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  • Moklitz

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Re: Putins Begründung des Krieges

hdwinkel schrieb am 11.02.2024 09:52:

Ich glaube zwar nicht, dass dieses Interview irgendwo auf große inhaltliche Resonanz stoßen oder gar irgendeine große Veränderung bewirken wird, dazu ist es entschieden zu langatmig, aber es fasst dennoch die Gedanken Putins noch einmal zusammen, die man zwar nicht teilen muss, aber zumindest kennen sollte:

- Putin sieht zumindest Teile der Ukraine als Russland an
Für ihn ist der gegenwärtige Krieg eigentlich eine Fortsetzung des Bürgerkrieges zwischen Teilen der ukrainischen Bevölkerung, die sich geschichtlich eher zu Russland oder eben zur Westukraine definieren
'Entnazifizierung' ist dabei ein Code, um die unterschiedlichen historischen Wurzeln nicht nur hervorzuheben, sondern als unvereinbar darzustellen. Bandera war nicht nur kein Russe, sondern hat gegen Russen aktiv gekämpft, an der Seite der Nazis.

Hier interpretierst du schon sehr weitgehend. Putin erläutert, wie sich der Neofaschismus in der Ukraine äußert und er spricht dem Land das Recht ab, sich auf diese durch Bandera repräsentierte Vergangenheit zu gründen. Das Volkstumsmäßige, was du hier anführst kann man allenfalls hineininterpretieren.

- Putin sieht den Westen, die NATO und vor allem die beide dominierenden USA als existenzielle Bedrohung für Russland wahr, die einen Umsturz in Moskau und eine Zerstückelung des Landes anstreben, mindestens aber eine wirtschaftliche Schwächung.

Mag schon sein, dass er das so wahrnimmt, aber wo äußert er sich dazu in dem Interview?

Die Ukraine ist da nur Mittel zum Zweck
Die Rolle Deutschlands wird von Putin als hirnrissig charakterisiert

Eine hübsche Paraphrasierung von Macrons Einschätzung der NATO.

- Putin verweist darauf, dass eine Sicherheitsarchitektur in Europa, wie allgemein das Völkerrecht nicht funktionieren, wenn sich vermeintliche Partner nicht an Absprachen halten und die Interessen des Gegenüber nicht respektieren. Er sieht die Amerikaner als den Teil der Welt, der das Recht des Stärkeren gegenüber der Stärke des Rechts permanent bevorzugt. Russland zieht da jetzt nur nach, um eigene Interessen durchzusetzen

Auch diese Einschätzungen habe ich so in dem Interview nicht gehört. Ich fand, dass Putin die Situation recht sachlich beschreibt und sich dann im Wesentlichen weigert, das Verhalten des Westens und der USA zu kommentieren. Mag sein, dass ich etwas nicht richtig verstanden habe, aber mein Eoindruck ist, die Interpretation stammt von dir.

- Russland hat seine Kriegsziele noch nicht erreicht, bezogen auf das zu erobernde Territorium, den zukünftigen Bündnisstatus der Ukraine als auch der politischen Ausrichtung.
Zu Verhandlungen ist er nur bereit, wenn der Westen, also insbesondere die USA Zugeständnisse machen

Ich habe nicht gehört, dass Putin noch weite Gebiete in der Ukraine erobern will, ich habe auch überhaupt nicht gehört, dass Putin die Verhandlungen an Bedingungen geknüpft hätte. Ganz im Gegenteil zeigt er sich jederzeit zu Verhandlungen bereit. Er sagt lediglich, dass es nicht seine Sache sei, diese in Gang zu bringen, da die Ukraine sich das Verhandeln derzeit selbst per Gesetz verbiete, was sie nach seiner Auffassung in Abstimmung mit den USA so tun.

Insgesamt beschleicht mich ein gewisses Unwohlsein, weil kaum Punkte zu finden sind, die auf ein baldiges Ende des Krieges hindeuten würden und das ganze Interview praktisch eine Bestätigung der Einschätzung von Maersheimer ist:
https://www.telepolis.de/features/John-Mearsheimer-ueber-den-Ukraine-Krieg-Die-Zukunft-sieht-duester-aus-9249351.html?seite=all

Mich beschlich schon seit langem ein Unwohlsein, weil ich mich frage, wie lange der Westen und die Ukraine diesen Krieg noch weiter führen wollen, ohne sich zu Verhandlungen bereitzufinden. An Russland scheint es zumindest nicht zu liegen, so mein Eindruck nach dem Interview.

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