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  • marasek

mehr als 1000 Beiträge seit 16.11.2001

Das Kind bitte nicht mit dem Bade ausschütten

Zunächst einmal: die Ausdifferenzierung von Diagnosen können wir in allen Bereichen der Medizin beobachten. Früher gab es Diagnosen nur auf Grund des Phänotyps, so wie es eine gewisse Klientel bis heute gerne hätte, die Grippe und Covid-19 gleichsetzt. Heute hat man viel mehr Diagnoseverfahren, insofern haben sich auch die Diagnosen ausdifferenziert.

Letztlich ist es ja bei Bewegungsstörungen (oder anderen Problemen) ähnlich: es gibt harte Störungen, denen Hirnschäden zu Grunde liegen, Mischformen, bei denen der korrekte Ablauf in der Frühkindheit nicht erlernt werden konnte oder solche, die z. B. später aus Gründen der Schmerzvermeidung über längere Zeit antrainiert wurden. Dementsprechend sind die Behandlungsoptionen, von palliativ bis heilend.

Ähnliches ist eben auch bei der Psyche zu erwarten - wenn man jetzt nicht gerade an die Seele glaubt, funktioniert unsere Psyche letztlich nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie die Motorik oder die willentliche Kontrolle über zwei wichtige Schließmuskel. Und dementsprechend haben dort Probleme ähnliche mögliche Ursachen.

Natürlich darf die gesellschaftliche Komponente nicht vernachlässigt werden. Was sich in manchen Familien abspielt, ist der helle Wahnsinn, und nein, ich spreche nicht vom Klischee des bildungsfernen Prekariats. Arbeitswelt ist das nächste; ein Freund ist von seinem Job aus sechs Wochen in die "Rehabilitation" und dann zurück in den Job gekommen, der das eigentliche Problem ist. Und viele Menschen wollen einfach nur, dass man funktioniert oder aus ihrem Leben verschwindet. Das einzige, was die westlichen Zivilisationen in dieser Hinsicht gut können, ist Regalmeter mit Literatur zu füllen, in denen Werte glorifiziert werden, die fast niemand lebt.

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