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  • Nützy

mehr als 1000 Beiträge seit 11.06.2010

KRITIK

Zitate aus dem Artikel in doppelten quote-tags:

Psychische Störungsbilder werden medikamentös behandelt, obwohl sie biomedizinisch gar nicht diagnostizierbar sind - zugleich werden immer mehr Fälle registriert

Grunsätzlich ist es sehr wohl denkbar, dass wir eine Sache behandeln können, die wir selbst gar nicht diagnostizieren können.

Dabei träten die Probleme nicht nur häufiger auf, sondern auch in immer früher im Leben der Betroffenen.

Treten sie:
a.) Real früher auf, etwa aufgrund Umweltänderungen oder so.
b.) Werden nur häufiger diagnostiziert und früher hat man das z. B. als besonders schlimmes pubertäres Verhalten oder so gewertet und via Initiationsritualen abgefedert.
c.) Werden häufiger fehldiagnostiziert, weil man völlig normale Gefühlslagen jetzt als Krankheit deutet.

Wobei zwischen (c) und (b) wohl kein so großer Unterschied besteht, je nachdem wie man es sieht.

Ihm war insbesondere die Pathologisierung natürlicher Trauer a beim Verlust eines nahestehenden Menschen als "Depression" ein Dorn im Auge.

Früher fand diese Trauer überwiegend in einen religiösen Kontext statt und die Menschen waren quasi ständig in Gesellschaft oder so isoliert, dass sie davon nichts mitbekamen.

Heute haben viele Leute niemanden mehr, der fähig und bereit wäre diese Trauer mit ihnen zu verarbeiten.
Deshalb wenden sie sich damit ans Gesundheitssystem und das kann ohne Diagnose nicht tätig werden.

Unter dieser Prämisse lässt sich gar nicht begreifen, warum immer mehr und mehr und mehr Menschen psychologisch-psychiatrische Diagnosen bekommen.

Doch.
Ein Erreger kann sich ausbreiten oder wenig verbreitet sein.

Warum soll es aber immer mehr defekte "Schaltkreise" in Gehirnen geben?

Virusinfekte, hormonähnliche Chemikalien in der Umwelt, generell Chemikalien (deren Langzeitfolgen ungeklärt sind!), die körperliche Veränderungen durch die Pille vor der Schwangerschaft, der gesellschaftliche Trend zu immer späteren Schwangerschaften, fehlerhafte Adaptierung auf neue Umweltreize, eine unerwartete Nebenwirkung des Flynn-Effekts usw.usf.

Eventuell ist es aber auch die große Unbekannte X.

Es wäre sogar denkbar, dass jemand die Ursache heute schon kennt, aber niemand den armen Kerl (oder KerlInn) glaubt. Semmelweiß hat man anfangs auch nicht geglaubt und Gebärmutterhalskrebs als Folge eines Virus, das war ebenfalls eine kleine Revolution.

Und warum lassen sich die nicht im Einzelfall nachweisen?

Guter Punkt.

Andere Frage: Werden eigentlich die Gehirnanpassungen, die den Menschen ermöglichen zu lesen, untersucht? Mit völlig leseunkundigen als Kontrollgruppe, natürlich?

2017 fanden führende Psychiater heraus, dass es im Prinzip keine strukturellen Gehirnunterschiede zwischen Menschen mit und ohne ADHS-Diagnose gibt.

Kann ich jetzt auf die Schnelle nicht beurteilen. Kann 100% richtig sein, aber eine Studie macht noch keinen Sommer.

Das fand die neue Generation der Psychiater in den 1970er-Jahren aber immer weniger überzeugend.

Kleine Anmerkung: Es gab zu der Zeit Studien, u.a. Rosenthal soweit ich weiß, die zeigten, dass bei den selben Symptomen die Psychiater zu anderen Ergebnissen kamen.
Sprich: Selber Patient geht zu Dr. A, Dr. B und Dr. C und hat dann drei verschiedene Diagnosen.

Das wollte man durch einheitliche Diagnose beseitigen.

Hausärzte diagnostizieren mitunter auch solche Störungen, sind dafür in der Regel aber nicht speziell ausgebildet.

...und das ist ein Problem...

Bei Depressionen dreht sich, wie bereits gesagt, viel um die Frage, was normale Trauer von einer klinischen Depression unterscheidet.

Wenn jemand grade dabei ist, "sein Leben zu zerstören", dann ist es mir egal ob die Ursache eine Gehirnkrankheit oder normale Trauer ist.

Aus diesem Lernprozess ging das heute etablierte Verständnis von psychischen Störungen einher.

Und der Deprimierte leidet unter seinen Zustand. Völlig egal, ob es normale Trauer ist oder eine Gehirnkrankheit.

Wenn wir das subjektive Leiden als Kriterium akzeptieren, dann kommen wir zu teils abstrusen Ergebnissen. Beispielsweise kann ein Maniker oder ein vom Größenwahn befallener überhaupt nicht leiden. Ähnlich verhält es sich mit manchen Süchten.
Liebeskummer dagegen ist ein starkes Leiden!

Inzwischen ging die in den letzten Dekaden häufiger diagnostizierte Asperger-Störung in einem breiteren Autismus-Spektrum auf.

Nicht im ICD!

Im Gegenzug erwarten manche Fachleute, dass Einsamkeit bald als psychische Störung aufgefasst wird. Wo man auch hinschaut: Kriterien und Diagnosen verändern sich.

:-|
Einsamkeit mag ebenfalls ein Leide sein, aber kein Medikament der Welt hilft dagegen, nur der Umgang mit Menschen.

Zu den anderen kein Wort.

Diese wird immer von Menschen getroffen. Es geht um Normen.

Das ist ein Fehlschluss.
Aber darüber könnte ich bald selbst einen Artikel schreiben und ich muss heute noch was tun.

Es gäbe ihn auch gar nicht, weil unsere sozialen Normen eigenständig existieren und sich nicht auf die Biologie reduzieren lassen.

Ich bin absolut sicher, dass so etwas wie Freundschaft und auch Liebe einen biologischen Zusammenhang haben, da man solches Verhalten auch bei Tieren, insbesondere Affen, feststelle lässt.
Auch die Beziehung zu einem Hund ist da signifikant.

Es darauf reduzieren ist aber vielleicht zuviel gesagt. Dennoch, Freundschaften entstehen viel häufiger zufällig als das sich zwei Seelen finden. Für Liebe gilt das selbe.

unter anderem schlimme Lebensereignisse wie Traumata oder Verluste, Teilhabe am Wohlstand, Zugang zu Gesundheitsversorgung, der Partnerschaftsstatus, das Geschlecht und Alter.

Vielleicht kann die Medizin in 20 oder mehr Jahren Menschen verjüngen, aber ihnen einen Partner klonen? Oder die Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen ändern? (Wobei das ja auch zusammenhängt.)

Dazu kommt natürlich, dass Menschen auch immer ausführlicher über psychische Störungen informiert werden und daher auch eher die Neigung dazu haben, ihre Probleme so zu deuten.

Volle Zustimmung was einige Modediagnose angeht.

[i]Ich könnte hier zu vielen Themen noch mehr schreibe und alte Links/Verweise rauskramen usw.
Ich glaube aber, dass Aufwand und Nutzen hier in keinem Verhältnis stünden.

Fakt ist, wir wissen grade in der Welt der Psychiatrie[/i] verdammt wenig. Mit diesen Fakt muss man umgehen können. Es hilft aber nicht, Menschen Hilfe zu verweigern.

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