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  • Selenokhod

mehr als 1000 Beiträge seit 11.10.2015

Re: Beamtentum abschaffen. Für hoheitliche Aufgaben Vereidigung oder Vergatterun

TheCOP schrieb am 11.01.2017 14:52:

Selenokhod schrieb am 10.01.2017 22:16:

Mit dieser Aussage machst Du dir in Deutschland natürlich nicht viele Freunde...

Dabei hast Du gar nicht unrecht.

Warum brauchen wir Beamte eigentlich?
Sind das bessere Menschen?

Sicherlich nein, ich wüßte gar nicht wie man einen "besseren" Menschen überhaupt klassifizieren sollte.

Das war auch eher eine Rhetorische Frage und nicht so ernst gemeint... =)

Sind sie immun gegen Korruption und Vetternwirtschaft?

Jein, selbstverständlich hat jeder Mensch seinen Preis und jeder Mensch neigt auch dazu seine Spezi zu bevorzugen. Aber Grundsätzlich ist der Beamtenstatus eine Maßnahme um dem vorzubeugen. Sicheres Einkommen, das einem ein Leben ohne wirtschaftliche Not ermöglicht. Das ist die Gegenleistung des Staates für ein dafür eingefordertes Wohlverhalten des Beamten zu dem auch Gesetzestreue gehört.

Sind sie frei von fremden Interessen?

Sicheres Einkommen und ein Leben ohne wirtschaftliche Not? Naja, also in der Besoldungsgruppe A6 möchte ich nicht in München leben...und die 100 EUR Münchenzulage bei der Polizei machen da sicher auch nicht mehr viel aus (kann auch inzwischen mehr sein...). Früher gab es noch die Möglichkeit vergünstigt zu wohnen (über die BIMA), die Möglichkeit ist aber inzwischen auch nur noch eingeschränkt möglich und es wird der ortsübliche Vergleichsmaßstab angesetzt.

Korruptions- und Strafverfahren gibt es zur Genüge auch gegen Beamte (das kann Dir jede Personalverwaltung bestätigen und bei den Polizeien gibt es dafür eigene Organisationseinheiten!). Daneben regieren in Behörden die Parteiseilschaften und Korruption hat in DE traditionell ohnehin nicht die Form von dicken Umschlägen...

In der Regel ja, jedenfalls freier als wie wenn ihnen in der freien Wirtschaft vielleicht ein besserer Posten bei der Konkurrenz winkt.

Und was ist mit den Beamten, die nach AltGG den öffentlichen Dienst in Richtung Wirtschaft verlassen (und nein, es sind nicht nur die Besoldungsstufen jenseits der A16)? Ganz zu schweigen von den Dienstherrenwechsel(n), die es natürlich genauso im öffentlichen Dienst gibt. Daneben verrate ich ja nicht automatisch meinen Arbeitgeber weil ich zur Konkurrenz wechsel. Das ist in Unternehmen nicht unüblich...übrigens auch wieder zu ursprünglichen Arbeitgeber zurückzuwechseln.

Menschen sind Menschen und ich habe meine Zweifel, dass die Beamten sich "rechtsstaatlicher" verhalten als vergleichbare, öffentliche Angestellte. Vielmehr könnte man sogar argumentieren, dass die (schnellere) Möglichkeit zur Kündigung bei vorsätzlichem Fehlverhalten eine höhere Schutz vor Kriminalität ist als irgendwelche Disziplinarverfahren. Bevor nun das Argument mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis kommt...um zu mehr als einem Jahr auf Bewährung verurteilt zu werden musst Du schon mehr als nur goldene Löffel klauen.

Die können nicht streiken! (Sich dafür aber beliebig krank melden)

Mit der Verkündung: "Ich bin jetzt so lange krank, bis ich 10% mehr Gehalt bekomme" wird das aber nichts. Und einfach so ohne Erklärung Krank zu sein ist auch nicht zielführend. Streik ist ja gerade die Verknüpfung einer Forderung mit einer Arbeitsverweigerung und genau das darf ein Beamter nicht. Was meinst du was die Polizei für Gehälter hätte wenn sie dafür streiken dürften? 4 Wochen und hier sieht es aus wie nach dem 2. WK...

Das Streikrecht lässt sich auch für Angestellte gesetzlich einschränken und das wird (gerade am Beispiel Sicherheit) auch gemacht. Die angestellte Besatzung eines zivilen Schiffes kann auch nicht mal eben im Orkan in Streik treten. In Krankenhäusern (und Du wirst mir zustimmen, dort geht es um Leben und Tod) wird auch durch die Mitarbeiter gestreikt und trotzdem ein Kern- und Notbetrieb aufrechterhalten. Krankenhäuser halte ich persönlich nun für wichtiger als Knöllchenverteilen...aber ich will nicht gehässig werden.

Sind die billiger?

Auch hier jein. Im Moment sind Beamte billiger als andere Arbeitnehmer weil man für letztere Sozialleistungen zahlen muss die man sich bei Beamten einfach spart. Nach dem Motto: Nach der Legislaturperiode die Sinflut! Das ist der eigentliche Beschiss auf den immer alle reinfallen: Sie geben die Beamten die Schuld an den anstehenden Pensionszahlungen obwohl nur die Politik es die ganzen Jahre versäumt hat diese Zurück zu legen und stattdessen ausgegeben hat. Beispiel Baden-Württemberg: Hier wird bei jeder Besolungserhöhung ein bestimmter Prozentsatz als "Pensionsrücklagen" abgezogen, seit Jahrzehnten! Tatsächlich zurückgelegt hat man jedoch nichts und will stattdessen jetzt bei den Beamten nochmal kassieren.

Da sind wir der gleichen Meinung. Ich vermute, dass hinter geschlossenen Türen aber schon an dem Thema gearbeitet wird...das hab ich an anderer Stelle hier im Forum geschrieben.

Kann ich (als Arbeitgeber) viel eher mit ihnen machen was ich möchte (Quasi kleine Leibeigene)?

Ja. Nur in einem gewissen Rahmen, aber ein klares ja. Und dieser Rahmen orientiert sich nicht an irgendwelchen Gesetzen sondern an der "dienstlichen Notwendigkeit".

Sehe ich auch so.

Warum müssen hoheitliche Aufgaben von Beamten erledigt werden?

Weil hoheitliche Aufgaben das Treffen von Maßnahmen gegen den Bürger umfassen. An die Personen die über solche Maßnahmen entscheiden sind aus meiner Sicht gesteigerte Anforderungen zu stellen, sie sollten ihrem Arbeitgeber mehr Treue und Verantwortung entgegenbringen, als dies beim durchschnittlichen Arbeitnehmer erforderlich ist. Ein Großteil der Bürger würde dies sicherlich genauso Verantwortungsvoll tun wie es (fast) alle Beamte tun, aber ich wage zu prophezeihen, dass es unter dem Strich trotzdem signifikant weniger wären. Zumindest dann, wenn man nicht durch gegenüber den Beamten stark gesteigerten Vergütungen ein Umfeld schafft, dass es dem Arbeitgegeber wieder erlaubt sich die wirklich nur die qualifiziertesten auszusuchen. Dann bleibt es aber vermutlich ein Nullsummenspiel bzw der Staat zahlt im Vergleich zu den Beamten drauf was wiederum deren Abschaffung unsinnig macht.

Das sehe ich eben (siehe oben) grundsätzlich anders - was ich auch schon oben dargelegt habe. Der Grund für deine Ausführungen (die sehr viele teilen) liegt ganz klar im historischen Ursprung des Beamtentums als "zivile" Variante des Soldaten mit einem nahezu "religiösen" Verhältnis zum Staat (meist zum Monarchen). Diese Erfindung war in vielen Staaten wesentlich für die Entstehung eines modernen Staatswesens verantwortlich und man sollte sie deshalb auch nicht kleinreden. Ich behaupte aber, es handelt sich heute um ein überholtes Relikt aus der Kaiserzeit (in DE). Die wesentlichen Aufgaben des Staates wären auch durch öffentliche Angestellte völlig problemlos und ohne Qualitätsverlust realisierbar.

Warum kann der Staat nicht einfach seine öffentlichen Angestellten zu fairen und sicheren Konditionen sowie mit allgemeiner Sozialversicherung beschäftigen?

Weil Du geiziger Steuerzahler möglichst jeden Cent für dich behalten willst, darum.

Naja, nun sehen wir an dem Artikel als auch an deinen eigenen Ausführungen oben, dass diese Rechnung langfristig nicht aufgeht und das heutige System nicht nachhaltig ist.

Gehen Staaten ohne Beamte unter oder ist dort der öffentliche Dienst wesentlich schlechter als in Deutschland?

Nenn mir einen Staat ohne Beamte bzw vergleichbare Dienstverhältnisse und ich sag dir, ob dessen Verwaltung besser oder schlechter ist als in Deutschland. Hind: Wir jammern in D auf SEHR hohem Niveau, wende dich mal an ein paar Ausländer und frage sie nach ihrer Verwaltung, dann relativiert sich deine Sichtweise sicherlich ein bischen.

Die Frage möchte ich anders stellen: Stehen die Ausgaben für den öffentlichen Dienst in Deutschland im Verhältnis zu der entgegengebrachten Leistung? Selbstverständlich gibt es Staaten, deren öffentliche Dienstleistungen qualitativ nicht auf "deutschen" Niveau sind - und trotzdem läuft es sogar in einzelnen Staaten der 3. Welt in selektierten Bereichen besser als hier. Als ein Bekannter in Lateinamerika seinen Führerschein verlängern wollte war ich z. B. sehr positiv überrascht - nix mit Passbild - jeder SB hat eine Webcam und der Führerschein war in zwei Tagen fertig (übrigens muss er alle zwei Jahre nach einem Gesundheitscheck erneuert werden). In den vergangenen zwei Jahren habe ich keinen einzigen staatlichen Bescheid erhalten, der nicht grob (!) fehlerhaft war (nein, wir sprechen nicht über 3,50 EUR). Ich habe erlebt, wie Verwaltungen Gesetze gebeugt haben (ob aus Unwissenheit oder Vorsatz möchte ich nicht beurteilen).

In jedem Land funktioniert das "Beamten"-System sicherlich etwas anders. Hier in Deutschland haben wir zum Beispiel die Arbeitsplatzsicherheit die es woanders nicht gibt. Dafür verdienen Cops in den USA zum Großteil das mehrfache! im Vergleich zu den deutschen Kollegen. In der Türkei gibt es dafür Wohnungen, welche sich die Bediensteten sonst nie leisten könnten. Fakt ist, jeder Staat bindet sich seine Amtsträger auf irgend eine Art und Weise an sich weil es eben nicht anders funktioniert.

Schönes Bild in dem Zusammenhang: Wenn du dir deine Handlungsorgane verkrüppelst, brauchst du dich nicht wundern, wenn du Handlungsunfähig wirst.

Ich möchte die Handlungsorgane nicht verkrüppeln. Ich halte das Beamtenverhältnis für absolut nicht mehr zeitgemäß und stelle die These im Raum es könnte ohne Leistungseinbußen durch einen fair und auf wirtschaftsniveau bezahltes Angestelltenverhältnis ersetzt werden. Gerade auch bei den Benefits könnte ich den staatlichen Angestellten entgegenkommen (Wohnung, Verträge, ...).

Richtern und Soldaten würde ich ein "besonderes Dienstverhältnis" noch zugestehen...auf Eure Antworten bin ich gespannt ^.^

Ergänze es noch mit Polizisten um mal die offensichtlichsten abzudecken.

Nein, ganz klarer Widerspruch. Polizisten brauchen nicht verbeamtet zu sein - die USA hast Du selber als Beispiel herangezogen (wobei ich dort die Ausbildung für zweifelhaft halte). Ich sehe diesen Beruf auch deutlich weniger verantwortlich als der allgemeine "Pathos" darum. Bei der Bw erhält nach kurzer Einführung (welche Seite der Pistole ist gefährlich) jeder Grundwehrdienstleistender eine geladene Waffe und kann damit nach UZwGBw Sonderrechte ausüben. Von einzelnen Zwischenfällen, die es gibt und gab (aber auch bei der Polizei gibt) ist die große Katastrophe noch ausgeblieben.

Dann Feuerwehrmänner. Nicht unbedingt klassische hoheitliche Aufgaben, aber doch ist ein besonderes Dienstverhältnis erforderlich. Die Feuerwehr existiert, um Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden auch dann wenn dies heißt, dass die Feuerwehrmänner für sich gewisse Gefahren eingehen müssen. Das erfordert auch eine besondere Gegenleistung, z.b. dass der Staat im Fall der Fälle für die Folgen (Krankenkosten, Hinterbliebenenpensionen) mehr einsteht, als dies zum Beispiel ein Unternehmen machen würde.

Soweit ich weiß, gibt es in DE in vielen Berufsfeuerwehren angestellte Feuerwehrleute. Leisten die schlechtere Arbeit als ihre verbeamteten Kollegen? Sind die unmotivierter?

Notare und Staatsanwälte brauchen wir sicherlich auch nicht arg viel zu diskutieren. Vielleicht kann man über einige Verwaltungsbeamte diskutieren, aber zumindest mir geht es so, dass ich bei so manchem Verwaltungsakt dann doch lieber einen Beamten vor mir habe als einen Angestellten der vielleicht schon auf eine Stelle bei Unternehmen X spekuliert...

Über Notare brauchen wir tatsächlich nicht zu sprechen - allerdings stehen die (meine ich) auch in einem besonderen Rechtsverhältnis, dass nicht so 100% einem klassischem Beamtenverhältnis entspricht. Bei den Staatsanwälten sehe ich es schon völlig anders - wie viele Staatsanwälte sind in DE inzwischen als Fachanwälte für Strafrecht tätig (mehr Seitenwechsel geht ja kaum ;)

Ja und die Lehrer, das alte Thema. Immer mehr davon sind gar keine Beamte sondern werden jährlich zu den Sommerferien entlassen und im Herbst neu eingestellt um zwischenzeitlich "nur" dem Jobcenter auf der Tasche zu liegen. Weiß jetzt nicht ob das die große Zukunft ist, hab da aber meine Zweifel dran ob man so das beste für die Ausbildung unserer Kinder erreicht.

An was für Beamte hättest du den noch so gedacht?

Ne, sorry, Bitte verdreh meine Argumentation nicht in Richtung Neoliberalismus. Ich möchte gut und fair bezahlte und beschäftigte öffentliche Angestellte! Mit sauberen, unbefristeten Arbeitsverhältnissen! Solche Extrembeispiele aus USA sehe ich auch kritisch...aber genau derartig prekäre angestellte Beschäftigungsverhältnisse schafft der Staat ja zu genüge. Die meisten jungen Wissenschaftler in DE sind befristet beschäftigt.

Rechtspflegern (oder teilen von Ihnen) würde ich übrigens auch noch ein Beamtenverhältnis zustehen, genauso wie Prüfern der Bundes- und Landesrechnungshöfe sowie Teilen der Entscheidungskammern bei der BNetzA.

Ein Beamtenverhältnis ist nämlich aus meiner Sicht vor allem immer dort nötig, wo es um Entscheidungen gegen den Staat selbst gehen kann. Hier halte ich tatsächlich Angestellte für zu "erpressbar". Verwaltungsrichter sind m. M. nach ein gutes Beispiel. Wer gegen die Verwaltung selbst urteilen darf, muss wasserdicht unabhängig von ihr sein.

edit: Formatierungfehler beseitigt...

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.01.2017 16:04).

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