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  • zur Erinnerung an Egon Bahr

860 Beiträge seit 30.01.2017

Gerechtigkeit

"Sie mussten entweder selber geschlagen oder geschossen oder sich an Misshandlungen von Gefangenen beteiligt haben. Dieser Nachweis war schon in den 1970er oft nicht so einfach und so waren Verurteilungen selten."

Nach der Devise hätte man dann ja auch Hitler, Himmler oder Eichmann frei sprechen müssen. In Deutschland und auch hier bei einigen Teilnehmern im Forum ist man sehr erfinderisch, um Entschuldigungen zu finden für das Verbrechen, welches den deutschen Namen besudelt.

Selbstverständlich kann eine 18 - 20 jährige Sekretärin beurteilen, welche Morde 50 m von ihr entfernt täglich geschehen und weiß, dass sie mit ihrer Arbeit Hilfe dabei leistet.
Wer das nicht anerkennt, kann gleich unser gesamtes Rechtssystem ( Beihilfe zum Mord) in Frage stellen.

Viele haben damals mitgemacht - freiwillig.

1. Niemand wurde im III. Reich gezwungen, in einem KZ zu arbeiten, selbst dann nicht, wenn er Mitglied der SS war. Auch SS - Mitglieder haben das verweigert. Umso mehr hätte diese Sekretärin dies tun können.

2. In Berlin gibt es ein Denkmal für deutsche Frauen, die im III. Reich auf der Straße gegen den Abtransport ihrer jüdischen Ehemänner laut protestierten. Keiner von ihnen wurde daraufhin ein Haar gekrümmt. Was mit den Männern passierte, weiß ich nicht.

Jedenfalls konnte die Sekretärin beurteilen, was sie tat und hätte dort nicht arbeiten müssen. Sie leistete freiwillig Beihilfe. Ihr Alter und die Ungerechtigkeit, dass man die großen Fische hat laufen lassen, sind kein Argument. Jeder, der Beihilfe zum Mord in anderen "zivilen" Fällen leistete und über 80 Jahre alt ist, könnte dies dann als Präzedenzfall für einen Freispruch anführen. Der Paragraph, dass Mord nicht verjährt, müsste dann abgeschafft werden oder müsste durch eine Altersgrenze ersetzt werden , mit dem Zusatz: "Ist straffrei, falls andere Täter nicht verurteilt wurden".

Auch alle Wehrmacht - Soldaten wussten, was sie in der UdSSR taten, wenn sie eine ganze Dorfbevölkerung in die Kirche trieben, die dann angezündet wurde oder 1 000 000 Menschen in Leningrad verhungern ließen. Einige von ihnen kehrten dann später SCHWEIGEND nach 10 Jahren Kriegsgefangenschaft in der UdSSR zurück ( Arbeitskräfte beim Wiederaufbau der UdSSR). Die meisten wären entsetzt, wenn sie heute erleben müssten, wie der Westen augenscheinlich erneut auf Krieg mit Russland aus ist. So wie diese Soldaten, die unter Befehl standen, büßen mussten, muss auch eine Sekretärin, die nicht unter Befehl stand und ihr Leben genießen durfte, erst recht eine Strafe erhalten. Fragt hier jemand im Forum nach der Gerechtigkeit zwischen einer jungen deutschen Sekretärin und einem ebenfalls genauso jungen deutschen Kriegsgefangenen oder sogar toten Soldaten?

Was mich mehr noch als die fehlende juristische Aufarbeitung entsetzt, dass JETZT die Mehrheit der Deutschen kommentarlos zuschaut, nichts dagegen tut, und Parteien wählt, die einerseits Israel wegen 6 Millionen ermordeten Juden Achtung entgegen bringen ( was richtig ist und die Leiden der Juden ohnehin nicht mehr rückgängig machen kann ), aber Russland mit einem hohen Löwenanteil der 27 Millionen Toten der UdSSR die gleiche Anerkennung versagen, sie nicht erwähnen, zu Gedenktagen keine Vertreter Deutschlands entsenden usw.

Man stelle sich nur einmal vor, irgend ein Politiker würde auch nur mit einem einzigen Wort in der gleichen Weise gegen Israel oder die israelische Regierung hetzen, wie es deutsche - und EU - Politiker täglich gegen die russische Seite ( die noch mehr Opfer zu beklagen hatte) tun. Gründe für Kritik an der israelischen Regierung oder des israelischen Präsidenten gäbe es vielleicht auch, nicht nur für Kritik an der russischen Regierung oder an Putin.
Ein einziges Wort gegen Israel würde in Deutschland genügen, um die Karriere dieses Politikers für ewig zu zerstören. Das ist die eigentliche Ungerechtigkeit, die Unterteilung der Opfer in zwei Kategorien.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (02.10.2021 05:08).

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