Henrik Höfgen schrieb am 19. Juli 2007 8:26
> Und sie wissen, dass Europa seinem Scheideweg immer näher kommt:
> Europa muß sich zu einer politischen Kraft vereinen, um zu bestehen,
Es könnte auch zersplittert und Spielball der Großmächte bleiben.
Auch das wäre eine Form von "bestehen", wenn auch natürlich keine
wünschenswerte.
> aber dafür muß es sich entscheiden: Ost oder West, Russland/China
> oder USA.
Nein. Europa ist groß und wirtschaftlich leistungsfähig genug, eine
unabhängige Kraft zu bilden.
> Europa hat geopolitisch eine Weichen stellende Bedeutung,
> nur ist es sich dessen noch nicht bewußt (ich glaube Schröder und
> Chirac ahnten es).
Sie sind sich dessen sehr wohl bewusst.
Es ist den führenden Politikern nur weniger wichtig als die jeweils
nächste Wiederwahl bzw. der jeweils nächste Kuhhandel.
Etlichen Politikern ist die gesamteuropäische Perspektive sogar so
viel weniger wichtig, dass sie niemals ernsthaft darüber nachgedacht
haben. Für die meisten wäre das auch eher kontraproduktiv: ein
handlungsfähiger europäischer Zusammenschluss ist ein Projekt von
Jahrzehnten, solange bleibt kaum ein Politiker im Amt.
> Europa kann den kriegerischen US-Wahnsinn stoppen,
Nur, wenn es die Militärausgaben erheblich ausweitet. Die USA nehmen
weder Partner noch Gegner ernst, die ihnen nicht militärisch Paroli
bieten können.
Allerdings würde das in einem Rüstungswettlauf enden, der niemandem
guttäte.
> und Europa kann sich mit Russland einen starken Partner und Rohstoffe
> auf lange Zeit sichern, der darüber hinaus noch zuverlässig ist, weil
> er dringend die Euronen braucht, die wir für Erdgas und Erdöl zahlen.
Ich bezweifle, dass Russland ein langfristig verlässlicher Partner
ist.
Es gibt starke Kräfte in Russland, die in dieser Richtung denken und
handeln, aber es gibt auch starke destabilisierende Kräfte. Ich
denke, Russland wird auf absehbare Zeit einen Schlingerkurs zwischen
Stabilität und Unberechenbarkeit fahren (müssen).
> Die größte Angst der Amis ist, dass Europa den eigenständigen Weg
> geht, weil sie dann ihren größten Unterstützer, Finanzierer und
> Legitimator verlieren.
Ich glaube, die meisten Amis haben mehr Angst vor China.
Die Europäer können sie per "divide und impera" ganz gut unter
Kontrolle halten. China baut langsam seine wirtschaftlichen
Fähigkeiten wieder aus, und die USA haben kaum Druckmittel oder
Einflussmöglichkeiten, um das in für die USA genehme Kanäle zu
lenken, geschweige denn zu verhindern. (Das einzige Druckmittel der
USA ist die WTO, in die die Chinesen hineinwollten und wo sie
drinbleiben wollen. Und da kriegen die USA auch langsam Angst, dass
die Regeln irgendwann gegen sie selbst gewendet werden. Es gibt
bereits Stimmen in den USA, die so langsam die Urheberrechts- und
Patentregeln ein wenig abdämpfen wollen, weil schon abzusehen ist,
dass die Inder und Chinesen die USA bei den Patentanmeldungen
überholen werden...)
> Noch sind die europäischen "Eliten" auf
> US-Seite, weil sie davon profitieren können, aber wie lange noch? Und
> wie lange lassen sich die Europäer noch täuschen? Darum gibt es die
> NATO noch, darum auch die Raketenabwehr in Polen und Tschechien. Man
> will sich hier noch tiefer festsetzen und darum wehrt sich Russland
> so dagegen, denn es will mit Europa gemeinsame Sache machen, und dazu
> braucht es ein vereintes, starkes Europa, während die Amis eher von
> einem gespaltenen, schwachen Europa profitieren (schaut Euch mal die
> Kommentare der US-Regierung zur Entwicklung der EU an, Stichwort
> Türkei-Beitritt, "Old Europe, new Europe" etc.).
Das ist zwar richtig, aber auch Russland hat an einem starken,
geeinten Europa nicht wirklich ein großes Interesse. Europäische
Kleinstaaten wären viel leichter zu lenken (und man täusche sich da
nicht: die Russen würden eine solche Ordnung durchsetzen, wenn sie
könnten).
Das Problem der Russen ist, dass sie selbst kein echtes Gegengewicht
zu den USA aufbauen können, und dass sie zu sehr an imperiale
Hegemonie gewöhnt sind, als dass sie sich einem Staatenbund (wie z.B.
der EU) auf gleichberechtigter Basis anschließen könnten und so ein
Gegengewicht aufbauen könnten. Im Grunde ist die russische
Außenpolitik angesichts der amerikanischen Dominanz ziemlich hilflos
und darauf beschränkt, überall dort zu agieren, wo die Amis grad
nicht aufpassen (wie die EU-Außenpolitik auch, allerdings haben die
Europäer da ein kleines bisschen mehr Spielraum, weil die Amis uns
gegenüber zumindest so grundsätzlich ein gewisses Wohlwollen
pflegen).
Ansonsten durchaus Zustimmung.
> Und sie wissen, dass Europa seinem Scheideweg immer näher kommt:
> Europa muß sich zu einer politischen Kraft vereinen, um zu bestehen,
Es könnte auch zersplittert und Spielball der Großmächte bleiben.
Auch das wäre eine Form von "bestehen", wenn auch natürlich keine
wünschenswerte.
> aber dafür muß es sich entscheiden: Ost oder West, Russland/China
> oder USA.
Nein. Europa ist groß und wirtschaftlich leistungsfähig genug, eine
unabhängige Kraft zu bilden.
> Europa hat geopolitisch eine Weichen stellende Bedeutung,
> nur ist es sich dessen noch nicht bewußt (ich glaube Schröder und
> Chirac ahnten es).
Sie sind sich dessen sehr wohl bewusst.
Es ist den führenden Politikern nur weniger wichtig als die jeweils
nächste Wiederwahl bzw. der jeweils nächste Kuhhandel.
Etlichen Politikern ist die gesamteuropäische Perspektive sogar so
viel weniger wichtig, dass sie niemals ernsthaft darüber nachgedacht
haben. Für die meisten wäre das auch eher kontraproduktiv: ein
handlungsfähiger europäischer Zusammenschluss ist ein Projekt von
Jahrzehnten, solange bleibt kaum ein Politiker im Amt.
> Europa kann den kriegerischen US-Wahnsinn stoppen,
Nur, wenn es die Militärausgaben erheblich ausweitet. Die USA nehmen
weder Partner noch Gegner ernst, die ihnen nicht militärisch Paroli
bieten können.
Allerdings würde das in einem Rüstungswettlauf enden, der niemandem
guttäte.
> und Europa kann sich mit Russland einen starken Partner und Rohstoffe
> auf lange Zeit sichern, der darüber hinaus noch zuverlässig ist, weil
> er dringend die Euronen braucht, die wir für Erdgas und Erdöl zahlen.
Ich bezweifle, dass Russland ein langfristig verlässlicher Partner
ist.
Es gibt starke Kräfte in Russland, die in dieser Richtung denken und
handeln, aber es gibt auch starke destabilisierende Kräfte. Ich
denke, Russland wird auf absehbare Zeit einen Schlingerkurs zwischen
Stabilität und Unberechenbarkeit fahren (müssen).
> Die größte Angst der Amis ist, dass Europa den eigenständigen Weg
> geht, weil sie dann ihren größten Unterstützer, Finanzierer und
> Legitimator verlieren.
Ich glaube, die meisten Amis haben mehr Angst vor China.
Die Europäer können sie per "divide und impera" ganz gut unter
Kontrolle halten. China baut langsam seine wirtschaftlichen
Fähigkeiten wieder aus, und die USA haben kaum Druckmittel oder
Einflussmöglichkeiten, um das in für die USA genehme Kanäle zu
lenken, geschweige denn zu verhindern. (Das einzige Druckmittel der
USA ist die WTO, in die die Chinesen hineinwollten und wo sie
drinbleiben wollen. Und da kriegen die USA auch langsam Angst, dass
die Regeln irgendwann gegen sie selbst gewendet werden. Es gibt
bereits Stimmen in den USA, die so langsam die Urheberrechts- und
Patentregeln ein wenig abdämpfen wollen, weil schon abzusehen ist,
dass die Inder und Chinesen die USA bei den Patentanmeldungen
überholen werden...)
> Noch sind die europäischen "Eliten" auf
> US-Seite, weil sie davon profitieren können, aber wie lange noch? Und
> wie lange lassen sich die Europäer noch täuschen? Darum gibt es die
> NATO noch, darum auch die Raketenabwehr in Polen und Tschechien. Man
> will sich hier noch tiefer festsetzen und darum wehrt sich Russland
> so dagegen, denn es will mit Europa gemeinsame Sache machen, und dazu
> braucht es ein vereintes, starkes Europa, während die Amis eher von
> einem gespaltenen, schwachen Europa profitieren (schaut Euch mal die
> Kommentare der US-Regierung zur Entwicklung der EU an, Stichwort
> Türkei-Beitritt, "Old Europe, new Europe" etc.).
Das ist zwar richtig, aber auch Russland hat an einem starken,
geeinten Europa nicht wirklich ein großes Interesse. Europäische
Kleinstaaten wären viel leichter zu lenken (und man täusche sich da
nicht: die Russen würden eine solche Ordnung durchsetzen, wenn sie
könnten).
Das Problem der Russen ist, dass sie selbst kein echtes Gegengewicht
zu den USA aufbauen können, und dass sie zu sehr an imperiale
Hegemonie gewöhnt sind, als dass sie sich einem Staatenbund (wie z.B.
der EU) auf gleichberechtigter Basis anschließen könnten und so ein
Gegengewicht aufbauen könnten. Im Grunde ist die russische
Außenpolitik angesichts der amerikanischen Dominanz ziemlich hilflos
und darauf beschränkt, überall dort zu agieren, wo die Amis grad
nicht aufpassen (wie die EU-Außenpolitik auch, allerdings haben die
Europäer da ein kleines bisschen mehr Spielraum, weil die Amis uns
gegenüber zumindest so grundsätzlich ein gewisses Wohlwollen
pflegen).
Ansonsten durchaus Zustimmung.