Es gibt kaum etwas, was mir mehr auf den Sack geht als das Gefasel von "Gerechtigkeit" für die Opfer im Zusammenhang mit Strafprozessen. Speziell bei Mordopfern ist es prinzipiell und ausnahmslos unmöglich, durch einen Straf- oder Zivilprozess "Gerechtigkeit" herzustellen. Mordopfer sind nämlich tot. Das Unrecht, nämlich die Vernichtung dieser Menschen, kann nicht mehr aus der Welt geschafft oder sonstwie kompensiert werden. Das Unrecht bleibt, und daran kann man nachträglich nichts mehr ändern. Das gilt auch für die Hinterbliebenen: Der Tod ihres Angehörigen lässt sich nicht rückgängig machen, der Schaden, der durch die Tötung verursacht wurde, lässt sich nicht wiedergutmachen.
Wer mal Jura studiert hat, der wird dort zwangsläufig mit dem Sinn und Zweck des Strafrechts konfrontiert worden sein, denn das kommt immer ganz am Anfang in den allerersten Vorlesungen. Und da werden üblicherweise die folgenden Gründe für das staatliche Strafen genannt:
- Sühne,
- Vergeltung,
- Spezialprävention
- Generalprävention
Spezialprävention bedeutet, dass der Täter in Zukunft davon abgehalten werden soll, weitere Straftaten zu begehen. Das geschieht einerseits dadurch, dass man ihm Leid zufügt, in der Erwartung, dass ihn dieses Leid in Zukunft von weiteren Straftaten abhält. Darüber hinaus werden Straftäter, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, während ihrer Gefangenschaft allein durch das Einsperren an weiteren Taten gehindert. Zudem soll der Strafvollzug dazu genutzt werden, auf den Täter einzuwirken und ihn zu bessern.
Generalprävention bedeutet, dass die übrigen Menschen durch die Verfolgung und Bestrafung der Täter dazu motiviert werden sollen, sich an die Strafgesetze zu halten - zum einen indem die Bestrafung der Täter Vertrauen in die Rechtsordnung schafft, zum anderen in dem das dem verurteilten Straftäter zugefügte Leid alle anderen von der Begehung von Straftaten abschreckt.
Beides hat nichts mit den Opfern zu tun. Die Spezialprävention zielt nur und unmittelbar auf den Täter, die Generalprävention auf "die Rechtsgemeinschaft", also alle (anderen) Menschen.
Wenn man von "Gerechtigkeit für die Opfer" spricht, bleiben also nur der Gedanke der Sühne und der Vergeltung. Sühne soll bedeuten, dass der Täter sich durch die Strafe, die er erleidet, mit der Rechtsgemeinschaft, mit der er durch Begehung der Tat gebrochen hat, wieder versöhnt, während Vergeltung bedeutet, dass die Schuld des Täters durch das Leid, das ihm durch Vollzug der Strafe zugefügt wird, ausgeglichen werden soll. So gesehen zielen auch der Gedanke der Sühne und der Vergeltung auf den Täter und nicht auf dessen Opfer. Insbesondere bei Tötungsdelikten kann die Tat nun mal nicht durch eine Bestrafung des Täters ausgeglichen werden, und der Täter kann auch nicht durch das Erleiden der Strafe mit dem Opfer versühnt werden, denn das Opfer ist nun mal tot.
Deshalb geht es mir so furchtbar auf den Sack, dass Nowak hier von "Gerechtigkeit für die Opfer" spricht.