Es ist die grundlegendste Aufgabe der Presse, die Regierung zu kontrollieren. Und wenn sie irgendwas interessantes für die Öffentlichkeit herausfindet, ist es geradezu ihre Pflicht, dies zu veröffentlichen. Ob die Veröffentlichung "gerechtfertigt" ist, hat die Presse grundsätzlich selbst zu entscheiden. Ausnahmen gibt es evtl. im Bereich Persönlichkeitsrecht/Yellow Press (Vermeidung des Vorführens und "Vernichtens" von Einzelpersonen in der Öffentlichkeit), aber dazu gibt es sicher auch in Schweden umfassende Rechtsprechung. Bei der Frage der Rechtfertigbarkeit von Vorgängen im Bereich der Außenpolitik und bilateraler Beziehungen (Regierungshandeln!) sehe ich das grundsätzlich aber nicht.
D.h. hier wird die Presse in ihren grundsätzlichen Funktionen beschnitten! Es ist ein Freibrief für schwedische Regierungen, in Zusammenarbeit mit anderen Staaten machen zu können, was sie wollen. Wenn das außenpolitische Agieren eine relevante Zahl von Bürgern stört, gibts halt auf die Fr... :-@
Letztenendes wird so die Axt an eine der wichtigsten Wurzeln der Demokratie gelegt. Denn Demokratie mit der Möglichkeit zu wählen bringt auch nichts oder nur noch sehr bedingt etwas, wenn der Bürger keine infomierte(!) Wahlentscheidung mehr treffen kann. Das wird in Schweden für das Feld der Außenpolitik der Fall sein, wenn das durchgeht.
Bei solchen Gesetzesvorhaben frage ich mich immer, wie da im Hintergrund die Entscheidungslinien laufen. Ähnlich wie bei anderen Sicherheitsgesetzen in der Vergangenheit. Offiziell sind die Abgeordneten frei in ihrer Gewissensentscheidung und es sollte fachlich, zumindest aber instinktiv klar sein, dass das so eigentlich überhaupt nicht geht. Und dennoch:
Erst kurz vor der Abstimmung flammte die Diskussion in den Medien richtig auf, dafür von allen Seiten, inklusive Svenska Dagbladet und Dagens Nyheter. Vergebens. Die konkreten Begründungen, dafür, warum dieses Gesetz gebraucht wird, sind mager. Abgesehen von den Debatten im Parlament gab es kaum öffentliche Äußerungen von Befürwortern. Für Magdalena Andersson ist es eine "Lücke in der Gesetzgebung", die nun gefüllt sei, es handele sich um die "Sicherheit des Landes".
Johan Pehrson von den Liberalen, die sich im April noch dagegen ausgesprochen haben, erklärte gegenüber SVT: "Wir werden dafür stimmen. Wir haben eine schlimme weltpolitische Lage, in der die Demokratie Schweden bedroht ist, das Leben von Schweden bedroht sind, nicht zuletzt in den verschiedenen Auslandsmissionen, an denen Schweden teilnimmt."
Sorgt etwas oder jemand dafür, dass die Diskussion eigentlich viel zu spät startet, und die Abgeordneten bzgl. ihrer Entschlussfassung sicher sind? Obwohl es auch z.B. den Interessen der Oppositionsabgeordneten zuwiderläuft? Man könnte sich als Abgeordneter der Regierungspartei selbst in der nächsten Legislatur in der Opposition wiederfinden, nicht zu vergessen. Und dass die Abgeordneten fast schon eingeschüchtert scheinen und sich abseits der offiziellen Debatten kaum einer Diskussion stellen? Mit welchen Fragen soll sich ein Auswärtiger Ausschuss in Schweden in Zukunft bitte noch beschäftigen, wenn in dem Bereich offiziell eh immer alles in Butter ist...?
Es wirkt, als wäre die Diskussion eingeschränkt und die Abgeordneten nicht frei in ihrer Entscheidung, Meinungsbildung sowie -ganz wichtig!- in der Kommunikation nach Außen. Wie konnte z.B. die gesamte Liberale Fraktion in dieser Frage "umfallen"? Gibt es etwas oder Jemand, der eine solche Macht hat, dieses politische Setting zu erzeugen?
Andererseits: wenn es so jemand/etwas gäbe - bräuchte der/das überhaupt so eine Gesetzesänderung, oder könnte er/es die unliebsamen Recherchen nicht auch so unterdrücken? Und wer seine Nase zu tief in Regierungsangelegenheiten steckt, fliegt bei seiner Zeitung raus... Wäre bei einer solchen angenommenen Machtfülle ja denkbar...
Ein Grund, der mir einfiele, wäre lediglich, wenn man explizit öffentliche Whistleblower-Prozesse vor den Gerichten haben wollte. Der Investigativjournalist beim Aftonbladet oder Dagbladet & Co. würde nach dieser (zugegebenermaßen etwas sehr Thriller-artigen) Verschwörungstheorie also nicht (wie "bisher" :-P ) einfach während einer zu tiefgründigen Recherche aus fadenscheinigen Gründen vor die Tür gesetzt werden, sondern mit großem öffentlichem Bohei in den Knast wandern...
Möglicherweise ein gewünschtes subtiles Signal an die Öffentlichkeit, dass in Zukunft in Schweden "die Zügel angezogen werden" und es illiberaler zugehen wird?
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.01.2023 20:30).