Es gibt eine Reihe Indizien, die darauf hindeuten, was wirklich passiert ist. Diese werden auch von internationalen Medien wie der NZZ so interpretiert.
Mit dem Video, in dem Prigoschin ruhig und hinreichend ausführlich die wahren Hintergründe zum Ukrainekrieg darlegt, hat Moskaus erfolgreichster Kriegsherr aus Sicht des Regimes, insbesondere der Armeeführung, schlicht den Bogen überspannt. Es folgte ein russischer Raketenangriff auf Wagner-Stellungen wohl mit dem Ziel, Prigooschin selbst zu liquidieren. Möglicherweise sollte der Angriff dem Westen in die Schuhe geschoben werden. Prigoschin selbst hat verlautbart, dass Schoigu persönlich angereist war, um den Angriff zu befehlen.
Der Mordanschlag schlug fehl und Prigoschin wechselte seinerseit in den Angriffsmodus. Mit Leichtigkeit übernahm er das russische HQ für den Ukrainekrieg in Rostow und marschierte mehr als den halben Weg nach Moskau. Putins TV-Auftritt am Samstagmorgen war aus meiner Sicht ziemlich verzweifelt. Das Ziehen eine Parallele zu 1917 inkl. "Dolchstoßlegende" war jedenfalls recht alarmistisch.
Anders als von Prigoschin womöglich kalkuliert, hatten sich jedoch zu wenige Kräfte für ihn erklärt, wodurch sowohl für ihn als auch Putin Verhandlungen möglich und nötig wurden. Der Rest ist bekannt.
Bemerkenswert dabei ist die öffentlich von Putin bekundete Generalamnestie für alle Beteiligten. Man wird sehen, ob da nicht doch noch eine "Nacht der langen Messer" folgt, aber wenn man bedenkt, dass noch am Samstagmorgen härteste Strafen in den Raum gestellt wurden, ist das Urteil verblüffend milde. Offensichtlich kann Putin es sich nicht leisten, mit der zu erwartenden Härte durchzugreifen. Zu hoch ist das Ansehen von Prigoschin und Wagner, nicht nur in der Armee, sondern auch bei der Bevölkerung.
Der erreichte Burgfrieden kann sich sehr schnell als Pyrrhussieg für Putin herausstellen, wenn es ihm nicht gelingt, Wagner erfolgreich in die eigene Armee einzugliedern und die ukrainischen Vorstöße zurückzuschlagen.
Flinx