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  • 1FC

mehr als 1000 Beiträge seit 02.02.2011

Karaganow sollte man ernst nehmen…

… aber gleichzeitig nicht in Panik verfallen!

Anders als solche Clowns, wie der Wagner-Koch, der bekanntlich gerne, oft und ungefragt rumpöbelt, ist Sergej Karaganow eine ganz andere Nummer. Zwar sind solche Ausführungen, wie beispielsweise die eines Jewgeni Prigoschin oftmals sogar ganz amüsant und ich glaube auch, daß er sich im Eifer durchaus schon mal verplappert hat und dadurch auch neben all den Nebelkerzen Internas in die Öffentlichkeit gerieten, aber wirklich gehaltvoll war und ist das nicht wirklich, wenn man ehrlich ist.

Anders ein Sergej Karaganow. Nicht nur ist er so etwas wie ein enger Berater Putins und ist sozusagen im Inner Circle des Kremls angesiedelt, er ist sicherlich auch einer der Väter dieses Ukraine Krieges (er war übrigens in der Vergangenheit auch oftmals aus Versehen ehrlich und sprach direkt von einem Krieg und nicht von einer „Spezialoperation“).

Um das aktuell Gesagte besser einordnen zu können, darf / sollte man sich m.E. ruhig mal ins Gedächtnis rufen, was dieser Herr Karaganow z.B. erst letztes Jahr, kurze Zeit nach dem Einmarsch Russlands, zum Thema von sich gab. Dazu wähle ich exemplarisch ein Interview mit ihm von April 2022. In der angegebenen Quelle (wie immer siehe unten) geht es zuerst um das übliche Propaganda Bla Bla, welches wir aber zu Genüge kennen und welches mittlerweile zudem schon oft genug auch als pure Propaganda enttarnt / entlarvt wurde (da letztens leider erst ein Beitrag von mir gelöscht wurde, in dem ich an Putins Propaganda Vorgaben erinnert hatte und dies mithilfe von Quellen auch beweisen konnte, als Tipp folgendes: sucht dazu selbst nach Donbass Leaks plus pdf plus zeit online plus Luhansk). Also ruhig etwas runterscrollen, irgendwann wird es dann sehr interessant, wie ich persönlich jedenfalls finde. Und beim Lesen natürlich immer im Hinterkopf behalten, daß er dieses Interview mit Bruno Maçães, einem ehemaligen portugiesischen Europaminister geführt hatte und das übliche „der Westen“ Vokabular aus dem kalten Krieg natürlich auch durchklingt. Zwischen den Zeilen ist es jedoch definitiv sehr vielsagend und auch aufschlußreich.

—> Interview mit Karaganow, APRIL 202

Im folgenden daraus zitiert. Die Fragen an Karaganow habe ich mit einem Pfeil markiert, seine Antworten sind kursiv formatiert und alles was fett formatiert ist, sind persönliche Hervorhebungen:

—> Was würde als erfolgreiches Ergebnis der Invasion angesehen werden?
Ich weiß nicht, wie dieser Krieg ausgehen wird, aber ich denke, eine Lösung wird auf die eine oder andere Weise die Teilung der Ukraine beinhalten. Hoffentlich bleibt am Ende noch etwas namens Ukraine übrig. Aber Russland kann es sich nicht leisten zu „verlieren“, also brauchen wir eine Art Sieg. Und wenn wir das Gefühl haben, dass wir den Krieg verlieren, dann gibt es meiner Meinung nach durchaus die Möglichkeit einer Eskalation.
(…)
—> Denken Sie, dies ist ein Moment höchster Gefahr für Russland?
Ich würde sagen, ja, dies ist ein existenzieller Krieg. Wenn wir nicht irgendwie gewinnen, dann werden wir meiner Meinung nach alle möglichen unvorhergesehenen politischen Auswirkungen haben, die viel schlimmer sind als zu Beginn der 1990er Jahre. Aber ich glaube, dass wir das vermeiden werden, erstens, weil Russland gewinnen wird, was auch immer dieser Sieg bedeuten mag, und zweitens, weil wir ein starkes und zähes Regime haben, so dass es in jedem Fall, oder wenn das Schlimmste eintritt, nicht die Auflösung des Landes oder den Zusammenbruch bedeuten wird. Ich denke, es wird eher ein hartes autoritäres Regime sein als die Auflösung des Landes. Trotzdem ist eine Niederlage undenkbar.
(…)
—> Was würde als Niederlage gelten?
Das weiß ich nicht. Das ist hier die Frage. Wir brauchen den Sieg. Ich glaube nicht, dass es ein Sieg wäre, selbst wenn wir die gesamte Ukraine eroberten und alle Streitkräfte der Ukraine kapitulierten, denn dann würden wir mit der Last eines verwüsteten Landes zurückbleiben, eines, das durch 30 Jahre Unfähigkeit verwüstet wurde und dann natürlich die Verwüstung durch unsere Militäroperation.
(…)
—> Ihr Argument lautet, dass wir bei einer existenziellen Gefahr für Russland eine Eskalation hin zum Einsatz von Atomwaffen haben könnten und andererseits eine Eskalation von Konflikten jenseits der Ukraine. Verstehe ich das richtig?
Ich würde es nicht ausschließen. Wir leben in einer absolut neuen strategischen Situation. Die normale Logik diktiert, was Sie gesagt haben.
(…)

Das war also im April letzten Jahres. Wie wir mittlerweile ja alle wissen, verfolgt Russland andere als die öffentlich kommunizierten Ziele. Eins davon, sich Teile einzuverleiben könnten unter Umständen aus russischer Sicht Gefahr laufen nicht erreicht zu werden.

Mittlerweile sind seit diesem Interview (welches nur beispielhaft ist, es gibt einige derartige Quellen die im Grunde die gleichen Aussagen widerspiegeln) mehr als ein Jahr vergangen. Mit den Aussagen aus dem Interview von letztem Jahr, sind die aktuellen Aussagen (leider) nur logisch. Zitat aus dem Artikel:

Den Weg hierfür sieht Karaganow tatsächlich in einem "präventiven Vergeltungsschlag" mit Atomwaffen – alles andere würde einen langen Konflikt mit noch mehr Opfern bedeuten.

Zusammenfassend:
Wie man den Aussagen Karaganows von letztem Jahr entnehmen kann, kommt eine Niederlage für Russland nicht in Frage. Auf gar keinen Fall. Das beinhaltet auch die etwaige, in diesem Fall potenziell militärisch erzwungene, Rückgabe bereits annektiertem Gebiet.
Scheinbar, so kann man es meines Erachtens jedenfalls interpretieren, mehren sich die Zweifel die selbstgesteckten Ziele erreichen zu können. Derartige Äußerungen hinsichtlich einer etwaigen ist demnach eine logische Konsequenz daraus.

Im Bezug auf seine Sicht, wie eine Reaktion der NATO aussehen könnte, äußerte er sich im Interview auch. Und zwar so:

Ich weiß auch aus der Geschichte der amerikanischen Atomstrategie, dass die USA Europa wahrscheinlich nicht mit Atomwaffen verteidigen werden. Aber hier besteht immer noch die Möglichkeit einer Eskalation, also ist es ein abgrundtiefes Szenario,
(…)
—> Wenn Putin Sie um Rat fragt, würden Sie ihm sagen, dass Artikel 5 ernst zu nehmen ist oder nicht? Ihren Worten entnehme ich, dass die Beistandspflicht aus Ihrer Sicht nicht ernst zu nehmen ist.
Es könnte sein, dass Artikel 5 funktioniert und Länder sich zur Verteidigung eines anderen zusammenschließen. Aber gegen einen Nuklearwaffen-Staat wie Russland?
Das frage ich mich. Sagen wir es so: Wenn die USA gegen einen Nuklearwaffen-Staat eingreifen, dann ist der amerikanische Präsident, der diese Entscheidung trifft, verrückt
, weil es nicht 1914 oder 1939 wäre; das ist etwas Größeres. Ich glaube also nicht, dass Amerika im Ernstfall eingreifen könnte, aber wir befinden uns bereits in einer viel gefährlicheren Situation als noch vor einigen Wochen.

(…)

Persönliches Fazit:
Daß aktuell derartige, unterschwellige Drohungen einer Eskalation kommuniziert werden ist für mich persönlich nicht überraschend. Russland tat dies bereits mehrere Male. Auch herrscht im Juni 2023 eine andere Situation als im April 2022. Anders als letztes Jahr, ist Russland sehr wahrscheinlich bewusst daß die USA bzw. die NATO so geschlossen zusammenstehen wie vor diesem Krieg schon sehr lange nicht.
Eine Drohung ist erst mal „nur“ eine Drohung. Ob Russland es diesbezüglich tatsächlich eskalieren würde weiß ich natürlich nicht, ich glaube es aber nicht.
Fakt ist jedoch, daß Russland ganz offensichtlich ein Erreichen ihrer Ziele gefährdet sieht. Für Russland ist der derzeitige Status Quo gleichzeitig das absolute Minimalziel. Sollte die Ukraine es tatsächlich schaffen, Gebiete nennenswert zurückzuerobern, wäre das für Russland ein nicht zu akzeptierender Verlaif. Daß Russland in die Ukraine einmarschiert ist und die Gebiete brutal geraubt hat und daß das hier auch kein Wunschkonzert ist, ändert leider nichts daran, daß das für Russland bzw. für deren Führungsetage eine Niederlage bedeuten würde. Ich kann mir deshalb aus diesen Gründen vorstellen, daß Russland aus dieser beschriebenen Angst vor einer Niederlage, nun ALLES tun wird, um sich wenigstens den aktuellen Status Quo zu sichern. Da dies militärisch jedoch nocht zu gelingen scheint, ginge dies nur über Verhandlungen. Da Russland jedoch keinen Millimeter von ihren Bedingungen abweicht, diese aber gleichzeitig nun mal nicht akzeptabel für die Ukraine sind, bleibt nichts anderes als die Ukraine dazu anders zu zwingen. Daher denke ich daß solche Drohungen vermehrt kommen werden, damit die Menschen in Europa helfen auf Verhandlungen zu drängen. Sehr perfide, aber zu erwarten und demnach nicht überraschend.
Ich befürchte der nächste Eskalationsschritt könnte dann tatsächlich so etwas sein wie eine Explosion im AKW…

In diesem Sinne, Baxter
————————
Quelle:

https://www.tagesspiegel.de/politik/die-demokratie-in-ihrer-jetzigen-form-wird-im-grossteil-europas-nicht-uberleben-6852853.html

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