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  • DasWoelfchen

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Re: @Telepolis: Das Problem ist, dass Ihr Putin und Zelensky gleich seht!

only_me schrieb am 10.02.2024 11:24:

Es geht darum, dass einige Leute hier meinen, dass alle Länder, die die Freundschaft mit den Amis suchen (NATO-Mitgliedschaft, usw) irgendwie dazu gezwungen wurden.
Die Idee, dass diese Länder keine zweite Ukraine werden wollen haben diese Leute natürlich nicht.

Wieso hätte das Staaten wie Polen, Rumänien oder auch die baltischen Staaten dies zum Beitritt bewegen können, wenn es diesen Konflikt zum Zeitpunkt ihrer Beitrittsverhandlungen noch gar nicht gab?

Wohl aber gab es Lobbyarbeit bei den Beitrittskandidaten:

Mittlerweile hatte ein Intellektuellenklüngel, der sich im Dienst der RAND Corporation mit außenpolitischen Fragen befasste – einer seit jeher von Militäraufträgen lebenden Denkfabrik –, an die Arbeit gemacht. Listig entwickelten und verbreiteten diese Leute das Argument, eine Osterweiterung der Nato diene der Friedenssicherung in Europa und richte sich keineswegs gegen Russland. Der führende Kopf der Truppe war der mittlerweile verstorbene Ron Asmus. Nur wenige Monate nach dem Mauerfall hatte dieser in Warschau einen RAND-Workshop veranstaltet, bei dem die Möglichkeit, amerikanische Streitkräfte auf polnischem Boden zu stationieren, erörtert wurde.
(...)
Im April 1997 unternahm Augustine (CEO von Lockheed Martin) eine Reise zu seinen künftigen Kunden in Polen, Tschechien und Ungarn, versäumte auch nicht, einen Abstecher nach Rumänien und Slowenien zu machen, und vergewisserte sich, dass es ein großes Potential an F-16-Interessenten gab. Clinton hatte verkündet, die Nato würde für Osteuropa eine ebensolche Wohltat sein, wie es der Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg für Westeuropa gewesen war. Viele der verarmten exkommunistischen Länder, deren Militär zumeist klein und marode war, wollten unbedingt mit von der Partie sein. „Augustine schaute den Leuten tief in die Augen“, erinnert sich Pawloski, der frühere Lockheed-Verkäufer, „und sagte: ‚Ihr habt vielleicht nur eine kleine Luftwaffe, vielleicht zwanzig Maschinen, aber die werden in der ersten Liga mitspielen müssen.‘ Das hieß, dass sie an der Seite der U. S. Air Force fliegen und F-16 brauchen würden, um mithalten zu können.“ In Wirklichkeit hatte Augustine neben diesem schlichten Verkaufsargument mehr zu bieten, unter anderem ein üppiges Diner, zu dem er ungarische Politiker in die Budapester Oper lud.
(...)
Zurück nach Washington. Dort war inzwischen eine neue, beeindruckende Lobby-Gruppe in Erscheinung getreten: das U. S. Committee to Expand Nato. Sein Mitbegründer und Vorsitzender, Bruce P. Jackson, war ein früherer Nachrichtendienstler der U. S. Army und zu Reagans Zeiten im Pentagon tätig gewesen. Nun hatte Jackson sich dem Streben nach einem „Europe whole, free and at peace“ verschrieben. Seine Leistungen im Dienste des Komitees wurden nicht bezahlt. Zum Glück hatte er seinen Geldberuf beibehalten – bei der Lockheed Martin Corporation (LMC), wo er als Vizepräsident für Strategie und Planung für Augustine arbeitete.
(...)
Weniger angenehm war das Lobbying, mit dem andere europäische Länder Bekanntschaft machen durften. So zählte etwa Rumänien zu denen, die hofften, in die Allianz aufgenommen zu werden und die Früchte dieses neuzeitlichen „Marshallplans“ genießen zu dürfen. Doch das Land lag in Trümmern. Seine Wirtschaft war noch kaum über das Niveau hinausgekommen, auf dem die verrückte Wirtschaftspolitik Nicolae Ceaușescus, des 1989 gestürzten und hingerichteten Tyrannen, sie zurückgelassen hatte. In einem Weltbank-Bericht von 1997 heißt es: „Die Armen leben mehrheitlich in Häusern, die traditionell aus Lehm und Stroh gebaut werden, haben kein Leitungswasser und keinen Kanalanschluss.“ Doch derart traurige Verhältnisse beeindruckten unsere Reisenden in Rüstungssachen nicht sonderlich. Vertreter der Firma Bell Helicopter Textron, des Herstellers der Cobra-Kampfhubschrauber, überredeten die rumänische Regierung 1996 dazu, 96 Super Cobra-Hubschrauber zu kaufen, ein 1,4-Mrd.-Dollar-Geschäft. Die Maschinen sollten im Lande gefertigt und auf den Namen „Dracula“ umgetauft werden.

Damit stand Daniel Dăianu vor einem Problem. Dem angesehenen Ökonom, im Dezember 1997 zum Wirtschaftsminister Rumäniens bestellt, fehlte ganz einfach das nötige Kleingeld. „Es gab riesige Zahlungsverpflichtungen, wir brauchten Mrd. zur Begleichung von Auslandsschulden, die ‘98 und ‘99 fällig werden würden“, sagte er mir. „Deshalb war ich so entschieden gegen das Geschäft.“ Doch die Vereinigten Staaten machten Druck. Dăianu wägte seine Worte: Amerikaner in Washington und in Bukarest, sagte er, „gaben mir unmissverständlich zu verstehen, das dieses Geschäft der Weg war, leichter in die Nato zu kommen“ – und zwar gleich in der ersten Runde, zusammen mit Polen und den anderen. Dăianu gewann interessante Einblicke, wie Washington funktioniert. Er wurde zum Objekt „sanften Drucks“ seitens „amerikanischer Industrievertreter und von Leuten, die eine Art Verbindungsglied zwischen der damaligen amerikanischen Regierung und den an diesem Geschäft beteiligten Unternehmen waren.“ Als Dăianu auf seinen Grundsätzen beharrte, gaben diese Leute „ihm zu verstehen“, wenn er dem Deal doch zustimme, sei „dies der Weg, für Ihren Ruhestand und Ihre Kinder zu sorgen.“

Gleichzeitig gab es in Washington selbst – nicht immer so sanften – Druck. Rumänien war dringend auf eine IWF-Kreditgarantie angewiesen, was dem Fonds erheblichen Einfluss auf den Staatshaushalt des Donaulandes verschaffte. Nun wollte es der Zufall, dass Karin Lissakers, die US-Geschäftsführerin im IWF-Vorstand während der Clinton-Amtszeit, eine Menge von den Verkaufspraktiken der Rüstungskonzerne verstand. Schließlich war sie in den 1970er Jahren für Senator Frank Churchs Subcommittee on Multinational Corporations tätig gewesen und als dieser Multi-Unterausschuss sich seinerzeit in die ungesunden Verkaufspraktiken amerikanischer Rüstungskonzerne im Ausland vertiefte, konnte er eine Reihe ungeheuerlicher Bestechungsfälle aufdecken. Deshalb machte es keinen großen Eindruck auf Lissaker, als ein Textron-Vertreter sie aufsuchte und verlangte, die vom IWF über das Rumäniengeschäft verhängte Blockade müsse aufgehoben werden.
(...)
„Rick Burt suchte mich auf und sagte, dass der IWF das Hubschraubergeschäft blockierte, sei absolut unvernünftig“, erzählte Lissaker mir. „Er wollte, dass ich Druck auf das IWF-Landesteam für Rumänien ausübte, sie unter Druck setzte, damit sie dem Kredit zustimmten. Sein Tonfall war aggressiv – er ließ durchblicken, da ich dem Kongress rechenschaftspflichtig sei, müsse ich [bei Nichtbefolgung seines „Rats“ – d. Übs.] mit Konsequenzen rechnen. Das war zu einer Zeit, als es in Bukarester Krankenhäusern kein fließend Wasser gab! Ich bedauere immer noch, dass ich ihn nicht gleich aus meinem Büro geworfen habe.“

https://www.blaetter.de/ausgabe/2015/februar/game-on-ost-gegen-west

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