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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Apologetik

Etwas Neues unter der TP-Sonne. Zumindest in diesem ersten Teil macht es nicht den Anschein, als würde Janzen zur auf diesem Site bestens vertretenen Gruppe von Intellektuellen gehören, die ihre persönliche Idiosynkrasie gegen Einschränkungen auf mehr oder weniger umständliche Weise in eine die Pandemie verharmlosende Theorie transformieren. Stattdessen scheint Janzen eher als Mittler auftreten zu wollen, ein Pseudoproblem lösend, das allerdings fast ausschliesslich von querschlägerisch Angehauchten von den überzeugten Querschlägern, die es in die Diskussion eingeführt haben, übernommen wird.

In der Tat ist 'die Gesellschaft' gespalten. Das ist sie aber immer. Sobald ein einzelnes Thema die Debatten beherrscht, wird das jeweils sichtbar. Scharfe Grenzen werden grell beleuchtet, unüberbrückbare Weltanschauungscanyons treten vor aller Augen. Natürlich besteht stets Eskalationsgefahr, doch die Revolutionen und Bürgerkriege auslösenden Trigger betreffen dann stets das Fressen, nicht die Moral. Letztere wird allenfalls post festum legitimierend in Anspruch genommen. Wenn es gefährliche Spaltungen gibt, dann nicht wegen eines Virus, sondern wegen der mittlerweile Jahrzehnte währenden, ökonomisch polarisierenden, vulgärmaterialistische Tendenzen begünstigenden Neoliberalisierung des Globus und all seiner national verfassten Gesellschaften.

Janzen verschleiert dies, indem er seine Ausführungen mit einem primär aus der Biologie stammenden Begriff einleitet...

Das Bestreben eines jeden Organismus ist aber, Homöostase und damit Gesundheit herzustellen, sonst ist sein Überleben nicht gesichert.

..., der in der Soziologie allenfalls als Metapher taugt. Ein biologischer Organismus und eine menschliche Gesellschaft sind zwei kategorial unterschiedliche Entitäten, Biologie und Soziologie sind daher auch begrifflich scharf zu trennen.

In der Folge outet sich Janzen als Apologet des Bestehenden. Etwas zugespitzt gesagt erzählt er uns, wir lebten in der besten aller Welten, die nicht eines grundlegenden Wandels bedürfe, sondern der Reformen:

Reformismus bedeutet: Arbeit an der Verbesserung und schrittweisen Umwandlung ungerechter und lebensfeindlicher Zustände.

Das nun ist eine kecke Behauptung, kurz nach der historischen Erfahrung, dass der Begriff 'Reform' bestens geeignet ist, um in der Gesellschaft von der herrschenden Klasse dringend gewünschte Regeländerungen in Richtung Radikalisierung kapitalistischer Zustände durchzusetzen. Ist nicht Schröder mit einer 'Reformagenda' angetreten? War ihm mit der Einführung des Hartz-Regimes um die "schrittweise Umwandlung ungerechter und lebensfeindlicher Zustände" zu tun?

Konsequenterweise wird dann das staatliche Handeln in der Pandemielage gerechtfertigt, verharmlost, obwohl es offensichtlich krachend gescheitert ist. Dass es dem bürgerlichen Kapital nicht um menschliches Wohl, sondern einen möglichst ungestörten Wirtschaftskreislauf ging und geht, ist nicht ernsthaft bestreitbar. Wer würde andernfalls, um nur ein offensichtliches Beispiel zu nennen, den internationalen Passagierflugverkehr, das naheliegenderweise efizienteste und schnellste Einfallstor für Pathogene so offen stehen lassen, bzw. nach kurzen, stets zu spät einsetzenden Schliessungen gleich wieder öffnen? Wenn doch bekannt ist, dass der Virus schon einige Tage anwesend sein kann, bevor er nachweisbar wird? China hat bewiesen, dass man mit einer konsequent angeordneten Quarantäne der Einreisenden Einschleppungen weitestgehend verhindern kann.

Die ignorant-kurzfristigen Kapitalinteressen führen zu einer zeitlichen Ausdehnung der Kalamität, die alle Menschen überfordert. Sich zusammenreissen, Regeln strikt beachten ist anstrengend, es ist normal, dass die Compliance mit der Zeit abnimmt.

Dass Janzen sich als Vertreter der vernünftigen Mitte, des juste milieu sieht, erhellt auch folgende Bemerkung...

...sei es die Umwandlung in eine antikapitalisch-marxistische Wirtschaft und Gesellschaft oder in eine autoritäre völkisch-nationale "Gemeinschaft".

, ...die zeigt, dass er sich als Alternativen zum Herrschenden nur gescheiterte Konzepte aus der Vergangenheit vorstellen kann. Dass auch das Gegenwärtige längst gescheitert ist - man denke nur an die ökologischen Katastrophen -, will er sich nicht eingestehen und versucht daher die sich auftuenden Spalten im gesellschaftlichen Gefüge in überkommener Weise einzuordnen und zu reparieren.

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