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  • Hagjo1

mehr als 1000 Beiträge seit 11.11.2021

Re: egal wie der Krieg in der Ukraine endet - Deutschland hat verloren

mag2000 schrieb am 02.10.2022 01:02:

ich finde die Diskussion gerade sehr interessant, bin nur etwas müde, um mich da richtig reinzuhängen.
Aber vielleicht sollten wir uns erstmal klar machen, dass Egoismus überlebenswichtig ist und unsere Spezies nicht mehr existieren würde, wenn sie diesen nicht hätte. Nun ist es ein gewisser Entwicklungsprozess, dass ab einem bestimmten Entwicklungsstadium auch bei anderen Spezies, der Egoismus zu Gunsten der Gemeinschaft reduziert wird. Weil es Überlebensvorteile bringt. Um mal ganz weit vorne anzufangen.
Nun gibt es bei uns Menschen, dank des zivilisatorischen Fortschritts, auch die Erkenntnis dass die Welt ja gerade nicht gerecht ist. Das nimmt man zwar zu Kenntnis, aber den eigenen Lebensstandard zu opfern, um dem Inder der im Steinbruch arbeitet, ein besseres Leben zu ermöglichen, will dann doch keiner. Aber je gebildeter man ist, desto eher kann man das zumindest sehen und verstehen. Und jetzt kommt es, je höher der eigene Lebensstandard ist, desto eher ist man auch bereit, da ein klein wenig davon zu opfern um etwas "Gutes" zu tun.
Das ist jetzt wirklich alles etwas pauschalisiert dargestellt, aber ich denke so wird es in vielen Fällen sein.
Nun kommen wir zu denen, die eben im Leben nicht so richtig weit gekommen sind. Die sind natürlich frustriert und geben auch ungern noch was ab, wenn es sowieso schon eng ist und suchen einen Schuldigen. Das sind dann auch genau die, die Afd wählen und unser System für alles verantwortlich machen und der nächste Diktator, mit der größten Klappe der unser System herausfordert, ist eben Putin. Deswegen passt es ja auch so gut, dass Protestwähler, Afd wählen und auf Putin stehen.
Bei Corona war das ja leider auch so eine traurige Gemengelage. Ich habe mich ja schon gar nicht mehr getraut, gegen Ausgangssperren und andere Einschränkungen zu sein, weil man ja ratzfatz in die Querdenker-Ecke gestellt wird. Das war ja auch das traurige, dass die diesen Bereich völlig abgedeckt haben und für sich vereinnahmt haben.

Und auffällig hier ist auch, dass es im Osten von Deutschland eine viel größere Anfälligkeit dafür gibt, als im Westen. Was für mich bestätigt, dass es eben viel damit zusammenhängt, ob man seine Lebensziele erreicht hat, bzw zufrieden ist, oder sich eben abgehängt fühlt.
Und nein, das sind leider keine Vorurteile und meine Frau kommt auch aus dem Osten und sie kann das aus ihrer Sicht auch bestätigen.
Ganz nebenbei, hat man natürlich leicht reden, wenn man im Westen aufgewachsen ist und nicht auf einmal, das ganze System, auf dass das Leben und der berufliche Werdegang aufgebaut war, auf einmal weggebrochen ist. Ich kann das schon ein wenig verstehen. Aber trotzdem ist dann die Afd sicherlich die schlechteste Alternative. Aber das verstehen eben viele nicht.

Bin ich komplett auf einer Linie mit dir. Ich befürchte, dass wir lange brauchen werden, um diese Gesellschaft (wieder) zu kitten. Sicherlich gibt es da große Versäumnisse. Und was die Politik da an Versäumnissen und ganz offensichtlichen Fehlern gemacht hat, ist z.T. hahnebüchernd. Ich gehe da sogar soweit zu sagen, dass es wohl kaum einen Bundeskanzler und Minister von min. 1982 bis min 2021 gab, der nicht wenigstens einmal bewußt und im Amt seinen Amtseid verletzt hat.
Andererseits dachte ich immer, dass unsere Gesellschaft soweit in Takt wäre, dass sie das auch schaffen könnte. War wohl ein bisschen naiv gedacht.
Aber irgendwo muss ja auch noch Hoffnung sein:
1. Vielleicht haben die Politiker ja aus den vergangenen 2,5 Jahren etwas gelernt. Es geht nicht allein um die Interessen derer, die eine bessere Lobby besitzen oder am Lautesten schreien, sondern um das Gemeinwohl.
2. Vielleicht, sind die Leute, die hier mit Hilfe von Verschwörungstheorien und pro Putinäußerungen eigentlich nur ihrer Politik- und Gesellschaftsverdrossenheit ein Ventil geben, gar nicht so antidemokratisch, wie es scheint, denn die Frage, was sie sich konkret für sich und die Gesellschaft durch ihre Überzeugung erhoffen beantworten sie zu 100% nicht!
Vielleicht aus irgendeinem Restanstand, vielleicht, weil sie wirklich noch nicht soweit gedacht haben, vielleicht auch nur aus Angst vor der Forenaufsicht...

Ich bin -nach wie vor- fest davon überzeugt, dass fast jeder Mitbürger bestmöglich vor einer bedrohlichen Pandemie geschützt sein will, dass er nicht unter einer Autokratie ala Putin leben will, und dass er seinen Nachkommen ein lebenswertes Klima hinterlassen will... . Es ist allerdings schon erschreckend, wie man sich hierzulande freiwillig zum gedankenlosen, egoistischen Vollhonk (sorry, aber ich kann`s nicht passender!) macht und sich letztendlich seinen Wünschen und Idealen selbst in den Weg stellt.

Was WIR in Sachen Corona bisher als Gesellschaft geschafft haben, darauf dürfen wir stolz sein, auch wenn wir nicht alle Coronamaßnahmen der Politik gut fanden, oder nachvollziehen konnten. Was für ein gutes Gefühl kann doch Rücksichtnahme sein, statt sich ewig nur in seinem eigenen Leid zu baden und den Rest seines Lebens damit zu verbringen Schuldige zu suchen, an den Pranger zu stellen und sich an ihnen zu rächen.
Ich würde den Frustrierten gerne auch dieses Gefühl gönnen.

Im Übrigen... ...ich glaube nicht, dass wir in unserer Gesellschaft nur durch "die abgehängten Menschen im Osten" große Probleme haben, wenn ich sehe, dass es mittlerweile sogar Menschen gibt, die sich genauso abgehängt fühlen, weil sie sich kein Iphone, keine Gartenküche, und/oder keinen SUV leisten können, wie der Nachbar.
Damit will ich das immense Problem der abgehängten in Ost und West nicht kleinreden, sondern auf ein grundsätzliches Problem hinweisen, das nicht nur unsere Politik und Wirtschaft zu verantworten hat, sondern auch WIR als Gesellschaft.

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