Frau Aigner hat deutlich belegt, dass eine Agrarwende hin zu einer ökologischen Landwirtschaft nur Vorteile brächte – für die Umwelt, für die Produktionskosten und für den Geldbeutel der Menschen. Da die Mehrheit der Kommentatoren dies offenbar nicht nachvollziehen kann, seien hiermit einige „Gegenargumente“ richtig gestellt:
*Konventionelle Erträge und Selbstversorgung:
Um 1900 lagen die Getreideerträge in Deutschland etwa bei 15 dt je ha und die Selbstversorgungsquote mit Lebensmittel bei über 90 %.
Heute liegen die konventionellen Hocherträge bei durchschnittlich 70 dt und die Selbstversorgungsquote in Deutschland bei ca. 85 %. Hauptgrund für die gesunkene Ernährungseffizienz: die exorbitant gewachsene Tierhaltung, die Energie aus Biomasse und zahlreich weggeworfenen Lebensmittel.
Weltweit werden 80 % der fruchtbaren Böden für die Tierfütterung verwendet, in Deutschland etwa 60 %, jedoch kombiniert mit hohen Importmengen an Soja aus dem Amazonasgebiet und den früheren Pampas in Argentinien – und dies wofür? Für den Export der Edelteile der Tiere u.a. zu den Saudis und der Abfälle nach Afrika.
*Biolandwirtschaft und Selbstversorgung:
Die derzeit ca. 12 % Biobauern in Deutschland kommen bei Getreide im Schnitt auf ca. 45 dt je ha, also auf etwa das Dreifache der Erträge vor 120 Jahren und etwa 2/3 der konventionellen Erträge. Bei Kartoffel ist die Differenz größer, bei anderen Kulturen, insbesondere Obst und Gemüse ist der Unterschied marginal, tendentiell zugunsten Bio steigend.
Für Viehhalter bedeutet die Umstellung auf Bio die Beschränkung der Tierhaltung auf max. 2 GV/ha, was nicht nur die Schäden für die Umwelt drastisch reduziert, sondern auch zu einem ausgewogeneren, für Mensch und Umwelt gesünderen, Produktspektrum, ohne die für die konventionelle Landwirt¬schaft typische Ausverlagerung der Belastungen in andere Länder, vor allem in Form der Abholzung des Amazonasurwaldes führt. Nicht Bio führt zur Produktionsverlagerung, sondern der gewaltige Futtermittelhunger der konventionellen Landwirtschaft. Würde die Tierproduktion durch Bio um 1/3 reduziert, wäre der mindere Ertrag bei weitem ausgeglichen und zudem der Anreiz für Abholzung und Wiesenumbruch beseitigt!!
*Umweltkosten:
Frau Aigner hatte die Kosten für die Herausreinigung der Pestizide und des Nitrats aus dem Grundwasser nicht genannt: Nach Berechnungen in Frankreich liegen die Kosten für Wasserreinigung höher als der Wert der gesamten landwirtschaftlichen Nettoproduktion – Basis 1 Jahr!! Offenbar sind die Kommentatoren, die sich hier alle über die Ökologisierung lustig machen keine Verbraucher, sonst würden sie die enormen Umweltleistungen der Ökolandschaft stärker würdigen können!
*Ökologische Leistungen:
Während die konventionelle Landwirtschaft durch Kunstdünger und Pestizide maßgeblich zur Vernichtung der Ökosysteme und der nur darin heimischen Artenvielfalt beiträgt und zwar nicht nur auf dem eigenen Gebiet, sondern auch in Naturschutzgebieten bis hinauf auf die Gipfel der Berge und in alle Ecken der Erde, ist die Erhaltung der Biodiversität in allen relevanten Ökosystemen durch den Ökolandbau , der auf Pestizide und Kunstdünger verzichtet, durch Hunderte von Studien belegt!
Daher wird in Deutschland derzeit von allen – nicht für die Chemie arbeitenden – Wissenschaftler in den einschlägigen Gremien und Beratungseinrichtungen der Regierung die verstärkte Förderung des Ökolandbaus gefordert – seit Jahren. Kommentatoren, die das bezweifeln, dienen wohl selbst einem anderen Herren.
Die sogenannte Präzisionslandwirtschaft, die eigentlich nur von den Großbetrieben zum weiteren Wachstum benötigt wird, bedeutet im Vergleich zu den Positivwirkungen des Ökolandbaus keinen Fortschritt, sondern nur neuen Verbrauch an Ressourcen und Energie. Die Gentechnik bedeutet eine enorme Bedrohung für die eingespielten Symbiosen zwischen den Nutzpflanzen und ihren Partnern im Boden und bodennahen Ökosysteme, wie z.B. für die N-produzierenden Knöllchenbakterien, die Mykorrhiza und das gesamte Bodenleben und die lebensnotwendigen Insekten. Gentechnik dient nur dem Erwerb von Besitztiteln auf natürliche Organismen und ist bis heute immer mit einem erhöhten Einsatz an Pestiziden verbunden.
*Ertragsentwicklung und Humus:
Die konventionellen Getreideerträgen stagnieren etwa seit 7 Jahren – nachzulesen in den Versuchsergebnissen der Erzeugerringe. Der Hauptgrund dafür liegt im dramatischen Humusabbau auf konventionellen Flächen: Die Wirkung von Kunstdünger benötigt Humus, da die Pflanzen etwa 1/3 des N aus dem Humus aufnehmen (verlangen), auch wenn sie reichlich Kunstdünger-N bekommen. Daher auch die enormen Auswaschungen durch falsch berechnete Düngemengen.
Daher auch hat der liebe Justus von Liebig seine Einsichten der frühen Jahre, da er selbst noch Kunstdünger vertrieb, im Alter umfänglich widerrufen und vor den reichen Vätern und armen Söhnen infolge Humusabbau gewarnt.
Das Ausmaß, in dem der gute Artikel von Frau Aigner hier von normalerweise sehr besonnenen Kommentatoren in Frage gestellt wurde, hat für mich die Einsicht erhärtet, dass Kriege zwischen Menschen auch den Krieg gegen die Natur verschärfen und dass Menschen, die die Natur schätzen auch Sachwalter des Friedens und der Menschenrechte sind. Dass die Grünen nicht mehr dazu zählen, wäre eine eigene Abhandlung wert.