Bereits der Kollektivsingular "der Islam" ist eine derart grauenhafte sachliche Verzerrung, dass Medien, die ihn verbreiten, damit beweisen, dass es ihnen nicht um ein differenziertes Bild geht.
Habe ich einmal dieses Zerrbild in den Köpfen fest implantiert, dann kann ich je nachdem, ob ich gerade auf ein islamisches Land Bomben werfen oder aber unter rein neoliberalen Bedingungen Massenmigration von Arbeitskräften brauche, um durch die Erhöhung der Masse der zur Verfügung stehenden Menschen Arbeits- und Sozialrechte abzubauen, diesen Kollektivsingular dämonisch oder romantisch aufladen.
Beides trifft die Realität der Menschen im Mittleren Osten ebenso wenig wie die der aus ihnen und der Türkei zugewanderten nicht.
Das ist kein analytisches Verstehen, sondern eine Manipulation der Leute. Fakt ist: Der politische Islam ist ein geopolitischer Verbündeter der US-Hegemonie, de strategisch schon immer auf den Beziehungen zu Saudi Arabien und Israel fußte, weil sie auf dem Petro-Dollar beruht. Die daraus entstandenen Kräfte werden von der überwältigenden Zahl der Muslime gehasst.
Auf der anderen Seite aber war der Nahe Osten eben durch seine Funktion als Energielieferant für die industrialisierten Staaten Objekt von Fremdbestimmung und junge Leute machen sich eben dort auch darum Gedanken, worin ihre eigene Identität auch im Verhältnis zum Westen aussehen sollte, wobei auch diese Identität heute viele Komponenten westlicher Emanzipationsbestrebungen aufweist und sich mitnichten in Gänze feindlich zu ihnen postiert. Ich kenne gläubige konservativ Kopftuch tragende Muslima, die ein ausgesprochen emanziges Selbstverständnis haben. Nur wer sich mit ihnen unterhält, kann verstehen, dass das aus ihrer Sicht kein Widerspruch ist. Auf der anderen Seite mag es voll und ganz säkularisierte Muslime geben, die aber hochgradig (z.B. türkisch-) nationalistisch sind. Mit Jihadisten haben beide nichts zu tun; konstruktiv zusammenleben kann man aber nur mit einer Seite. (Etwa graue Wölfe mögen so säkular sein, wie sie wollen, sie sind einfach nur türkische Faschisten.) Die Unterschiede, die aber noch viel vielfältiger sind, kann aber nur jemand sehen, der Kenntnisse der Menschen ihrer kulturellen Wurzeln, ihrer höchst verschiedenen Konsequenzen aus mehreren hundert Jahren westlicher Hegemonie usw. hat. Unsere Medien verhindern aber solche Kenntnisse. Sie brauchen sie, um uns im Sinne der finanziell hinter ihnen stehenden politischen und wirtschaftlichen Lobby-Kräfte operativ zu beeinflussen. Das ist das Problem.
Also alleine anzunehmen, es gebe "den Islam" (Kollektivsingular) ist eine totalitäre Verzerrung, aus der heraus Muslime und Nichtmuslime in unserer Gesellschaft in Front gesetzt werden. Wer behauptet "der Islam" sei faschistoid, ideologisiert. Wer so tut, als gäbe es keine faschistoiden Ideologen auf der Grundlage des Islams, auch. Aber faschistoid ist auch die radikale Marktlogik und ihre Reduktion des Menschen auf seine Funktion zur Profitakkumlation der Kapitaleliten und deren Proklamation als "alternativlos". Wer die Selbstbestimmung aller Menschen will - vor Faschismen und ungebremster Kapitalmacht - und die unterscheiden will, mit denen man darum kämpfen kann und die, die selbst andere Menschen unterwerfen wollen, muss differenziert Menschen verstehen - Muslime wie Nichtmuslime.
Wer aber Verstehen systematisch verunmöglicht und die Menschen nur aufeinanderhetzen will, damit sie apathisch und schwach sind, mit dem kann niemand zusammengehen, der Selbstbestimmung will. Denn diese Kräfte, säkular oder religiös, wollen die Unterwerfung des Menschen. Das aber wollen gewiss nicht die Mehrheit der Muslime, noch die der Nichtmuslime. Gegner unserer Freiheit sind die, die uns dumm machen.