From Hell schrieb am 01.10.2022 02:40:
Die drei verbliebenen Optionen sind nun a) direkter Eintritt der NATO in die Kampfhandlungen mit allen Konsequenzen, b) Ukraine kämpft allein weiter und geht komplett unter oder c) Friedensverhandlungen und zukünftige Neutralität der Restukraine.
Hätte sich das vermeiden lassen? Ja, wenn Minsk2 seitens Kiews umgesetzt worden wäre und notwendigerweise hätte sich die Ukraine dabei auch zu einem neutralen Status verpflichten müssen.
Wäre das im Entscheidungsrahmen der Ukraine gelegen? Ich glaube nicht, weil die Ukraine spätestens ab 2014 nicht mehr souverän entscheiden konnte.
Für Option a ist Kiew strategisch gesehen wahrscheinlich nicht bedeutsam genug. Biden sagte nicht umsonst, dass sie Russland ruinieren wollen, was Baerbock später unisono wiederholte. Und obwohl man das Gefühl hat, dass in der NATO panischer Aktionismus herrscht, will man keine nukleare Annihilation riskieren, schreckt jedoch nicht davor zurück, ein bisschen zu zocken, um trotz Einbahnstraße doch noch ein Weg aus der Sackgasse zu finden.
b ist realistisch. Die Meldungen deuteten zeitweise sogar in unseren Medien (in US-Medien stärker) an, dass man Kiew fallenlassen könnte, als man auf einmal Artikel über die Korruption um Selensky herum schrieb. Die Frage ist, was das herbeiführen könnte. Die EU könnte mit der Zeit zerbrechen, in der NATO gibt es zunehmend Risse. Wenn die EU ausschert, endet der Krieg und die NATO könnte zerfallen oder in etwas Neues münden.
c ist bis jetzt indiskutabel. Dadurch würde Jahrzehnte lange Arbeit der USA in und mit Ukraine dem Erdboden gleichgemacht. Es würde jedoch einen Patt bedeuten zwischen allen Streitparteien und die Möglichkeit bieten, dass sich der Westen und Russland zumindest auf Distanz wieder annähern und die Weltwirtschaft sich wieder stabilisiert.
Jedoch ist der größte Verlierer wohl die USA, da der Dollar wohl für immer aus den Rohstoffgeschäften Russlands und Chinas und ihrer Partner weichen wird. BRICS hatte noch nie so viel Aufwind, die ganze nicht-westliche Welt möchte gerne eine Neugewichtung der Fairness auf dem internationalen Markt, was man an den Vorträgen in der UN-Generalversammlung sehr gut erkennen konnte.
Aber so ist das, wenn man durch Zockerei denkt, mehr zu kriegen, als wenn man es auf konventionellem Wege versucht hätte... vielleicht hat man Erfolg, vielleicht aber auch nicht. Nord Stream 2 (für Monate) zu kappen, war ein verzweifelter Versuch, die wahrscheinlich wieder aufkeimenden Bande zwischen EU und Russland zu erschweren. Zu Lasten der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und dem NATO-Land, das es getan haben wird. Scholz ist auch nicht umsonst so zurückhaltend... er weiß, dass er wahrscheinlich irgendwann wieder nach Moskau reisen muss. Ohne Moskau funktioniert unsere Wirtschaft eben nicht, so bitter auch es sein wird.