch unsere Probleme.
a^2
sympathisch und verdient Solidarität und Unterstützung.
Schande lastet auf den Atlantifaschisten und ihren Speichelleckern
von "linksunten" über DFG/VK, Ditfurth und taz bis zu den rechten
Hetzern der "antideutschen" Szene. Sie alle haben mehr oder minder
schmutzig die ukrainische Linke verraten und im Stich gelassen und
mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht. Auch die opportunistische
Linkspartei, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen wie Andrej Hunko, hat
sich da nicht mit Ruhm bekleckert.
Wenn ich mich hier kritisch äussere, ändert das nichts an der
Solidarität mit den Linken in der Ukraine wie in der Russischen
Föderation, so wie ich auch Kagarlitzkis Kritik an westlichen Linken
für wichtig und beherzigenswert finde.
Allerdings sehe ich kritische Punkte bei beiden. Kagarlitzki, mit
seinem Narrativ "Putin existiert nicht" und "Verrat am Donbass"
begeht den klassischen Fehler vieler Marxisten (und nicht nur
Vulgärmarxisten), die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte zu
unterschätzen. Ich möchte an dieser Stelle nicht so intensiv auf
Kagarlitzki eingehen (mir fehlt auch die Zeit für eine detaillierte
und qualifizierte Stellungnahme), aber meiner Meinung nach eint beide
eine Fehleinschätzung.
Beide glauben nämlich, in Russland könne das derzeitige
Regierungssystem so schnell kollabieren wie in der Ukraine.
Kiritschuk fürchtet dabei einen zweiten Maidan, während Kagarlitzki
auf eine Art proletarischer Revolution hofft. Ich halte beides für
komplett unrealistisch und neben der Stimmung der russischen
Bevölkerung (ich hätte da gern die Meinung von Ulrich Heyden, der
mehr und bessere Einblicke in die russische Gesellschaft hat).
Das Problem der Ukraine ist nicht nur der Nationalismus und
Rechtsextremismus, es ist die strukturelle Instabilität des Staats-,
Wirtschafts- und Regierungssystems. Die Bedingungen, die in Russland
im "Jahrzehnt der Schande" die Ökonomie auf den Stand von 1964 und
breite Kreise der Bevölkerung in Hunger und Elend wie nicht einmal
in den Kriegszeiten zurückgeworfen haben und ein zügelloses Regime
der Kriminellen und Geschäftemacher errichtet haben, wurden in der
Ukraine nie überwunden. Daher hat diese, anders als die Russische
Föderation, auch nie wieder den Lebensstandard der UdSSR erreicht,
geschweige denn überschritten, und ein stabiles Staats- und
Regierungssystem hat sich nicht etabliert.
Dies war in Russland sehr wohl der Fall, seit 1999, und ist für die
Russen begreiflicherweise mit dem Namen Putins verbunden. Dort wurde
ansatzweise ein funktionierendes Staats- und Regierungssystem
geschafffen, in dem die Oligarchie zwar ihren gestohlenen Reichtum,
aber nicht die Staatsmacht behielt. Dies, viel mehr als eine
Ölpreisentwicklung, war die Ursache für wirtschaftliche
Stabilisierung, einen nennenswerten Aufschwung und gewisse
sozialstaatliche Errungenschaften (Ich muss dabei gegen Sergej
Kiritschuk einwenden, dass die sozialistische Regierung in Venezuela
zwar zweifellos wichtige Sozialreformen durchgeführt hat, aber bei
der Schaffung einer stabilen Ökonomie eher nicht so erfolgreich war.
Russland steckt den Ölpreisverfall wesentlich besser weg).
Deshalb ist die RF heute relativ stabil, und weder eine
Machtübernahme durch die zahnlose KPRF (die mitunter als
sozialdemokratisches Korrektiv auftritt) noch durch die
diskreditierte westlich-liberale Opposition droht auch nur annähernd.
Es ist auch nicht so, dass jede Opposition in der RF unterdrückt
würde. Dort werden keine Parteibüros geplündert und angezündet. Es
gibt auch Zeitungen und Internetauftritte aller möglichen Richtungen.
Die schärfsten Einschränkungen erleiden Gruppen wie die Levy Front,
der Kagarlitzki nahesteht, aber nicht wegen der Gefahr einer
proletarischen Rebellion, sondern eher zur Warnung an den Rest, brav
zu sein - entsprechend dem chinesischen Sprichwort "das Huhn töten,
um die Affen zu erschrecken". Der Rechte Sektor ist zwar verboten,
was meines Wissens alle russischen Gruppierungen ausser vielleicht
den prowestlichen Liberalen gutheissen, aber Anhänger oder
Fürsprecher in Russland hat er mit Parolen wie "Russen an den Baum,
Russen ans Messer" ohnehin eher weniger, ausser bei ein paar Trollen
um die Novaja Gaseta oder Navalny.
Sehr wichtig finde ich in dem Interview folgende Passage:
"Der soziale Rassismus hat viele Ebenen. Erstmal geht es gegen das
Erbe der Sowjetunion, gegen den Sowok (rückständiger, sowjetischer
Alltag) und "das totalitäre Regime, das uns zu Sklaven machte". Das
zweite ist der Hass auf die Arbeiter und die Ärmsten in der
Gesellschaft, gegen die "Bydlo", "die Dummen" und "Ungebildeten". Das
Dritte, was zu diesem Rassismus gehört, ist der Nationalismus, nicht
unbedingt in radikaler Ausprägung."
Von diesen drei einen unsere Glamourlinken, von linksunten und jungle
world bis Ditfurth, mindestens die zwei ersten, nämlich
Antikommunismus und Verachtung einfacher Menschen, sowohl mit unserer
Mehrheitsgesellschaft als auch mit AfD und Pegida - der Nationalismus
ist bei uns eher nur von der Mitte bis zur Rechten virulent. Aber die
Delegitimierung linker Diskurse hat bei uns, mit tatkräftiger Hilfe
der Glamourlinken, auch sehr gut geklappt.
Insofern sind die Probleme der russischen und der ukrainischen Linken
auch unsere Probleme.
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