Nachdem ich den Titel zu diesem neusten Text über Kino gelesen
hatte, freute ich mich schon. Denn nur allzu oft vergessen die heutigen
Regisseure die Story und das Drehbuch. Daß dann aber gerade David
Fincher als Aushängeschild für diese Entwicklung gesehen
wird, ist schon erschreckend.
Denn gerade seine Filme zeigen doch nur allzu deutlich, wie
hervorragend ein großes Drehbuch wirken kann.
Sowohl "The Game" als auch "Sieben" waren sehr intelligente Filme. Sie
haben jeder auf seine Art und Weise dem Kino etwas neues gegeben.
"The Game" schaffte es, durch das Spielen mit den Klischees des
Thriller- Genres und durch immer wieder neuen fast unerklärlichen
Begebenheiten sowohl den Charakter des Michael Douglas als auch den
Zuschauer selbst bis in die letzten Minuten im Unklaren zu lassen, was
eigentlich geschieht. Gerade die übertriebene Konstruktion der
Handlung hat dem Film ein faszinierendes Innenleben gegeben, womit er
zwar nicht realistisch wirkt, aber dafür ein eigenes Innenleben
außerhalb unserer Realitätsdenkens entwickelt. Und er ist
der einzige Thriller dieses Jahrzehnts, der ohne eine einzige Leiche
auskommt! Die kalten Bilder unterstützen diese irreale Handlung in
jedem Moment.
"Sieben" ist dagegen einer der nihilistischsten Filme aller Zeiten. Er
schafft es, den Zuschauer so sehr in seiner Ausweglosigkeit gefangen zu
nehmen, daß dieser verstört aus dem Kino entlassen wird. Die
Großstadt ist überstilisiert, dies ist aber nicht auf die
typische Bildgewalt im Mainstream- Kino zurückzuführen,
sondern symbolisiert vielmehr den Gefühlszustand seiner Bewohner.
Die Gefühlskälte und die Teilnahmslosigkeit werden dadurch
wunderbar dargestellt. Dabei ist der Film in der Darstellung der Gewalt
eigentlich für heutige Verhältnisse zurückhaltend.
Immerhin wird nicht ein einziger Mord wirklich gezeigt. Nur die
Ergebnisse sieht man. Daß er dabei so gewalttätig wirkt,
liegt am Zuschauer selber. Der entwickelt nämlich aus den Dialogen
heraus, was geschehen ist. Sein perverses Inneres, all' das, wozu seine
Fantasie fähig ist: das sind die Gewaltszenen des Films. Die
Interaktion läßt den Film um einiges härter wirken, als
er ist. Dabei soll die Perversität der Taten nicht heruntergeredet
werden. Dadurch aber, daß wir selbst in der Lage sind, uns diese
Taten vorzustellen, dürfen wir nicht auf den Film zeigen, sondern
sollten eigentlich erst einmal über uns selbst nachdenken.
Dabei will ich die restlichen Filme, also "ConAir" und Filme, wie der
neue "Batman", nicht in Schutz nehmen. Sie alle finden keinen
Hintergrund, die Bilder sind nur ihrer selbst wegen vorhanden,
Charaktere weichen absoluten Stereotypen. Dies läßt den Film
nicht nur langweilig wirken, nein, es ist auch ärgerlich,
daß wirklich gute Schauspieler für so etwas verpulvert
werden. Leider fährt das letztjährige Blockbuster- Kino
vollständig auf dieser Linie, sogar der Film "The Lost World",
immerhin vom Regieass Steven Spielberg inszeniert, zählt genau zu
solchen Filmen. Wer dabei intelligente Kinokost sehen will, der
muß schon auf die kleineren Produktionen zurückgreifen oder
zum Independent- Kino schauen. Nur "Titanic" zeigt dieses Jahr eine
positive Tendenz. Zwar ist er unglaublich klischeereich, aber
dafür ist er herausragend in Szene gesetzt worden.
Was mich an dem Text besonders geärgert hat, ist die Art und
Weise, mit der der Autor die Filme auf einen Satz herunterzieht. Dies
ist niemals ein Zeichen für fehlende Story eines Films. Ich kann
jeden Film auf solch' einen Satz heruntersetzen.
Schindlers Liste: Ein Mann rettet n'paar Juden vor der Vergasung und
wird danach von vielen verkannt.
Der Pate 2: Irgend so ein Italiener kommt nach Amerika und wird zum
großen Gangster- Boss.
Solche Inhalte kann man auf hunderte von Filmen projezieren. Damit wird
jeder Klassiker und jedes Meisterwerk zu einem stereotypischen
Blockbuster. So nicht! Wenn schon, dann bitte mit wirklichen
Argumenten, denn an vielen Punkten kann man dem Autor Recht geben. Nur
mit David Fincher hat er nun wirklich den Falschen herausgenommen. Hat
der Autor die Filme auch wirklich mit offenen Augen und ohne
gefestigtes Vorurteil gesehen? Ich glaube es nicht, denn dann
hätte er wirkliche Argumente.