Wenigstens ist das ein ehrlicher Artikel.
Ich meine, in der Art, wie er zumindest in seinem zweiten Teil relativ durchsichtig darlegt, dass Betreuung in schwierigen Zeiten für die verfügbar ist, die bereit oder willens sind, dafür zu bezahlen.
Klar, es gibt andauernd Schlagzeilen der Art "so viel psychologischer Bedarf wie noch nie", und dann seit das etwas im Fokus ist immer diese schönen Seiten unter den Artikeln mit Resourcen: "Schlechte Gedanken? Hier werden Sie geholfen!"
Gut, 80% davon ist für Kinder und Jugendliche und Ehefrauen und Leute mit sehr spezifischen Zielgruppen-Problemen. Eigentlich ist da nur die Telefonseelsorge übrig, aber wer ruft die schon an? Es muss doch was von der Krankenkasse gegen, schließlich haben wir Zivilisation!
Irgendwann stellst Du dann vielleicht fest, so ein Freund jedenfalls, dass der Psychiater (1 Jahr Wartezeit auf einen Termin) eigentlich nichts wirklich für Dich tun kann und Adieu sagt nachdem er sein Pflichtprogramm abgespult hat. Genauso wie diverseste Psychotherapeuten (1+ Jahr Wartezeit auf einen Termin hurrah). Aber alle diagnostizieren Dir vielleicht Depressionen und anhängiges Zeug. Jeder was anderes. Und eine davon becheißt dich mit einem Beratungsvertrag und macht vermutlich dann Abrechnungsbetrug. Was, mit Verlaub, die Krankenkassen aber auch verdammt einfach machen.
Die geben einem dann aber auch, hab' ich gehört, öfter mal Ratschläge wie "Versuchen sie mal einen, den sie bezahlen. Ich kenn' da einen, der macht Hypnose, das könnte was sein für €80/Stunde. Oder eine Therapie mit Pferden, das ist auch so in der Preisklasse, vielleicht etwas mehr. Wegen den Pferden."
Wenn Du Pech hast, macht der Psychotherapeut dann irgendwann selbst Auszeit und Du stehst wieder da.
Dann rufst Du vielleicht bei der lokalen Selbsthilfegruppe an. Die sagt Dir dann "Oh, nein, wir machen nichts mehr, wegen Corona." Schon irgendwie ironisch, dass die ganze Welt Skype und Zoom und so machen muss, aber die Selbsthilfegruppe sich über Corona auflöst.
Dann gehst Du vielleicht zum Hausarzt. Der erklärt dir dann in 90 Sekunden ... keine Ahnung. Jedenfalls ist er so sinnlos wie ein Kropf. Aber vielleicht ruft er "ALLES WIRD GUT!!" während Du völlig perplex durch ein vollbesetztes Wartezimmer davon trottest.
Irgendwann rufst Du tatsächlich die Telefonseelsorge an. Und stellst dann fest, dass die erstmal stundenlang besetzt ist. Das ist dann schon irgendwie zugleich unerwartet und irgendwie auch nicht.
Irgendwann kommst Du aber durch, und nach 20 Minuten Gerede über gesellschaftlich fundierte Probleme sagt Dir die unverkennbar (sorry, aber is' so) aufgrund des Alters irgendwie leicht überforderte Frau am anderen Ende zwei Dinge: Das man keine Depressionen haben kann, wenn man ja noch aus dem Bett kommt. "Echte" Depressive, das weiss ja jeder, sind nur die, die nicht mehr aufstehen. Und das man doch mal versuchen solle, Hilfsangebote zu finden ... da gäbe es doch sowas ... was man heute benutzt .... Ebay!? Ich hoffe, sie meinte in der Geschichte wenigstens Ebay Kleinanzeigen, dann wäre es wenigstens etwas weniger bescheuert.
Und spätestens dann realisierst Du, dass das ist wie immer: Wir wahren den schönen Schein einer sozialen Gesellschaft. Aber wenn Du MÖGLICHERWEISE mit dem, was da ist nicht klar kommst, wie ein gutes, braves Zahnrad, dann ist NATÜRLICH Kapitalismus. Dann zückst Du besser mal die dicke Brieftasche.
Denn die guten Leute, sofern es die gibt (mein Freund hat das noch nicht ausprobiert) arbeiten ganz sicher nicht für Kassenleistung. Und ob sich womöglich gesellschaftlich fundierte Probleme wirklich mit Reden lösen lassen ... aber wir reden uns zumindest ein, reden hilft gegen alles. Man muss es sich nur lange genug leisten können.